„Xoftex“ – Zombies unter uns
Beklemmendes Flüchtlingsdrama
Das Dauerbombardement mit Flüchtlingsthemen in den hiesigen Medien hat zwar etwas abgenommen, Trump brachte also wenigstens ein Gutes mit sich, die vermeintliche Relevanz ist aber immer noch da, wie man nicht zuletzt am Gerangel der aktuellen Koalitionspartner erkennen konnte. Oder am bayrischen Sonnenkönig, der neben Döner und Bratwurst nur dieses eine Thema zu kennen scheint und das totale Quatsch-Versprechen abgab, dass man „den Zustand vor 2015 wieder herstellen will“. Oder am Auftritt eines fragwürdigen Kabarettisten neulich in einer dieser „Politiktalks“, der mit (vielleicht sogar nur ausgedachten) „Die bösen Ausländer!“-Anekdoten sein neues Buch an den Mann bringen wollte.
Jedenfalls versuchen nach wie vor Menschen mit fünf- bis sechsstelligen Monatsgehältern und wenig bis gar keinem Bezug zur Alltagsrealität Menschen aus fernen Ländern als „das Andere“ und somit als Gefahr zu markieren und da sind Filme wie letztes Jahr „Green Border“ oder nun „Xoftex“ ein höchst willkommenes Gegengewicht, die dem abstrakten Blabla Realitäten entgegensetzen.
Der rumänische Regisseur Noaz Deshe hat ab 2016 in der Seenotrettung mitgearbeitet und konnte im Zuge dessen eine Reihe von Flüchtlingslagern besuchen, von denen das griechische Xoftex laut ihm das Schlimmste war. In den Lagern hatte er für die Asylbewerber Theaterworkshops organisiert, die dabei entstandenen Geschichten flossen in seinen Film ein, der mit Schauspielern, darunter realen Asylanten, in einem Containerlager bei Berlin gedreht wurde und sich dabei tief in die Welt seines syrisch-palästinischen Protagonisten Nassar begibt, welcher mit seinem Bruder Yassin in einem Container in Xoftex lebt.
„Xoftex“ verfolgt dabei keinen konventionellen Plot und mutet zunächst wie ein Semi-Dokumentarfilm an, der mit äußerst agiler Kamera den trostlosen Lageralltag in düsteren Bildern einfängt. Untermalt wird Ganze von einem Soundtrack, der oft in einem Horrorfilm nicht fehl am Platz wäre. Es wird kein Zweifel dran gelassen, dass es sich um eine Vorhölle auf Erden handelt.
Nassar versucht die endlose Monotonie dieses Daseins vor allem mit dem Drehen von kleinen, amüsanten Handyvideos zu durchbrechen. Etwa einer Pseudo-Nachrichtensendung über eine nicht explodierte Rakete, wobei die Rakete von einem anderen Flüchtling dargestellt wird. Oder mit dem Schauen von Youtube-Videos über Raumzeit, Gravitation oder dem Casimir-Effekt. Besonders bemerkenswert ist der Versuch einen Zombie-Film zu drehen, die Flüchtlinge sehen nämlich eine Gemeinsamkeit: Sie sind wie die Zombies weder tot noch lebendig. Zwischenwesen. Eine beklemmende Analogie.
Mit der Zeit kippt der Film mit der fortschreitenden Depression Nassars zusehends ins Surreale, ins Innerste des jungen Mannes, wo auf metaphorischer Ebene Fluchterfahrungen, Angst vor Identitätsverlust und andere Motive verhandelt werden. Hier türmt der Film dann etwas viel auf, aber merkt das dann auch und macht wieder eine Biegung zur Erde, um zu einem Ende mit Nachhall zu kommen.
Die ein oder andere Kritik hat „Xoftex“ vorgeworfen, dass er nicht viel mehr aussagt, als dass ein Leben unter solchen Umständen, kein Schönes ist, den Geist zermürbt, was ja „eh klar ist“.
Das ist richtig, aber es braucht noch viel mehr Filme, die „eh klare“ Themen fühlbar machen. Denn nur dann weiß man wirklich, von was die Rede ist.
Xoftex • Frankreich/Deutschland 2024 • Regie: Noaz Deshe • Darsteller: Abdulrahman Diab, Jalal Albaroudi, Osama Hafiry, Moutaz Alshaltouh, Muhammed Al Rashi. Lujain Mustafa • jetzt im Kino
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