26. Januar 2016 2 Likes

Die Zukunft ist ungewiss

Ein Symposium zum Thema Science-Fiction-Film stellte vor allem interessante Fragen

Lesezeit: 4 min.

Nostalgische Blicke in die Vergangenheit kann Science-Fiction liefern, eine andere Sicht auf Probleme der Gegenwart aufzeigen, aber auch – tatsächlich – einen Blick in die Zukunft werfen, zumindest einer imaginierten. Im Laufe des Symposiums „Things to Come“, das vom 21.- 23. Januar in Potsdam und Berlin stattfand, wurden all diese Position vertreten, so dass man sich bisweilen fühlte wie in „Interstellar“, der ja bekanntlich postulierte, dass Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft allesamt gleichzeitig existieren.

Sinnigerweise begann das vom Einstein Forum und der Deutschen Kinemathek organisierte Symposium mit internationalen Gästen dann auch mit einem Vortrag über Christopher Nolans Blockbuster, einem der wichtigsten jener aktuellen Science-Fiction-Filme, die Teil eines Booms des Genres sind, der Anlass für diese Tagung war. (Und ab Ende Juni Anlass für eine gleichnamige Ausstellung im Filmmuseum Berlin. Wir werden berichten.)

„Ex Machina“, „Tomorrowland“, Neuauflagen der Klassiker „Star Wars“ und „Star Trek“, diverse postapokalyptische Dystopien, die die Folgen der zunehmenden, allzu realen (Umwelt)-Katastrophen fiktiv durchspielen: Stoff für Diskussionen gibt es im aktuellen Science-Fiction-Film genug, doch je vielfältiger die Themen, umso schwerer einen verbindenden Nenner zu finden. All over the place waren dementsprechend die einzelnen Beiträge: Simon Spiegel analysierte in seinem Vortrag Tomorrowland ist abgebrannt die Schwierigkeit, eine positive Zukunftsversion zu entwerfen, die vor dem ganz pragmatischen Problem steht, dass eine Welt ohne Probleme kein ausreichendes dramatisches Konfliktpotential beinhaltet. (Ein Problem übrigens, vor dem schon H.G. Wells in seinem Roman „Things to Come“ stand, der der Tagung ihren Namen verlieh)

Während die Philosphin Janina Sombetzki und der Regisseur Harald Hamrell anhand der schwedischen TV-Serie „Real Humans“ über Fragen der Roboter-Ethik diskutierten, die angesichts zunehmender Entwicklung der KI immer relevanter werden (wer etwa wäre für einen von einem Robotor gesteuerten Auto verursachten Unfall verantwortlich? Der Roboter? Sein Programmierer?) und für den intellektuellen Höhepunkt der Tagung sorgten, beschränkten sich etliche Redner auf vor allem informative Vorträge.


Klaudia Wick beim Symposium „Things to Come“.

Klaudia Wick skizzierte die Zukunftsvisionen des deutschen Fernsehens nach, von „Raumpatrouille“, über „Telerop 2009“ bis zu „2030 - Aufstand der Alten“ und fand eine überraschend einfache Antwort auf die Frage, warum es im ostdeutschen Fernsehen so wenig Science-Fiction-Formate gab: Der eigenen Ideologie folgend befand man sich ohnehin in einer Utopie, mit der BRD als dystopischem Gegenbeispiel. – Damit war dann der Bedarf an Science-Fiction gedeckt.

Schließlich öffneten die beiden letzten Redner Ytasha Womach und Mingwei Song den Blick auf zwei zumindest in Deutschland noch weitgehend unbekannte Felder der Science Fiction: Erstere erläuterte die so genannte „Afrofuturism“, in der die oft leidvolle Geschichte der Schwarzen reflektiert wird, auf beiden Seiten des Atlantiks: In den USA zählen Filme wie John Coneys „Space is the Place“ oder John Sayles „Brother from another Planet“ zu den filmischen Formen dieses spannenden Subgenres, aber auch die Musik und nicht zuletzt die selbst entworfenen Legenden von Künstlern wie Sun Ra, George Clinton oder Janelle Monae. In afrikanischen Staaten wie Nigeria, Kenya oder Kamerun entstanden in den letzten Jahren (Kurz-) Filme wie „Les Saignantes“, „Pumzi“ oder „Noise Gate“, die die Möglichkeiten der Science-Fiction nutzen, um über Rassismus, Kolonialismus und Wirtschaftsprobleme zu erzählen.

Und schließlich ein Blick nach China, wo neben so vielem anderen auch die Scince-Fiction boomt, wie der chinesische Literaturwissenschaftler Mingwei Song erläuterte: Lange Jahre als subversiv verschrieen und praktisch verboten, feiert das Genre inzwischen eine bemerkenswerte Renaissance, die wohl nicht ganz zufällig 1989 begann. Fast zeitgleich zum Massaker auf dem Tiannamen-Platz vollendete Liu Cixin seinen Roman „China 2185“, der zwar bis heute nicht offiziell veröffentlicht wurde, aber doch den Weg bereitete. Autoren wie Han Song oder Wang Jinkang veröffentlichten Romane mit verheißungsvollen Titeln wie „2066: Mars over America“ oder „Subway“, in dem im U-Bahn-Systems Beijing, dass kreisförmig aufgebaut ist, ein Wagon auf einer endlosen Reise ist.

Doch keiner kommt an den Erfolg und den Einfluss des Journalisten Liu Cixin heran, ein Name, den man sich auch im Westen wird merken müssen: Seine „Three Body Problem“-Trilogie war in China ein Riesenbestseller, die Verfilmung des ersten Teils kommt im September in die Kinos. In der englischen Übersetzung erhielt Liu letzten August als erster Asiat den Hugo-Preis, im Herbst erscheint die deutsche Übersetzung (unter dem Titel „Die drei Sonnen“, im Shop). Vordergründiges Thema ist zwar das wohl unlösbare mathematische Dreikörperproblem, eigentlich reflektiert der Roman aber die chinesische Gegenwart, womit wir dann wieder bei der Ausgangsfrage sind: Von was erzählt und handelt Science-Fiction nun eigentlich und was kann sie uns über unsere Zukunft erzählen? Am Ende einer vielseitigen Tagung blieb die Antwort erwartungsgemäß vage: Alles und nichts, im besten Fall aber viel über Menschen und ihr Verhältnis zur Welt. – Das also, was alle gute Kunst macht.

Fotos © Deutsche Kinemathek

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