„Sketch“ - Ein Monsterfilm, den man zum Fressen gern haben wird
Bunt, bunter am buntesten
In Seth Worleys Debütfilm „Sketch“ reißen nicht nur die Kinder beim Anblick fantastischer Kreaturen die Augen weit auf, auch als Zuschauer – ganz gleich welchen Alters – ist man erstaunt. So was hat man in der Form noch nie gesehen. Unter anderem gibt es orangenfarbene Vierbeiner, deren breite Gesichter nur aus einem großen Maul mit spitzen Zähnen bestehen, blaue, spinnenartige Wesen mit unterschiedlich großen Pupillen und gelbe, smilyartige Wesen mit einem Federkranz in lila- oder eisblauen Neonfarben zu bestaunen. All diese sehr unterschiedlichen Wesen sehen unperfekt aus, hier und da schief oder unproportional oder mit Augen, die offensichtlich einfach aufgeklebt wurden.
Die Antagonisten in Worleys Film wirken so bedrohlich wie putzig, es sind lebendig gewordene Kreaturen aus dem Skizzenbuch der 11-jährigen Amber Wyatt, die mit ihren Zeichnungen die durch den frühen Tod ihrer Mutter entstandene Wut und Trauer kanalisiert. Und wer entweder selbst Kinder hat oder wie der Autor dieser Zeilen regelmäßig mit Kindern arbeitet, wird vor Begeisterung dahinschmelzen, mit welcher Treffsicherheit und mit wie viel Liebe zum Detail (die Monster hinterlassen kein Blut, sondern große Farbkleckse oder Glitter) hier kindliche Vorstellungswelten in Spezialeffekte transferiert werden.
Es sind an und für sich allein schon die zauberhaften Effekte, die diesen gerade mal zwei Millionen Dollar teuren Film sehenswert machen, aber zum Effekt-Wunderwerk gesellt sich glücklicherweise noch ein kluges Drehbuch, das (sanften) Grusel, Humor und Emotionen perfekt austariert und einfühlsam von einer Familie erzählt, die auf unterschiedliche Art und Weise mit einem großen Verlust zurechtkommen muss. Ambers Vater Taylor kümmert sich liebevoll um seine Kinder und versucht den Verlust seiner Ehefrau durch Verdrängung irgendwie zu verarbeiten, während ihr älterer Bruder Jack sich in der (zu großen) Verantwortung für seine Schwester sieht. Als der Junge einen magischen Teich im Wald entdeckt, der Wunden heilen und zerbrochene Handys wieder reparieren kann, muss sich die Familie zusätzlich noch mit Problemen ganz anderer Natur rumschlagen, denn nachdem Ambers Skizzenbuch ins Wasser fällt, wird klar, dass der Teich auch Unbelebtes lebendig machen kann …
„Sketch“ weckt sicherlich Erinnerungen an Stephen King und an die frühen Filme von Tim Burton, findet aber einen eigenen Weg. Er nimmt die komplexen Gefühlswelten seiner Protagonisten ernst, lässt jedoch, wie ein an „Friedhof der Kuscheltiere“ erinnernder Subplot, in dem Jack seine Mutter wieder ins Leben holen will, deutlich macht, den ganz großen, wahren Horror als Vorstellungsraum offen. Genauso fehlt das oft ausgestellt wirkende (und mitunter anstrengende) Exzentrische von Burtons Figuren. Der Wyatt-Nachwuchs hat zwar eine gewisse Lust am Morbiden, aber unterm Strich handelt es sich – auch hier leistet das Drehbuch ganze Arbeit – um real anfühlende Kinder und eben nicht um Kinder, die von Erwachsenen geschrieben worden sind. Das tolle Gefühl für seine Figuren macht sich aber nicht nur bei den Kids bemerkbar, das Verhältnis zwischen Amber und Jack wird vom Verhältnis zwischen Taylor und seiner Schwester Liz, einer Immobilienmaklerin, die helfen soll, das Haus zu verkaufen und dadurch ebenso in Turbulenzen der fantastischen Art gerät, subtil gespiegelt.
„Sketch“ ist ein kleines Juwel, es ist kaum zu glauben, dass Worley, der seit 2006 Kurzfilme dreht und 2020 mit „Dark Colors“ bereits ein Proof of Concept für „Sketch“ veröffentlicht hatte, erst jetzt einen Spielfilm veröffentlichen konnte, dessen weltweite Vertriebsrechte kurioserweise bei den Angel Studios liegen, die eigentlich für ultra-religiöse Stoffe bekannt sind. Hierzulande kümmert sich der kleine Stuttgarter Verleih Kinostar, in letzter Zeit Dauerpartner der Angel-Studios, um den kleinen riesengroßen Film, der hoffentlich seinen Weg in möglichst viele Kinos finden wird. Vielleicht hilft ja tatsächlich ein Gebet.
Abb. Kinostar
Sketch • USA 2024) • Regie: Seth Worley • Darsteller: Tony Hale, D’Arcy Carden, Bianca Belle, Kue Lawrence, Kalon Cox • jetzt im Kino
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