5. Oktober 2025

„Kein Land für Niemand“: Die Zukunft auf der Kippe

Mehr als nur die nächste Migrations-Doku

Lesezeit: 3 min.

Migration. Auch wenn die Talkshows mittlerweile zwischendurch andere Bereiche beackern (entweder Krieg oder Bürgergeld), handelt es sich nach wie vor um das Lieblingsthema des deutschen Politik-Trash-Talks. Dass die Zahl der Asylanträge sich mittlerweile auf einem Tiefstand befindet? Egal. Dass die Alltagswirklichkeit der Bevölkerung von ganz anderen, weitaus dringlicheren Problemen durchzogen ist? Wurst. Munter wird das Flüchtlingsthema weiter und weiter durch den Medienzirkus getrieben. Es wundert nicht, dass neulich zu lesen war, dass ein gewisser bayrischen Bundesminister, der sich eigentlich nur durch Gebelle nach noch härteren Vorgehen gegen Not leidende Menschen bemerkbar macht, weit, weit dringlichere Themen, die in sein Aufgabengebiet fallen, komplett vernachlässigt hat.

Der mindestens ebenso obsessive Bundeskanzler steht dem in nichts nach und konnte es selbst in seiner Rede zum Tag der deutschen Einheit nicht lassen, die „irreguläre, ungesteuerte Migration“ aufzugreifen, die seiner Meinung nach Schuld ist an einer vermeintlichen Polarisierung Deutschlands, die angeblich neue Gräben aufgerissen hat.

Es ist der große Verdienst von „Kein Land für Niemand“, dass aufgezeigt wird, dass die Polarisierung, sofern sie denn überhaupt in diesem Ausmaß existiert, wie behauptet, was nicht nur von einem interviewten Soziologen angezweifelt wird, von eben diesen Politikern im Einklang mit dem Medienapparat geschaffen wurde. Es wird vor Augen geführt, wie in den letzten Jahren stete Wiederholungen (Gustave Le Bons sozialpsychologischer Klassiker „Psychologie der Massen“ kommt einem in den Sinn) von Bedrohungsszenarien und Unwahrheiten für eine immer größer werdende Kluft zwischen Wirklichkeit und Medienrealität gesorgt haben, die Medienrealität sich schlussendlich nahezu komplett von der Wirklichkeit abgelöst hat.

Um das deutlich zu machen, werden nicht nur obligatorischen Faktenchecks bemüht, sondern effektiv teils unheimliche drastische Aufnahmen, beispielsweise brutale Übergriffe der libyschen Küstenwache auf Flüchtlinge oder Seenotrettungen aus der Perspektive von Bodycams eingestreut, die in einem steilen Kontrast zu den frostigen Bildern Reden schwingender Politiker im Bundestag oder in irgendwelchen Medienformaten stehen. Es sind zwei Realitäten, die sich kaum in einer Verbindung zueinander befinden, aber sich leider dennoch gegenseitig beeinflussen. Ein zutiefst grausames Trauerspiel.

An einer Stelle meint Tarek Alaows von der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl treffend: „Letztendlich handelt es sich nicht nur um die Menschen an den Außengrenzen, sondern um eine Gesellschaft, in der wir leben und um unsere Vision von der Welt und von Europa.“. Migration ist ein weitaus größeres Thema als „Ausländer raus“ oder „Ausländer rein“. Wie wir mit dem Thema umgehen, sagt viel über uns aus und über die Zukunft, die uns erwartet.

Dementsprechend schließt am Ende die Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl mit den Worten: „Die Zukunft ist offen. Sie kann furchtbar werden, daran arbeiten sehr viele Leute, aber sie kann soviel besser werden, als die Gegenwart. Auch daran arbeiten viele Leute und das stimmt mich optimistisch.“ – Woher genau sie ihren Optimismus nimmt, wird nicht deutlich, ich kann ihn nicht wirklich teilen, aber sie sagt auch, dass man „klar und verständlich machen muss, in was für einer Welt wir leben möchten“.

„Kein Land für Niemand“ hat auf jeden Fall den richtigen Ansatz.

Eine Liste mit den Kinos, die den Film spielen (auch mit Sonderveranstaltungen) findet man hier.

Abb.: Dop-Out Cinema

Kein Land für Niemand Deutschland 2025 • Regie: Maximilan Ahrens, Maik Lüdemann • Mit Interviews mit: Aladin El-Mafaalani, Marcel Fratzscher, Maurice Höfgen, Simin Jawabreh, Jochen Oltmer, Monika Schnitzer, Natascha Strobl, Linus Westheuser, Helena Steinhaus • im Kino

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.