Technosapiens?
Peter Watts regt sich über „Interstellar“ auf
Peter Watts ist derzeit einer der wichtigsten und besten Science-Fiction-Autoren der Welt. Warum? Weil er zu den wenigen gehört, die sich nicht nur auf dem ausruhen, was seine Kollegen in den letzten hundert Jahren aufgebaut haben, sondern die Grenzen dessen auslotet, was möglich ist.
Aber Watts ist auch ein unbequemer Autor, der es seinen Lesern nicht leicht macht. Wer bei diesen Reisen an die Grenzen dabei sein will, muss auch verquere Charaktere ertragen, die so gar nichts von sympathischen Helden und Anti-Helden haben. Man muss Aliens mögen, die keine Menschen mit Gummi-Masken oder im Motion-Capture-Anzug sind, sondern A-l-i-e-n-s. Und man muss in Kauf nehmen, dass da ein Autor das Wörtchen „Science“ in Science-Fiction ernst nimmt.
Peter Watts ist leider auch ein langsamer Autor. Er hat seit 1999 nur sechs Romane verfasst, dazu gut zwanzig Kurzgeschichten. Zwischen ’99 und 2004 entstand die Rifters-Trilogie, „Starfish“ (dt. Abgrund, im Shop), „Maelstrom“ (dt. Mahlstrom) und „βehemoth“ (dt. Wellen), gefolgt von „Blindsight“ (2006; dt. Blindflug) und in diesem Jahr „Echopraxia“ (dt. 2015, alle bei Heyne), der im gleichen Universum wie der Vorgänger angesiedelt ist. Dazwischen entstand 2011 „Crysis: Legion“, der Roman zum Spiel; ein Job, den Watts nur deshalb angenommen hat, weil er sich selbst beweisen wollte, dass er auch in wenigen Wochen ein Buch schreiben kann, wie er in seinem Blog ironisch anmerkte.
Und dieser Blog ist immer wieder eine Offenbarung. Hier zeigt sich, dass Watts auch ein ziemlich unbequemer Mensch ist. Manchmal erinnert er in der Vehemenz seiner Ansichten an Harlan Ellison, der auch nie ein Blatt vor den Mund genommen hat. Und nie wusste, wann er den Mund halten muss. So wie Watts, der im Dezember 2009 an der amerikanisch/kanadischen Grenze festgenommen wurde, weil er den amerikanischen Grenzbeamten etwas zu aufsässig war. Er hatte Glück, nicht im Gefängnis zu landen, aber auf Reisen in die USA wird der kanadische Autor in Zukunft verzichten müssen.
Ein frischer Blog-Eintrag belegt seine Eloquenz und Meinungsfreudigkeit. Unter dem Titel „Interstellar and my Inner Anti-Abortionist“ nimmt er den Film von Christopher Nolan aufs Korn.
Der Film bietet genug Angriffsfläche und Watts ist sich nicht zu schade, all den Unsinn kurz zu zerpflücken, gesteht Nolan aber immerhin zu, die wissenschaftlichen Aspekte der Sache nicht komplett der Fantasie überlassen zu haben. Aber interessant ist vor allem die Klammer, in die er „Interstellar“ packt. Denn besonders regt ihn die Einstellung auf, die dem Film zugrunde liegt und schon auf dem Kinoplakat deutlich wird: „Mankind was born on earth. It was never meant to die here. – We were not meant to save the Earth. We were meant to leave it.“ Was man auch als Aufbruchstimmung zu neuen Welten verstehen kann, ist für Watts nichts anderes als Idiotie.
Und daher bringt er auch mit wunderbarem Furor die „Sünde“ ins Spiel. Wer Mist baut, soll dafür auch bezahlen. Wer seine Lebensgrundlage zerstört, soll genauso verrecken wie die anderen Spezies, die er zum Tode verurteilt – und nicht auch noch zu den Sternen aufbrechen.
Wenn es um die Arroganz des „Technosapiens“ geht, kennt der promovierte Meeresbiologe eben kein Mitleid.
„Echopraxia“ von Peter Watts erscheint im August 2015 bei Heyne.
Foto: rifters.com
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