18. November 2015 3 Likes

Das große, kleine Finale

Mit „Mockingjay, Teil 2“ enden die Hunger Games auf erstaunlich überzeugende Weise

Lesezeit: 3 min.

Was lange währt wird, endlich gut, könnte man über „Mockingjay, Teil 2“ sagen, den vierten Teil der „Hunger Games“-Trilogie. Vor ziemlich genau einem Jahr beklagten wir uns an dieser Stelle darüber, dass Groß-Filme dieser Art heutzutage nicht mehr als eigenständige Werke konzipiert sind, sondern nur noch kleine Teile eines großen Ganzen sind. Im Gegensatz zu „Mockingjay, Teil 1“, der weder Anfang noch Ende, sondern nur einen Mittelteil hatte, hat „Mockingjay, Teil 2“, also einen entscheidenden Vorteil: Einen Anfang gibt es zwar zwangsläufig nicht (ohne die ersten drei Teile gesehen zu haben, versteht man hier nur Bahnhof), dafür aber eine ziemlich gelungene Mitte und vor allem ein sehr gelungenes Ende.

Francis Lawrence Film setzt exakt da an, wo Teil 1 aufhörte: Unsere Heldin Katniss (Jennifer Lawrence) wacht verwundet auf, ihre große Liebe Peeta (Josh Hutcherson) leidet an Wahnvorstellungen, die ihn Glauben lassen, dass Katniss seine Feindin ist. Der Kampf der Rebellen, angeführt von Alma Coin (Julianne Moore) gegen den Diktator Präsident Snow (Donald Sutherland) geht in die entscheidende Phase: Beide Seiten schmieden Pläne, wie der Gegner in die Falle gelockt werden kann, doch Katniss hat nur ein Ziel: Präsident Snow eigenhändig zu ermorden. So schleicht sie sich an die Front und macht sich zusammen mit Peeta und seinem Nebenbuhler Gale (Liam Hemsworth) auf, Rache für ihre ermordete Familie zu üben.

Sowohl Stärken als auch Schwächen der Reihe sind hier vorhanden: Die Ausstattung, vor allem die Kostüme, sind außerordentlich, die exzellenten Nebendarsteller von Stanley Tucci über Woody Harrelson bis zu Jeffrey Wright werden weitestgehend verschwendet, gerade Philip Seymour Hoffman als Propaganda-Experte Plutarch Heavensbee hätte man einen komplexeren letzten Auftritt gegönnt. Aber. Und das ist kein geringes aber, denn was die Panem-Filme schon immer ausgezeichnet hat, kommt im letzten Kapitel endgültig zu tragen: Eine komplexe Metaphorik, eine bemerkenswert düstere Grundstimmung, der besonders erfreuliche Verzicht auf jegliche patriotische, nationalistische Jubelbilder.

Schon in „Mockingjay, Teil 1“ deutete sich die Verschiebung der klaren Freund-Feind-Strukturen an: Immer deutlicher wurde, das Coin und Snow zwei Seiten einer Medaille sind, dass Coin all jenen Revolutionsführern nachgeahmt ist, die zunächst gegen üble Diktatoren kämpften, diese dann jedoch nicht durch die versprochene Demokratie ersetzen, sondern sich selbst als Führer installierten und nur eine neue Diktatur bildeten. Und als wäre dies nicht genug Bezug zur politischen, gesellschaftlichen Realität, wird das Thema der Propaganda weitergeführt, die Lügen, die vordergründig für die gute Sache verbreitet werden, aber doch nur individuellen Zielen dienen.

Vor allem aber entwickelt sich die Panem-Saga an ihrem Ende zu einem erstaunlichen Plädoyer gegen den ewigen Kreislauf der Gewalt. Wenn am Ende die Rebellion siegt, dann finden die finalen Kämpfe abseits der Leinwand statt. Der Fokus bleibt stets auf Katniss gerichtet, die am Ende einer verlustreichen Reise wieder an den Anfang zurückgekommen ist: In ihr nun völlig zerstörtes Zuhause, ohne Familie, ohne Freunde. Der Triumph des Sieges gegen die Diktatur wird somit überschattet vom persönlichen Verlust, ein Verlust, der nicht wie sonst im großen Blockbuster-Kino üblich einfach weggewischt, sondern offensiv in den Mittelpunkt gestellt wird. Und das ist dann doch eine erstaunliche düstere, aber auch realistische Haltung für einen sündhaft teuren Hollywood-Film, der vor dreieinhalb Jahren als actiongespickte Teenie-Version von „Running Man“ oder „Battle Royale“ begonnen hat.

„Die Tribute von Panem: Mockingjay, Teil 2“ startet am 19. November im Kino.

Die Tribute von Panem: Mockingjay, Teil 2 • Regie: Francis Lawrence • Darsteller: Jennifer Lawrence, Josh Hutcherson, Liam Hensworth, Woody Harrelson, Donald Sutherland, Julianne Moore, Philip Seymour Hoffman

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