23. Februar 2016 2 Likes 1

Das Ende kommt näher

Der Essayfilm „Above and Below“

Lesezeit: 2 min.

Finanzkrisen, Flüchtlingsströme, Umweltkatastrophen, Kriege. Der Welt ging es schon mal besser, vielleicht hat aber auch die Nachrichtenflut, die globale Vernetzung zu dem Gefühl beigetragen, dass es besonders schlimm steht. Der Konsumkapitalismus scheint am Ende, doch eine Alternative ist nicht in Sicht, wenig überraschend also, dass in Kino und TV in den letzten Jahren ein Boom an dystopischen, postapokalyptischen Szenarien zu beobachten ist.

Ein merkwürdiges Sub-Genre dieser Tendenz ist größtenteils in Kalifornien beheimatet und bewegt sich irgendwo im weiten Bereich zwischen Dokumentation und Spielfilm: „Bombay Beach“ von Alma Har’el, „Littlerock“ von Mike Ott, „California City“ von Bastian Günther und nun Nicolas Steiners „Above and Below“ porträtieren allesamt Menschen, die im Westen der USA leben, wo die Weiten Amerikas noch weiter sind, vor allem aber die Gegensätze zwischen Reichtum und Armut noch größer. Was sie aber zu so ungewöhnlichen Filmen macht, die zwar im Kern dokumentarisch sind, aber doch weit mehr sind, ist ihr Blick auf ein Leben jenseits der „normalen“ Zivilisation.


Wir spielen Mars-Expedition

Dass es gerade im amerikanischen Westen so viele Menschen gibt, die anders leben, die sich von der Zivilisation losgesagt haben, mal mehr, mal weniger freiwillig, überrascht wenig. Ein Hauch von Hippietum ist diesem Leben oft eigen, wie dass des obdachlosen Paares Rick und Cindy, die in Abwassertunneln unter Las Vegas leben und auf ihre ganz individuelle Weise der Zivilisation entfliehen. Während hier das unten des Titels repräsentiert ist, ist das oben vor allem der sehnsüchtige Blick auf den Mars, den die Mars Society in Utah hat. In ausgefeilten „Missionen“, inklusive Raumanzügen und Funkkontakt, kraxeln die Mitglieder – unter anderem die ehemalige Soldatin April – in ihrer Freizeit durch die kargen Landschaften der Wüste, was nicht zufällig wie nachgestellte Szenen aus einschlägigen Science-Fiction-Filmen wirkt.


Leben in der Kanalisation von Las Vegas

Nachstellen ist ohnehin ein gutes Stichwort, denn auch Nicolas Steiner kümmert sich in seinem schon vielfach ausgezeichneten Film wenig um die Konventionen des klassischen Dokumentarfilms. Etliche Szenen sind augenscheinlich nachgestellt, womit Steiner sich in den Fußstapfen von Werner Herzog bewegt, der immer gern davon sprach, auf der Suche nach der Ekstatischen Wahrheit zu sein. Und auch Herzog evozierte in Filmen wie „The Wild Blue Yonder“ oder „Lektionen in Finsternis“ eine apokalyptische Welt, die kaum noch bewohnbar war, in der die Entwicklung der menschlichen Zivilisation an ihren Endpunkt gekommen zu sein schien. Ein paar Jahrzehnte wird es gewiss noch dauern, doch angesichts der Entwicklungen der Gegenwart kommt beim Betrachten der Bilder eines Lebens jenseits der Zivilisation wie wir sie kennen das Gefühl auf, einen Blick in die wenig verheißungsvolle Zukunft weiter Teile der Menschheit zu werfen. Im Ansatz mag Nicolas Steiner mit „Above and Below“ zwar eine Dokumentation gedreht haben, im Kern ist sein Film jedoch beste dystopische Science-Fiction.

„Above and Below“ startet am Donnerstag, den 25. Februar.

Above and Below • D 2016 • Regie: Nicolas Steiner

Abb. © déjà-vu film

Kommentare

Bild des Benutzers schattenfels

Die intellektuellen Eliten im Westen sehnen sich geradezu nach dem Zusammenbruch der Zivilisation. Der morbide Charme solcher Bilder lässt sich hervorragend bei einer Flasche Rotwein in der Vorort-Gründerzeitvilla mit Stuckdecke genießen. Da kann man vortrefflich etwas vom Ende des Konsum-Kapitalismus schwafeln. Selbst erleben, will man das natürlich nicht. Inzwischen kommen Millionen Menschen, selbst die, die diese Gesellschaft aus religiösen Gründen eigentlich verachten, um von ihm zu partizipieren. Postapokalyptische Fantasien sind ein Ausdruck spätzivilisatorischer Gesellschaften ohne auch nur den Hauch einer positiven Vision. Besser von sich selbst hassenden Salonrevolutionären ohne Fantasie oder Empathie - sie behaupten natürlich von sich das Gegenteil. Sie selbst verrotten dahin, wie die Autos in Fallout 4 am Wegesrand.

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