22. Mai 2013

Erstkontakt

„Die Erde und die Außerirdischen“ – Ambitionierte Kurzgeschichten

Lesezeit: 4 min.

Obwohl sich mit der Herausgabe von Anthologien heutzutage nicht mehr der große Umsatz machen lässt, gibt es immer noch einen begrenzten Markt für Kurzgeschichten. Besonders kleineren Verlagen, die nicht mit hohen Auflagen zu arbeiten gezwungen sind, bietet sich die Chance, diese Nische zu bedienen. Nachdem vor dem Ende des Kalten Krieges immer wieder mal Science Fiction und Fantastik polnischer Autoren ins Deutsche übertragen wurde, schien mit der politischen Neuordnung zumindest das kommerzielle Interesse an der Fantasie unserer östlichen Nachbarn weitgehend erloschen zu sein, was unter anderem mit der Umstrukturierung der Verlagsszene in der ehemaligen DDR und der damit verbundenen Verteuerung der Lizenzen zu tun hatte. Dies ist besonders für diejenigen Leser schade, die sich dafür interessieren, was in osteuropäischen Ländern an Science Fiction produziert wird.

Mit »Die Erde und die Außerirdischen« brachte der ambitionierte, hauptsächlich auf deutschsprachige SF spezialisierte Wurdack-Verlag nach langer Zeit mal wieder eine Anthologie polnischer Science Fiction heraus. Der Herausgeber Peter Dehmel versammelt in dem mit 143 Seiten nicht gerade umfangreichen, auf 500 Exemplare limitierten Band acht Kurzgeschichten von sechs Autoren, die ursprünglich in den Sechziger- bis Achtzigerjahren erschienen sind. Dabei handelt es sich durchgehend um klassisch geprägte Ideen-SF, in der es zumeist um Probleme bei der Kontaktaufnahme mit außerirdischem Leben geht. Einige der vertretenen Autoren wurden in Deutschland schon früher veröffentlicht – ob sie allerdings noch allzu vielen Lesern ein Begriff sind, ist fraglich.

Gleich drei der Storys stammen von Janusz A. Zajdel, einem in seinem Heimatland populären und renommierten Autor, nach dem sogar ein jährlich verliehener Literaturpreis benannt ist. Immerhin liegen bereits drei Bücher Zajdels in deutscher Übersetzung vor. Während die Geschichte »Wildschweine im Kartoffelfeld«, in der es um irdische Raumfahrer geht, die feststellen müssen, dass sie nicht die Einzigen sind, die einen fremden Planeten erforschen, durchaus originell und spannend ist, merkt man der an Erich von Däniken erinnernden Story »Die Götter kehren in den Himmel zurück« den Zahn der Zeit deutlich an. Ebenfalls für den heutigen Leser nicht allzu überraschend, dafür jedoch trotzdem durchaus berührend ist Zajdels Version eines First Contact »Welcome on the Earth«.

Wie Zajdel ist auch Andrzej Czechowski im deutschen Sprachraum nicht ganz unbekannt, wurden doch einige seiner Kurzgeschichten bereits in Anthologien veröffentlicht. »Die Wahrheit über den Elekter« berichtet über den Kontakt eines irdischen Erkundungstrupps mit den Nachkommen menschlicher Kolonisten auf einer fremden Welt. Wie sich herausstellt, sind einige Ansichten der Kolonisten derartig verschieden von den auf der heimatlichen Erde gewohnten, dass man sie mit Fug und Recht als eine Art Aliens betrachten kann. Nebenbei kann man diese in einem jugendgerechten Stil verfasste Story als eine Art Parodie auf Isaac Asimov lesen. Von Konrad Fialkowski, dem dritten in Deutschland bereits bekannten Autor in diesem Band, stammt die bereits zweimal hierzulande veröffentlichte Geschichte »Der Gigantomat«, die thematisch aus dem Rahmen fällt, behandelt sie doch den Konflikt mit einem Computer. Auch hier wird man an Asimov erinnert, schließlich geht es um die Auflösung eines logischen Problems, das sich durch die Fehlinterpretationen eines Elektronenhirns ergibt.

Wesentlich origineller ist »Die Schaufensterpuppe« von Jacek Sawaszkiewicz, der in seiner Heimat einige Beliebtheit erreichte, bei uns hingegen völlig unbekannt ist. Obwohl im Original bereits 1980 erschienen, ist die Thematik – Verbrecher erpressen eine Stadt mit einer Atombombe – auch heute überaus relevant. Zum Glück funkt den Kriminellen die titelgebende Schaufensterpuppe, die wohl eher ein Alien ist, dazwischen.

Auch die Beiträge der beiden anderen bei uns bislang nicht veröffentlichten Autoren weisen einige Qualität auf. »Die Keule« von Dariusz Filar handelt von Außerirdischen, die auf der Erde landen und in keinster Weise an einer Kontaktaufnahme interessiert zu sein scheinen. Obwohl auch hier die Grundidee auf den heutigen Leser nicht allzu neu wirkt, schafft es Filar dennoch zu fesseln und den Leser in den Bann der rätselhaften »Keule« zu ziehen.

Der vielleicht beste Beitrag in »Die Erde und die Außerirdischen« ist »Die Hand« von Zbigniew Prostak. In dieser in einem internationalen (allerdings wohl auf den damaligen Ostblock beschränkten) Literaturwettbewerb ausgezeichneten Story wird abermals die Unmöglichkeit einer echten Verständigung mit Aliens thematisiert. Nach einer Havarie wird ein irdischer Raumfahrer von Außerirdischen gerettet und findet sich in einer völlig bizarren Umgebung wieder. Nach seiner Rückkehr zur Erde glaubt ihm niemand seinen Bericht.

Obwohl thematisch und stilistisch teilweise wenig Neues geboten wird, überwiegt die Qualität der durch die Bank auffallend humanistisch gefärbten Geschichten. Insofern ist es schade, dass aufgrund der geringen Auflage des Buches nur wenige Leser in den Genuss polnischer Science Fiction jenseits Stanisław Lems kommen können. Ebenfalls bedauerlich, wenn auch aus kommerzieller Sicht verständlich, ist die Tatsache, dass kein weiterer Band mit zeitgenössischen Erzählungen aus Polen bei Wurdack geplant ist. Die heutige polnische SF-Szene hätte da sicherlich einiges zu bieten. Insgesamt ist »Die Erde und die Außerirdischen« eine empfehlenswerte Anthologie für Leser, die über den Rand des mit angloamerikanischer und deutscher SF gefüllten Tellers, der bei uns für gewöhnlich serviert wird, blicken wollen. Nicht unerwähnt bleiben soll das gelungene Titelbild des ebenfalls polnischen Künstlers Jacek Kaczyn´ski.

Peter Dehmel (Hrsg.): Die Erde und die Außerirdischen • Anthologie · Aus dem Polnischen von Roswitha Matwin-Buschmann, Kurt Kelm, Peter Dehmel, Christa und Johannes Jankowiak · Wurdack Verlag, Nittendorf 2012 · 143 Seiten · € 9,95

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