10. Juni 2016 1 Likes

Krieg in Kanada

Die deutsche Ausgabe des Military-SF-Comics „We Stand On Guard“

Lesezeit: 3 min.

Brian K. Vaughan ist ein echter Lieblingsautor, der mit umfangreichen SF-Serien wie „Y: The Last Man“ und „Ex Machina“ oder der aktuell laufenden Space Opera „Saga“ einige der besten Science-Fiction-Comics der letzten fünfzehn Jahre erschaffen hat. In „We Stand On Guard“, dessen Komplettausgabe gerade bei Cross Cult auf Deutsch erschienen ist, beweist Vaughan nun, dass er es auch eine Nummer kleiner kann – im Original umfasste die Miniserie aus dem beliebten Subgenre der Military-SF nämlich gerade mal sechs US-Hefte.

Darin erzählt Vaughan zusammen mit dem erfahrenen Zeichner Steve Skroce vom Krieg zwischen den USA und Kanada, der mehr als einhundert Jahre in der Zukunft tobt. Um an das Wasser der großen Seen des Nachbarn im Norden zu kommen, fallen die Truppen der ausdörrenden Vereinigten Staaten mit riesigen Kampfrobotern, Drohnen, Soldaten und Absaug-Tankern in Kanada ein. Gerechtfertigt wird das damit, dass zuvor ein Angriff aufs Weiße Haus von Kanada ausgegangen sein soll. Trotz der technischen und zahlenmäßigen Überlegenheit der Supermacht stellt sich ein bunt zusammengewürfelter Haufen kanadischer Widerstandskämpfer der Invasion entgegen. Unter den Guerillakriegern in den verschneiten Wäldern befindet sich auch die junge Amber, die seit Kindheit unter dem brutalen Krieg leiden musste …

„We Stand On Guard“ ist kurzweilige und unterhaltsame Military-Science-Fiction, und angesichts der Knackigkeit des Ganzen könnte man Vaughan hier und da durchaus Oberflächlichkeit vorwerfen. Allerdings steht seine Panel-Geschichte auf einem soliden Fundament aus gängigen Aufhängern, in erster Linie natürlich den Prognosen zum Klimawandel und der symptomatischen Außenpolitik der USA. Dazu kommen funktionierende Figuren, die Vaughan ruckzuck aus der Handlung stampft, gute Action und einige heftige Szenen, die z. B. mit der futuristischen Art des Folterns zu tun haben. Was also oberflächlich wirken könnte, ist am Ende eher beiläufig und leichtfüßig gemacht, und das darf man bekanntermaßen als gekonnt bezeichnen. Betrachtet man die heute gängigen Strukturen auf dem Comic-Markt, ist so eine mit sechs Kapiteln erzählte, in einem einzelnen Sammelband abgeschlossene Geschichte sogar höchst begrüßenswert.

Ein weiterer positiver Faktor sind die superben Zeichnungen von Steve Skroce. Der Kanadier – na so was! – hat in der Vergangenheit schon Titel wie „Cable“, „Spider-Man“, „Wolverine“ und „X-Men“ umgesetzt, Marvels Mutanten teilweise gar während des epischen, just verfilmten Crossovers „Zeit der Apocalypse“ inszeniert. Darüber hinaus arbeitete er im Filmbereich als Storyboard-Künstler an der Matrix­-Trilogie, V for Vendetta, Speed Racer, Cloud Atlas, Jupiter Ascending und I, Robot. Wer in der Vergangenheit kein Fan von Skroce’ Comic-Schaffen gewesen sein mag, sollte sich den amerikanisch-kanadischen Krieg trotzdem mal genauer ansehen, denn geschmeidiger sah das Artwork von Mr. Skroce nie aus. Das ist sicherlich nicht zuletzt der Verdienst von Top-Kolorist Matt Hollingsworth, der in den letzten Jahren vielen beachtenswerten SF-Comics Farbe verlieh.

„We Stand On Guard“ ist mehr, als es auf den ersten Blick scheint, und nie weniger als sehr gut gemachte Military Science-Fiction. Steve Skroce geht nach einem Vierteljahrhundert im Geschäft tatsächlich noch mal auf Fan-Fang, und Brian K. Vaughan fügt seinem imposanten Portfolio als SF-Comic-Autor einen weiteren starken Titel hinzu.

Einen Gewinner hat der fiktive Krieg zwischen den USA und Kanada demnach in jedem Fall, und das ist wieder mal Mr. Vaughans verwöhnte Leserschaft.

Brian K. Vaughan & Steve Skroce: We Stand On Guard • Cross Cult, Ludwigsburg 2016 • 144 Seiten • Hardcover: 25,00 Euro

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