23. März 2014 2 Likes 1

Pest mit Anspruch

Ein emotionales Endzeit-Drama aus Europa

Lesezeit: 2 min.

In ihrem Debüt „Luchadoras“ erzählte die französische Comic-Künstlerin und Illustratorin Peggy Adam, die in Saint-Étienne, Toronto und Angoulême studiert hat und deren Arbeiten in Publikationen wie „Le Monde“, „Le Courier“, „Libération“ oder „Femme Actuelle“ abgedruckt werden, von einer starken Frau in Mexiko. Mit „Gröcha“ liegt nun das neueste Panelwerk der 1974 geborenen, heute in Genf lebenden Adam im Berliner Avant-Verlag vor.

Bei ihrem zweiten auf Deutsch verlegten Comic handelt es sich um ein psychologisch intensives, erstaunlich europäisches und dabei durchweg andersartiges Endzeit-Drama, das den Werken des viel gelobten Manu Larcenet näher ist als Bestseller-Autor Robert „The Walking Dead“ Kirkman und seinen Kollegen und Nachahmern. Peggy Adams moderne „Pestgeschichte mit Anspruch“ löst sich komplett von den Vorbildern aus Übersee und klinkt sich stimmungstechnisch höchstens bei Jeff Lemires „Sweet Tooth“ ein, und das kanadische Multitalent Lemire kann man ja nun wirklich nicht als typisch nordamerikanischen Künstler bezeichnen. Wenn man überhaupt Verwandte im Geiste des Untergangs suchen und bemühen möchte – „Gröcha“ steht letztlich sehr gut für sich alleine dar.

In Adams Geschichte werden die Menschen im Herzen Europas nicht von Zombies oder anderen Monstren in den Abgrund getrieben, sondern von den Erregern einer Krankheit, die immer schneller um sich greift. Wegen der Epidemie werden alle in den Städten scharf kontrolliert, und dennoch wird es mit jedem Tag schlimmer. Wer keine korrekten Papiere bei sich hat oder gar die charakteristischen Flecken der Krankheit am Körper aufweist, wird schließlich aus der Masse der Verunsicherten und Verzweifelten herausgerissen und kommt in ein Lager. Marc flüchtet deshalb aufs Land – vor der erdrückenden Stimmung überall um ihn herum, aber auch vor Emma, der Mutter seiner Tochter. Allerdings muss Marc schnell erkennen, dass er der Seuche nicht entkommen kann, egal wie weit er sich in die Natur vorkämpft. Dem psychologischen Konsequenzen des unaufhaltsamen Zerfalls des eigenen Lebens und der alltäglichen Ordnung kann man nicht entfliehen. Schon gar nicht, wenn man wegen der entfremdenden Krankheit bereits die eine oder andere bittere Verzweiflungstat hinter sich gebracht hat, die einen gnadenlos heimsucht…

Mit ihrem vom Manga gespeisten Stil präsentiert Peggy Adam eine ungewöhnliche Endzeit-Geschichte in wirkungsvollen Graustufen und in Albenform. Alles an „Gröcha“ ist anders: Das Setting, die Quelle des Drucks und der Verzweiflung, das Verhältnis von Mensch und Natur im Angesicht der Veränderungen. Überraschend, aber extrem gelungen und aufwühlend – Peggy Adams „Gröcha“ ist ein überragendes, da emotional packendes Euro-Endzeit-Drama, das sich vor der internationalen Mainstream-Konkurrenz nicht verstecken braucht.

Bleibt zu hoffen, dass sich diese endzeitliche Empfehlung wie ein Virus verbreitet.

Peggy Adam: Gröcha • Avant Verlag, Berlin 2014 • 102 Seiten • € 19,95

Kommentare

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Toller Tipp! Danke.

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