16. September 2021 2 Likes 1

„Dune“ – Ein Fest für Augen und Ohren …

… das zumindest ist Denis Villeneuves seltsamer Arthouse-Blockbuster

Lesezeit: 4 min.

Es brummt und dröhnt ganz wunderbar in Denis Villeneuves „Dune“, manche Bilder lassen die Kinnlade vor Staunen herunterfallen, etwa wenn gigantische Raumgleiter sich aus spiegelglatten Seen erheben, gigantische Würmer in unendliche Sandmeere tauchen, Tausendschaften in Reih und Glied auf gigantischen Feldern stehen. Gigantisch ist vieles an dieser lang erwarteten Neuverfilmung eines der berühmtesten Science-Fiction-Romane aller Zeiten, Überwältigungskino ist „Dune“, das besonders auf möglichst großer Leinwand, bei voll aufgedrehten Boxen fast physisch wirkt – zumindest auf Augen und Ohren.

Als Frank Herbert „Dune“ (im Shop) Anfang der 60er Jahre schrieb, erst als Fortsetzungsroman veröffentlichte und 1965 zum ersten Mal als ganzes Buch, da war die Welt noch eine andere. Fragen der Diversität lagen ebenso noch in ferner Zukunft wie das Hinterfragen der White Saviour-Narration, nicht zuletzt war auch das moderne Science-Fiction-Kino noch nicht entwickelt, „Star Wars“ noch ein Jahrzehnt entfernt. Spätestens mit George Lucas‘ Megafilm, der sich in vielerlei Hinsicht geradezu unverfroren bei Motiven und Ideen von „Dune“ bediente, wurde der Wunsch nach einer Verfilmung von Herberts Roman laut. Bekanntermaßen scheiterte der chilenische Mystiker und Visionär Alejandro Jodorowsky beim Versuch, später auch Ridley Scott, bis dann David Lynch Mitte der 80er eine Adaption vorlegte, die als gescheitert bezeichnet wurde, inzwischen aber einen gewissen ironischen Kultstatus erlangt hat.

Erstaunlicherweise ähnelt nun Denis Villeneuves Neuverfilmung Lynchs Adaption sehr, was vielleicht zum Kern des Problems führt: Vom ersten Trainingskampf Pauls, über den Test der Destillanzüge, bis zur ersten Begegnung mit den Sandwürmern finden sich fast alle Szenen aus Lynchs Version auch bei Villeneuve, als gäbe es tatsächlich nur diese eine Möglichkeit aus dem angeblich unverfilmbaren, in der deutschen Fassung über 800 Seiten des ersten Romans eine filmische Erzählung zu destillieren.

Aber ist Villeneuves „Dune“ überhaupt ein Film? Ein Film im Sinne von einer klassischen Narration, mit Anfang, Mitte und Ende, in der eine Figur eine Aufgabe zu bewältigen hat, an der er oder sie wächst, während der Hindernisse bewältigt werden und am Ende eine hoffentlich mitreißende Klimax steht? So etwas würde man gemeinhin von einem designierten Blockbuster erwarten, für den Warner Bros. mindestens 165 Millionen Dollar ausgegeben hat und der auch noch als erster Teil einer Reihe intendiert ist, deren Fortsetzung nur im Erfolgsfall entstehen wird.

Mehr noch als bei seinem „Blade Runner 2049“ verzichtet Villeneuve jedoch auf Handlung, auf Spannung und versucht stattdessen eine Art Arthouse-Blockbuster zu erschaffen. Betont langsam entwickelt sich „Dune“, schwelgerisch streift die Kamera durch die Räume, als wollte Villenueve dafür sorgen, dass genug Zeit bleibt, Ausstattung und Kostüme zu bewundern. Als filmisches Coffee-Table-Buch könnte man „Dune“ bezeichnen, als Bebilderung einiger der ikonischsten Szenen des Romans, die kein Fan missen will. Und das ist vielleicht das Problem, wenn in der heutigen Zeit ein so populärer Roman wie „Dune“ verfilmt wird: Eine wirkliche Adaption, im Sinne einer Übersetzung – und damit auch Veränderung (!) des ursprünglichen Text – scheint kaum noch möglich, denn die Fans zu vergraulen, weil die ein oder andere Lieblingsszene nicht vorkommt, will kein Regisseur, kein Studio riskieren.

Höchst gediegen geht es also zweieinhalb Stunden zu, kennt man den Roman nicht, bleibt vieles unverständlich, denn dankenswerterweise wird auf ein Stilelement des Romans dann doch verzichtet: die zahllosen Gedanken bzw. Selbstgespräche der Figuren, die auf dem Papier den Lesefluss nicht wirklich bremsen, im Kino jedoch mehr als hölzern wären. Konsequenz ist allerdings, dass der Neueinsteiger kaum versteht, was es mit den Bene Gesserit auf sich hat, wer der Kwisatz Haderach sein soll. Der Kenner des Romans mag sich dagegen an einer fraglos makellosen Bebilderung der wichtigsten Szenen freuen, die dann wie zu befürchten mittendrin abbricht. Das von den Subtexten der Herbertschen Vision nicht allzu viel zu spüren ist, dass es auch nicht zu einer notwendigen Reflexion von Herberts Verwendung eines sehr weißen Blicks auf die arabische Welt kommt, von der zumindest problematischen Verwendung von Eugenik ganz zu schweigen, ist zu bedauern. Dass ausgerechnet Denis Villenueve, der mit einem Film wie „Arrival“ ja bewiesen hat, dass er nicht zu den dümmsten Regisseuren zählt, solche Themen praktisch völlig außen vor lässt, deutet an, welch seltsames Zwitterwesen dieser „Dune“ ist: ein sündhaftteurer Science-Fiction-Blockbuster, der ein Massenpublikum ansprechen muss, aber stilistisch einer enigmatischen Arthouse-Sensibilität folgt. Das so ein Film in der heutigen Zeit überhaupt entsteht ist ebenso verwunderlich wie bemerkenswert; ob „Dune“ daher einer der letzten seiner Art bleibt, wird sich zeigen.

Abb.: Warner Bros.

Dune • USA 2021 • Regie: Denis Villeneuve • Darsteller: Timothée Chalamet, Rebecca Ferguson, Oscar Isaacs, Zendaya, Stellan Skarsgård, Jason Momoa, Sharon Duncan-Brewster, Dave Bautista, Javier Bardem, Stephen McKinley Henderson, David Dastmalchian • ab 16. September im Kino

Kommentare

Bild des Benutzers ChHirtzy

Ich möchte hiermit meine Gratulation zu diesem (zumindest aus meiner Sicht) durchaus treffenden Kommentar zu einem Film abgeben. Ist der Film beeindruckend? Ja! Ist er eine wirklich meisterhafte Umsetzung des außergewöhnlichen Buches? Aus meiner Sicht nein. Wie schon bemerkt, werden (aus meiner Sicht) wesentliche Inhalte zu Background, Beweggründen usw. ohne Grund einfach weggelassen, was die Charaktere in vielen Fällen ihrer tatsächlichen Tragik und Bedeutung komplett beraubt. Weshalb der Regisseur zum einen so viel Wichtiges weggelassen hat, sich dann aber Zeit genommen hat um in mehreren Einstellungen immer wieder die Bilder des Stierkopfes und entsprechender Skulpturen zu zeigen und es dann nicht einmal für notwendig hält zu erklären, weshalb er das tut und die Bilder völlig unverständlich einfach nur in den Raum stellt, erschließt sich für mich dann nicht mehr. Ich hätte noch Verständnis dafür, wenn eine Fortsetzung quasi beschlossenen Sache wäre und ich annehmen müsste, dass diese ständigen Verweise in den kommenden Filmen aufgeklärt werden und hier nur die Basis gelegt wird. Das ist aber nicht der Fall! Und selbst die Harkonnen werden im Film nur am Rand erwähnt. Dass es sich bei ihnen um unmenschlich agierende Zeitgenossen handelt erfährt man in einigen lapidaren Nebensätzen, denen man einfach glauben muss. Wirklich glaubhaft gezeigt (z.B. in den entsetzlichen Bedingungen, die sie auf Arrakis hinterlassen haben) wird dies nie! Aber am schlimmsten finde ich, dass nicht einmal erklärt wird, WARUM diese Verrat durch den Imperator und die Harkonnen inszeniert wurde und dass die Atreides diesem bewusst entgegengehen in der Hoffnung ihm doch noch durch die eigene Stärke in irgendeiner Form zu entgehen. Und dann durch einen Verräter in den eigenen Reihen, von dem man es nie erwarten hätte können (was auch nicht erklärt wird!) ans Messer geliefert wird. Bei zweieinhalb Stunden Laufzeit hätte man sich schon erwarten können, dass zumindest im Ansatz auf das Warum eingegangen wird. Somit hoffe ich zwar ebenfalls auf einen zweiten Teil, kann aber dem Regisseur lange kein so positives Urteil ausstellen, wie es an anderer Stelle so uneingeschränkt verteilt wird. Schade eigentlich...

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