22. Oktober 2020

„Greenland“ – Das Ende der Welt als Familienkitt

Ein Katastrophenfilm von unten

Lesezeit: 2 min.

Viel wird in diesen Tagen über Einschränkungen gejammert, die die Eindämmung der Corona-Pandemie nötig macht, wird sich über zu wenig Party beklagt, den Verzicht auf Urlaub. Wie harmlos die letzten Monate trotz allem waren, davon kann man sich besonders gut im Kino überzeugen, bei einem der vielen Katastrophenfilme, die die Verleiher in diesen Wochen als Kontrast- oder Alternativprogramm auf die Leinwand bringen.

Zum Beispiel „Greenland“, einen Film von Ric Roman Waugh, der schon mit „Angel has Fallen“ ein Faible für recht günstig produzierte Abklatsche großer, typischer Hollywood-Reihen bewiesen hat. Dort rettete Gerald Butler zum dritten Mal den Präsidenten und damit quasi die freie Welt, hier geht es eine Nummer kleiner zu, denn auch wenn die Welt vor einem heranrasenden Kometen bedroht wird, rettet Butler nicht mehr, aber auch nicht weniger als seine Familie – und damit seine Ehe.

Denn das Schöne an „Greenland“ ist, das er eine Katastrophe von unten erzählt, nicht von außergewöhnlichen Helden, die sich in diesem Fall dem Kometen Clark entgegenstellen, nicht von Politikern oder Ölbohrern, die ihr Leben für das große Ganze opfern, sondern von einem Bauingenieur. John Garrity (Butler) heißt der, lebt in Atlanta, ist von seiner Frau Allison (Morena Baccarin) entfremdet und hat einen kleinen Sohn namens Nathan (Roger Dale Floyd), der, zweimal darf man raten, Nein, nicht Asthma, sondern Diabetes hat. Was zu den weniger originellen Wendungen eines Drehbuchs gehört, das sich ziemlich konventionell an die Dramaturgie von Katastrophenfilmen hält, der Garrity-Familie auf der Flucht wechselnde Probleme in den Weg stellt, sie mal trennt und auf schier wundersame Weise wieder zusammenführt, aber dennoch erstaunlichen Sog entwickelt.

Das liegt wie gesagt daran, das gar nicht so sehr die Zerstörung durch Kometensplitter im Vordergrund steht, sondern die Zerstörung des sozialen Gefüges durch die Folgen des Kometen: Bei Bildern von plündernden Mobs oder Szenen des brutalen Egoismus fühlt man sich unweigerlich an die Gegenwart erinnert, muss an den schleichenden Verfall der sozialen Ordnung denken, der in manchen Teilen der Welt schon durch einen im Vergleich eher harmlosen Virus ausgelöst wird. Was mag da erst auf uns zukommen, wenn die Klimakatastrophe wirklich zuschlägt, die globale Migration noch stärker wird?

Aber warum heißt das Ganze eigentlich „Greenland“? Weil auf Grönland die Rettung liegt, in Gestalt von Bunkern, die während des Kalten Krieges angesichts der Gefahr einer Nuklearkatastrophe errichtet wurden. Ob es die Garrity-Familie dorthin schafft ist keine Frage, doch nicht die eigentliche Rettung ist das Ziel, sondern das langsame Wiederzusammenwachsen einer entfremdeten Familie. Es ist zwar vor allem dem eher geringen Budget geschuldet, das visuell überwältigende Kometenaction die Ausnahme ist, sorgt aber dafür, das „Greenland“ keine Heldengeschichte erzählt, sondern einfach nur vom Kampf eines Mannes um seine Familie. Eine durchaus willkommene Abwechslung.

„Greenland“ startet am 22.10. im Kino. Abb.: Tobis.

Greenland (USA 2020) • Regie: Ric Roman Waugh • Darsteller: Gerals Butler, Morena Baccarin, Roger Dale Floyd

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