13. Mai 2021 2 Likes

„Oxygen“ - Mélanie Laurent geht die Luft aus

Trotzdem alles andere als atemberaubend

Lesezeit: 3 min.

Wie heißt es so schön: Die Wege des Herren sind unergründlich. Die so mancher Regisseure allerdings auch. Alexandre Aja empfahl sich Anfang des Jahrhunderts mit dem super-brutalen, aber stilvollen Slasher „Haute Tension“ (2003) als neuer Stern am Horrorhimmel und bewies danach mit „The Hills Have Eyes – Hügel der blutigen Augen“ (2006) eindrucksvoll, dass Remakes nicht immer schlecht sein müssen. Beide Visitenkarten werden bis heute noch in Ehren gehalten, der drauffolgende Rest allerdings weniger. Sicher „Piranha 3D“ wurde bei Erscheinen im Jahr 2010 noch von Presse wie Fans gefeiert, aber wenn man mal ganz ehrlich ist: Einmal in gesellig-besoffener Runde gucken und gut ist. Von jemand mit so einem Start hatte man sich eigentlich dann doch ein bisschen mehr erwartet als freigelegte Brüste und einen halbzerkauten Penis. Jedenfalls machte der Regisseur erst 2019 mit dem finanziell sehr erfolgreichen Tierhorrorfilm „Crawl“ wieder so richtig auf sich aufmerksam. Nicht zu Unrecht, der gut getrickste Alligatoren-Schocker hatte zwar kein Fleißbienchen für Originalität verdient, entfachte aber vor allem durch Verzicht auf den gerade in diesem Genre allgegenwärtigen Zwinker-Zwinker-Humor ein kleines Freudenfeier im Herzen geneigter Zuschauer.

Nun also „Oxygen“. Der Film basiert auf einem Drehbuch der Kanadierin Christie LeBlanc, die es mit ihrem Skript 2016 vom völligen Nobody auf Platz acht der Blacklist der besten unverfilmten Ideen Hollywoods schaffte, was angesichts des Resultats reichlich merkwürdig wirkt. Man kann nur hoffen, dass LeBlancs Story für den schlussendlichen Leinwandeinsatz massiv umgearbeitet wurde, denn wenn das tatsächlich eine der besten unverfilmten Ideen Hollywoods war, dann sieht’s um die amerikanische Filmindustrie wahrlich schlecht aus.

Es ist schwierig, konkret über den Inhalt zu reden ohne Wesentliches zu verraten, und da es zumindest einen Grund für die Sichtung von „Oxygen“ gibt (gleich mehr), bleiben folgende Betrachtungen mit Absicht etwas unscharf. Das Setup – Frau ohne Gedächtnis erwacht in einer Kyroeinheit, der langsam die Luft ausgeht – erinnert natürlich an den spanischen Ryan-Reynolds-Schweißtreiber „Buried – Lebendig Begraben“ (2010) und auch im weiteren Verlauf (Kontakte durch Telefonanrufe, langsam kehren Erinnerungsfetzen wieder) wähnt man sich zunächst in einem Hightech-Update des klaustrophischen Sahnestückchens von einst. Allerdings macht das Drehbuch nach etwa der Hälfte einen kapitalen Fehler: Es werden gleich mehrere der im Raum stehenden Fragen auf einmal gelüftet und ab da klappt dann die aufgebaute Spannung in sich zusammen, zumal sich die Stoßrichtung ändert. War zuvor das Mystery-Element der treibende Motor, hängen mit einem Mal große ethische Fragen im Raum, mit denen der Film aber eigentlich nichts anzufangen weiß, die eigentliche Triebfeder der Story – der zu Neige gehende Sauerstoff – tritt aber phasenweise trotzdem völlig in die Hintergrund. Aja und sein langjähriger Kameramann Maxime Alexandre tun sich zudem schwer den ungünstigen Wechsel auf inszenatorischer Ebene aufzufangen: Fahren die beiden in der ersten, prächtig anzuschauenden Hälfte noch allerlei Tricks auf um das Geschehen trotz minimalen Setting so aufregend wie möglich zu gestalten, wird die Bildsprache in der zweiten deutlich konventioneller.

Der Knick macht aus den mit 100 Minuten an sich schlank gehaltenen Film mit zunehmender Laufzeit jedenfalls ein Geduldprobe, die auf ein nicht nur arg versöhnliches, sondern zudem verblüffend banales Ende zusteuert (die Idee, die der Protagonistin kurz erst vor dem Exitus kommt, haben mit Sicherheit 82,9% der Zuschauer weit, weit schneller). Wirklich schade, um die stets zuverlässige Mélanie Laurent, die den ganzen Film eindrucksvoll schultert und das auch noch im Liegen, Fans der Darstellerin sollten „Oxygen“ trotz allem eine Chance geben. Aber auch nur die.

„Oxygen“ ist seit dem 12.05.2021 auf Netflix abrufbar.

Oxygen (Frankreich, USA 2021) • Regie: Alexandre Aja • Darsteller: Mélanie Laurent, Mathieu Amalric, Malik Zidi, Marc Saez, Laura Boujenah, Cathy Cerda, Eric Herson-Macarel

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