13. Dezember 2024

„Rich Flu“ – Immer auf die Reichen

Ein High Concept-Thriller, der bald allzu moralisch wird

Lesezeit: 3 min.

Als „High Concept“ wurden im Hollywood der 80er Jahre Prämissen bekannt, die so kurz und knapp zu erklären waren, dass sie in ein, zwei Sätzen erklärbar waren. Als Steigerung könnte man an High Concept-Titel denken, die wie der legendäre „Snakes on a Plane“ schon durch den Titel klar machten, worum es ging. In diesem Sinne lässt Galder Gaztelu-UrrutiasRich Flu“ keine Wünsche offen, denn der neue Film des durch den Netflix-Thriller „Der Schacht“ und seine Fortsetzung bekannt gewordenen Spaniers startet als apokalyptischer Film über eine Epidemie, die nur die Reichen trifft. In diesen Zeiten eigentlich ein wunderbares „Ätsch, die haben es aber auch wirklich verdient“-Konzept, das auch eine ganze Weile sehr unterhaltsam funktioniert – bis Gaztelu-Urrutia beschließt, statt einer bösen, knackigen Satire doch lieber eine oberflächlich moralische Geschichte zu erzählen.

Als Filmproduzentin lebt Laura (Mary Elizabeth Winstead) ein atemloses Jet Set-Leben, bei dem ihre Familie auf der Strecke bleibt: Die Ehe mit Tony (Rafe Spall) ist längst geschieden, selbst ihrer Tochter kann sie nur per Videochat zum Geburtstag gratulieren. Kein Wunder, dass Laura da kaum mitbekommt, wie die Katastrophe langsam um sich greift. Immer mehr Superreiche werden von einer rätselhaften Seuche dahingerafft, doch selbst den Tod des Papstes nimmt Laura kaum wahr. Denn sie befindet sich auf einem Flug in den hohen Norden, wo sie per Hundeschlitten zu einem Treffen mit Sebastian Snail (Timothy Spall) gebracht wird, dem Chef ihrer Firma. Der bietet ihr einen auf den ersten Blick spektakulären Job an, der allerdings einen Haken hat: Auf einmal ist auch Laura schwerreich.

Die Reichen haben es wirklich nicht leicht: Als wäre es nicht schon anstrengend genug, ihr schwer verdientes – oder ererbtes Geld – auszugeben, sehen sie sich in den letzten Jahren zunehmend zur Zielscheibe von Spott und Kritik gemacht. Filme von „Triangle of Sadness“ über „The Menu“ bis „Infinity Pool“ oder eine Serie wie „White Lotus“ machen die Reichen für so ziemlich alle Übel der Welt verantwortlich, zeigen sie als dekadent, gedankenlos und narzisstisch. Was vermutlich zum Teil auch stimmt, auf Dauer gerade im Kino aber auch etwas unterkomplex wirkt. In diesem Sinne beginnt „Rich Flu“ als gelungene Satire, um dann schnell abzubauen. Ganz im Sog ihres schnellen, aufregenden Lebens agiert Mary Elizabeth Winstead als Laura, bewegt sich souverän auf glamourösen Filmfestivals, intrigiert gegen eine Konkurrentin und scheint am Ziel ihrer Träume. Als reich mag sie sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht bezeichnen, schließlich gibt es genug andere, die noch viel mehr besitzen als sie. Und deren ohnehin schon strahlend weiß gebleichten Gebisse erstrahlen dann, wenn die Seuche sie erfasst hat, noch weißer, fast schon radioaktiv, bevor sie dahinsiechen. Wie genau eine Seuche funktioniert, die nur die Reichen erfasst, bleibt offen, was aber nichts macht, als Konzept, als Metapher funktioniert das gut. Zumindest so lange, bis Galder Gaztelu-Urrutia beschließt, ganz und gar moralisch zu werden.

Nach gut der Hälfte ändert „Rich Flu“ auf einmal die Tonart und wird zu einer umgekehrten Fluchtgeschichte: Auf einmal sind es wohlhabende, weiße Europäer, die fliehen, die versuchen, auf baufälligen Booten das Mittelmeer zu überqueren, mit Ziel Afrika. Dort soll es Enklaven der Hoffnung geben, wo die Seuche nicht grassiert, aber vorher landen Laura und ihre Verwandten in einem Flüchtlingslager, vorher müssen sie erleben, was zehntausende Flüchtlinge aus dem Globalen Süden in den Lagern erleiden, die die Festung Europa vor unerwünschter Migration schützen sollen. Was als pointierte Satire begann wird nun zunehmend zu einer reichlich platten Geschichte über die nun wirklich nicht originelle Erkenntnis, das Reichtum egoistisch macht.

Rich Flu • Spanien 2024 • Regie: Galder Gaztelu-Urrutia Darsteller: Mary Elizabeth Winstead, Rafe Spall, Lorraine Bracco, Timothy Spall • im Kino

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