29. Dezember 2024

„Squid Game 2“ – Kapitalismus frisst Kritik

Hohle, müde Fortsetzung eines umstrittenen Hypes

Lesezeit: 4 min.

Das Schockierende an „Squid Game“ ist nicht der zynisch-brutale Inhalt, es ist der Umstand, dass einem mittels dieser Serie besonders eindringlich vor Augen geführt wurde, wie schnell das System jede gegenläufige Schwingung absorbiert.

Mal davon ausgegangen, dass die (banale) Kapitalismuskritik der diskussionswürdigen ersten Staffel (zur Review) tatsächlich ernst gemeint ist, es sich bei den neun Folgen (eine Handlungszusammenfassung gibt es hier) um die Manifestation einer künstlerischen Vision und nicht nur um ein optisch extravagantes Derivat vorhandener Stoffe handelt: Man konnte schon schnell nach Veröffentlichung eine ökonomisch angetriebene Aushöhlung erleben, die vom Kern kaum noch etwas übrig ließ.

Eine Serie um Verlierer des Kapitalismus, die zum Vergnügen der reichen Oberschicht ihr Leben für Geld aufs Spiel setzen, diente als Vorlage zu einem Branding mit einer gigantischen Palette an Merchandising für die, die (noch) genug Geld haben, um sich „Squid Game“-Jogginganzüge, -Energydrinks-, -Mattel-Figuren, -Baseballcaps, -Turnschuhe, -Kochbücher, - Whiskey und vieles mehr leisten zu können. Eine Serie um Verlierer, die verzweifelt um ihr Leben kämpfen, blutigste Tode sterben, diente als Vorlage für Freizeitparks, in dem man sich nach Zahlung von saftigen Eintrittspreisen in aller Sicherheit den Horror dieser zur Jahrmarktattraktion lackierten Welt aus Verzweiflung und Tod nachempfinden kann.

Soll heißen: Die trotz ihrer Plumpheit durchaus legitime Systemkritik von „Squid Game“ wurde hemmungslos kommodifiziert, zum Teil des Systems und innerhalb von diesem in einer gigantischen Produktpalette nahezu aufgelöst.

Natürlich, all das trifft auf die eine oder andere Art ebenso auf weitere Filme der letzten Jahre zu, aber die südkoreanische Produktion führte die letztendliche Bedeutungslosigkeit von wie auch immer gearteten Haltungen innerhalb eines kapitalistischen Kreislaufs gnadenlos vor Augen.

Bitter-ironisch: „Squid Game“-Erfinder Hwang Dong-hyuk ist auf eine gewisse Weise selbst Teil des (Squid) Game: Eine zweite Season hatte er eigentlich gar nicht angedacht, auf die Frage wieso Dong-hyuk dennoch liefert, antwortete dieser erfrischend ehrlich: „Geld“.

Da der Umgang der Streamingplattformen mit koreanischen Film- und Fernsehschaffenden extrem fragwürdig ist (mehr dazu im verlinkten Text) konnte der Regisseur und Drehbuchautor, der von seiner Schöpfung mittlerweile die Schnauze voll hat, vom Megaerfolg nicht profitieren und wollte mit einer zweiten und dritten Staffel doch noch etwas vom – um mal ein Motiv aus der Serie zu bemühen – prall gefüllten Sparschwein abkriegen und begab sich aus diesem Grund erneut in die Arena.

Doch selbst wenn man die Kontexte ausblendet: Die Luft ist raus. Runde 2 ist eine freudlose Angelegenheit geworden, deren dünnes Handlungsgerüst mühsam über sieben Folgen gestreckt wird. Gi-hun – aus dem charmant-drolligen Pechvogel ist nun ein verbitterter und mit zunehmender Laufzeit immer anstrengender werdender Grübelkopf geworden – hat nur noch einen Gedanken: Rache an den Veranstaltern der Spiele. Und so führt ihn sein Weg nach zwei schlaff vor sich tröpfelnden, ziellosen Folgen dann zurück auf die Insel. Das dortige Figurenpersonal ist so eindimensional wie zuvor, wurde aber diverser gestaltet. Nun gibt’s einen Rapper, einen Kryptofuzzi und eine – der schönste Zug des Drehbuchs – angenehm unaufgeregt eingefügte Transperson. Die sich entwickelnden Konflikte sind erwartbar und auch die Spiele wissen trotz teilweiser Neuerungen nicht mehr wirklich mitzureißen, der Überraschungseffekt ist dahin, zumal die Inszenierung phasenweise Dringlichkeit vermissen lässt, ein bisschen in den Hintergrund gerät, dass es hier um Leben und Tod und nicht um Medaillen geht.

Das ohnehin schleppende Erzähltempo gerät zudem regelmäßig in den totalen Leerlauf, da dieses Mal nach jedem Spiel abgestimmt wird, ob die Spieler weitermachen oder mit dem bis dahin gewonnenen Geld nach Hause gehen können. Leider wird die Neuerung nicht zur Reflektion über eventuelle Schattenseiten demokratischer Prozesse genutzt, sondern gerät schnell zur Zeitschinderei. Noch etwas mehr gilt das für einen Subplot um Polizist Jun-ho, der bereits in der ersten Staffel seinen vermissten Bruder auf der Insel gesucht hatte und nun mit bewaffneter Unterstützung auf der Suche nach der Insel planlos auf dem Meer rumtuckert – Szenen, die man fast komplett herausschneiden könnte.

„Squid Game 2“ ist im Endeffekt einfach nur egal. Die Fortsetzung existiert ausschließlich, weil die reiche Oberschicht will, dass die Spiele irgendwie weitergehen. Man kann nur hoffen, dass es möglichst bald – Staffel 3 soll im Sommer 2025 erscheinen – zu einen Aufstand kommt, bei dem noch nicht mal, wie hier im Finale, rumgeballert werden muss: Einfach nicht anklicken reicht.

Squid Game 2 • Südkorea 2024 • Regie: Hwang Dong-hyuk • Darsteller: Lee Jung-jae, Wi Ha-joon, Lee Byung-hun, Im Si-Wan, Kang Ha-neul, Lee Jin-Wook, Park Sung-hoon • kann man auf Netflix ignorieren

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