7. Januar 2017 1 Likes

Strandpartys mit Monstern

„Das Grauen aus der Tiefe“ – Corman serviert Fisch

Lesezeit: 4 min.

Der 1926 geborene Filmregisseur und -produzent Roger Corman ist ein bemerkenswertes Phänomen, dem man sich nur schwer nähern kann. Da sind die Fakten. Er hat über 50 Filme inszeniert und über 400 produziert. Aber sind das Fakten? Denn legendär ist auch die Arbeitsweise seiner Firma, die so etwas wie einen „Autor“ nicht kennt. Filmmaterial ist da nur ein Rohstoff, aus dem man etwas herstellt, das Geld macht. Durchaus exemplarisch ist da „Das Grauen aus der Tiefe“ (Humanoids from the Deep), der 1980 als weiterer Versuch entstand, sich an erfolgreiche Horror- und SF-Stoffe der Zeit anzuhängen.

Darin spielt Doug McClure, der in 250 Folgen den Trampas in „Die Leute von der Shiloh Ranch“ gab, einen nicht wahnsinnig hellen, aber hemdsärmeligen Helden mit dem Herz am rechten Fleck, der in einem US-Küstenkaff als Fischer sein Geld verdient. Was immer schwerer wird, weil die Fische weniger werden. Da springt hilfreich ein Konzern ein, der nicht nur eine Fabrik in dem Kaff bauen will, sondern auch gleich eine Wissenschaftlerin präsentiert (Ann Turkel), die dafür sorgen will, dass die neuen Lachse sogar doppelt so groß werden wie die, die leider weggefischt wurden. Das Zauberwort ist Genmanipulation. (Jawohl, auch im Exploitationfilm war die Ökobewegung angekommen!)

Man ahnt, was passieren wird: Die Genversuche haben Fische zu humanoiden Fischmonstern gemacht, die nun das Kaff angreifen. Die Männer werden getötet, die Frauen geschwängert. Bitte? Ja, diese Monster wissen noch, was sich gehört.

Und auch Corman wusste exakt, was das Publikum seiner Filme wollte: Sex und Gewalt, aber bitte ohne Reue. Herrgott, ist doch nur ein Film, 80 Minuten harmloser Spaß, und eigentlich geht es eh eher darum, mit der Freundin zu knutschen. Das Bedürfnis zu „Liefern“ ist dann auch von der ersten Sekunde an präsent. Da wird nicht lange gefackelt. Nach kaum fünf Minuten gibt es die erste Leiche und auch die Hüllen fallen schnell. Die Musik ist praktisch permanent dabei, Spannung aufzubauen, selbst wenn überhaupt nichts passiert. Es gibt eine unfassbare Szene, in der eine halbnackte Darstellerin von einem Buh-Effekt zum nächsten stolpert. Und dann wird die Taktung erhöht und es wird immer blutiger und auch die Darstellerinnen verlieren häufiger die Kleidung. Dabei „zitiert“ man sich munter durch damals aktuelle Schocker. Vom „Weißen Hai“ über „Halloween“ bis „Alien“ ist alles dabei, aber da man auch die Klassiker kennt, klingt auch mal „Psycho“ an. Dann ist Schluss und man ist rundum zufrieden. Kein Meisterwerk, klar, bisweilen sogar ziemlich krumm, aber doch irgendwie eine Handwerksarbeit mit hinreißendem Charme.

Auffällig ist, wie seltsam „eingefügt“ die (kurzen) Vergewaltigungsszenen, ja eigentlich alle „Nacktszenen“, wirken. Nun, das liegt schlicht daran, dass sie auch nachträglich eingefügt wurden. Denn Barbara Peeters, eine der wenigen Frauen, die als B-Movie-Regisseure aktiv waren (Bury Me an Angel, Summer School Teachers), hatte schlicht nicht das geliefert, was Corman wollte. Zwar hatte sie die Männer in der Story pflichtgemäß blutig abgeschlachtet, die Vergewaltigungen aber als Schattenspiele inszeniert. Peeters wurde gefeuert und Second-Unit-Mann Jimmy Murakami trommelte ein paar Leute zusammen, um das (leicht) saftigere Material nachzudrehen. (Von dem dann aber nicht mal alles verwendet wurde. Die „Deleted Scenes“ im Bonus-Material der vorliegenden Ausgabe sprechen Bände.) Man mag sich die Überraschung der beteiligten Darsteller vorstellen, die das fertige Werk zu Gesicht bekamen. Cindy Weintraub, die McClures Gattin im Film spielt, macht (im „Making Of“) jedenfalls keinen Hehl aus ihrem Unmut.

Aber das gehört zur Legende dazu, die den Film umgibt. Ebenso wie zu der Legende, die Corman verkörpert. Wenn hier überhaupt jemand der „Autor“ war, dann Corman selbst. „Final Cut“, „Director’s Cut“? Darüber hätte Corman vermutlich herzlich gelacht. Mit Kunst hatte er nichts am Hut, aber eben mit Handwerk. Was willst du mit einem Stuhl, der hübsch aussieht, auf dem du aber nicht sitzen kannst? Was nützen dir tolle FX und tolle Stars, wenn der Film einfach keinen Spaß macht? Corman hatte sein Publikum fest im Visier. Nicht mehr. Und nicht weniger.

„Das Grauen aus der Tiefe“ ist Ende letzten Jahres in einer beispielhaften Edition bei OFDb Filmworks erschienen. Das Mediabook präsentiert den Film als DVD und Blu-ray plus Bonusscheibe. Auf der reden viele Beteiligte wunderbar offen über die Entstehung des Streifens, darunter Corman selbst, Cutter Mark Goldblatt, Komponist James Horner, Creature-Effects-Artist Steve Johnson und Sound-Designer David Lewis Yewdall. Es fehlt allerdings Regisseurin Barbara Peeters, man ahnt, warum. Ergänzt wird das Paket um ein Booklet, in dem unser Kollege Thorsten Hanisch amüsant und akribisch „von Strandpartys und lüsternen Monstern“ erzählt. Besser kann man Filme kaum noch präsentieren.

Das Grauen  aus der Tiefe (Humanoids from the Deep) • USA 1980 • Regie: Barbara Peeters • Darsteller: Doug McClure, Ann Turkel, Vic Morrow, Cindy Weintraub, Anthony Pena

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.