6. Oktober 2022

„Vesper Chronicles“ – Das Ende der Welt, mal wieder

Ein dystopischer Science-Fiction-Film, der einem bekannten Ansatz interessante Aspekte abgewinnt

Lesezeit: 2 min.

Das Ökosystem der Erde ist zusammengebrochen. Mal wieder ist man versucht zu sagen, denn postapokalyptische Geschichten hat es in den letzten Jahren zu Genüge gegeben. Doch das litauisch-französische Regieduo Kristina Buozyte und Bruno Samper variiert die bekannten Genremuster in „Vesper Chronicles“ auf überraschende Weise.

Um die beiden jungen Frauen Vesper (Raffiella Chapman) und Camellia (Rosy McEwen) geht es, die notgedrungen ein Team bilden und um ihr Überleben kämpfen. Denn die Natur hat sich gegen den Menschen gewandt, die Elite lebt in abgeschlossenen Zitadellen, genmanipulierte Pflanzen sind die einzige Hoffnung, um der Dystopie zu entkommen. Eine strikte Trennung von Reich und Arm also, von Herrschern und Arbeitern, die sich in den beiden jungen Frauen manifestiert.

Während Camellia aus der Zitadelle stammt, lebt Vesper in der Natur, zusammen mit ihrem bettlägrigen Vater Darius (Richrad Brake). Dessen Bruder Jonas (Eddie Marsan) herrscht auf einem benachbarten Bauernhof über eine Horde Kindersklaven, die das wenige aus dem Boden herausholen, was er noch hergibt. Vesper dagegen forscht in einem geheimen Gewächshaus an genmanipulierten Pflanzen, die mit ihren wunderschönen, fluoreszierenden Farben und Formen eine blühende Zukunft versprechen.

Wenig unterscheidet „Vesper Chronicles“ auf den ersten Blick von den dutzenden postapokalyptischen Filmen und Serien, die in den letzten Jahren gefühlt im Wochentakt im Kino oder auf den Streamern starten. Klassenkonflikte, ein Verfall der sozialen Ordnung, die vage Hoffnung, auf Erlösung, Ausbeuter und junge Helden. Man kennt die Motive und Figuren zur Genüge, von der Handlung ganz abgesehen.

Inhaltlich betritt „Vesper Chronicles“ also ausgetretene Pfade, doch stilistisch kann die zweite Zusammenarbeit des Regieduos überzeugen. Gedreht wurde in der litauischen Natur, in sattgrünen Wäldern, die durch exzellente, sparsam eingesetzte Digitaleffekte ergänzt wird. Trotz der geringen Mittel wird eine überzeugende postapokalyptische Welt angedeutet, die dadurch notgedrungen weniger über Effekte, als über die Emotionen funktioniert.

Und die erweisen sich als die größte Stärke von „Vesper Chronicles“. Fast gemächlich entwickelt sich die Geschichte, wächst die Freundschaft zwischen Vesper und Camellia, bis sie schließlich zu einer emotionalen, von Humanismus durchzogenen Coming-of-Age-Geschichte wird.

Vesper Chronicles • Litauen/Frankreich/Belgien 2022 • Regie: Kristina Buozyte & Bruno Samper • Darsteller: Raffiella Chapman, Richard Brake, Rosy McEwen • Kinostart: 6.10.

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.