13. Oktober 2020

„Crash Bandicoot 4: It's About Time“ – Beuteldachs auf Dimensionsreise

Endlich gibt es ein neues Abenteuer mit dem kultigem Jump&Run-Helden

Lesezeit: 6 min.

Nanu! Ein lustiges Comictierchen mit eigenem Review? Was einige Leser vielleicht auf den ersten Blick verblüffen könnte, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als logische Konsequenz. Denn der vierte Teil der tatsächlich legendären Hüpf-Serie um den doch reichlich durchgeknallten Beuteldachs Crash Bandicoot hat uns richtig vom Hocker gerissen und verströmt dazu speziell mithilfe einiger Zeitsprung- und Zeitmanipulationsmotive durchaus genug Sci-Fi-Ambiente, um an dieser Stelle gewürdigt zu werden.

Dass Crash Bandicoot 4 richtig gut werden könnte, hätte man aber eigentlich auch erwarten können, wenn nicht gar müssen. Schließlich stand die Reihe schon zu frühen PS1-Zeiten dafür ein, mit verspielt detailreichen 2,5D-Parcours voller Sprung- und Ausweichaufgaben junge wie ältere Zocker für sich einzunehmen; vorausgesetzt, sie ließen sich nicht trotz des knuffig-bunten Looks vom beinharten Schwierigkeitsgrad mitsamt der seinerzeit gnadenlosen wie genreüblichen Endlichkeit der Bildschirmleben abschrecken. Wer ein Crash Bandicoot ohne unzählige Schweißausbrüche schaffte, war entweder ein Eisklotz am Pad oder schlicht ein Lügner. Wohl auch aufgrund der Härte reichte das Gesamtpaket nie aus, um gerade Nintendo und dessen Mario-Universum als Genreprimus ernsthaft Konkurrenz zu machen, doch mehrere Ableger bezeugen dennoch den unbestrittenen Erfolg der Reihe.

Nach längerer Abstinenz bereitete Publisher Activision Blizzard seinem Helden vor rund drei Jahren mit einer nicht nur von Fans äußerst wohlwollend aufgenommenen Remaster-Edition (der N.Sane Trilogy) den Weg zurück ins digitale Rampenlicht. Die Entwickler Toys for Bob, die schon an den Remastern arbeiteten, veröffentlichten nun mit It´s About Time (seit dem 2. Oktober für PS4 Xbox One, weitere Versionen sollen folgen) endlich einen brandneuen Teil der Hauptserie, der allerdings gleich mehrere frühere Crash-Titel nach Teil 3 einfach mal unter den Teppich kehrt, die nicht vom ursprünglichen Entwickler Naughty Dog (heute vor allem bekannt durch ihre bahnbrechenden Action-Adventure-Reihen Uncharted und The Last of Us) stammen. Aber wen stört das bei einer Jump&Run-Reihe schon? Wischen wir das also mal beiseite und kümmern uns um das Wesentliche.

Die Handlung von Teil 4 ist schnell umrissen. Nachdem sich die bekannten Schurken N. Gin, Uka-Uka, N. Brio, N. Tropy und Dr. Neo Cortex aus ihrer Gefangenschaft zwischen den Dimensionen befreien konnten und dabei gewaltige Lücken in das Raum-Zeit-Kontinuum reißen, liegt es an Crash und seiner Schwester Coco, das damit verbundene Unheil aufzuhalten und ihre Rivalen erneut in die Schranken zu weisen. Dabei erhalten die beiden Hilfe von weiteren Charakteren und können auf insgesamt vier Quantummasken zurückgreifen, die den Geschwistern via Knopfdruck besondere Fähigkeiten wie Zeitverlangsamung, die Umdrehung der Schwerkraft, Drehbewegungen zum Gleiten und einen Wechsel der Dimensionen an die Pfote geben.

Erstmals darf auch innerhalb der Level munter zwischen Crash und Coco gewechselt werden, allerdings ergeben sich daraus keine spielerischen Unterschiede. Die gibt es jedoch dann, wenn wir in manchen festgelegten Gebieten andere Figuren und deren Fähigkeiten übernehmen. Zu ihnen zählt etwa Tawna, mit deren Greifhaken wir beispielsweise elegant Abgründe überwinden. Besonders spannend: Wir schlüpfen u.a. in die Haut von Dr. Neo Cortex (ausgerüstet mit Laserpistole) und erleben die Story so auch aus der Sicht der Bösewichter – eine super Idee!

Wie bereits aufgrund der Quantummasken ersichtlich, baut Teil 4 stark auf Einsatz und Wechsel des Aktionsarsenals der Figuren auf, obgleich sich die Reihe insgesamt erstaunlich treu bleibt. Weiterhin sucht man freie, also komplett begehbare Areale vergebens, sodass wir stets in relativ stark vorgegebenen Schlauchlevel unterwegs sind, in denen wir über Abgründe hüpfen, Hindernissen ausweichen oder Gegnern mit gezielten Attacken Saures geben. Die Macher haben dazu wie gewohnt viel Sammelbares wie Kristalle und Kisten in den Gebieten verteilt, die man oft nur mittels perfekt getimtem Plan und ein wenig Entdeckerlust aufspüren kann.

Gerade mit zunehmendem Fortschritt wird es immer kniffliger, mithilfe der Quantumkräfte etwa Wände auftauchen und verschwinden zu lassen, während man in der Sprungbewegung zur Flugdrehung ansetzt und gleichzeitig noch auf Abgrundlänge und herumwuselnde Feinde achtet. Das Ganze fühlt sich zwar stets wie eine modernisierte Fassung eines 90er-Jump&Runs an, vermischt aber seine einzelnen Spielelemente so geschickt, dass dieser Umstand charmant und nicht altbacken wirkt. Immer wieder versteht es Toys for Bob etwa, den Ablauf durch Verfolgungsjagden (Stichwort Dinos), Rutschen auf Lianen, Wasserfahrten mit Untersatz oder besonders kreative Großgegner aufzulockern, sodass sich trotz der Schlauchlevel nie Langeweile einstellt und wir uns stets mit einer neuen Aufgabe, Gimmick oder Fähigkeit konfrontiert sehen.

Was sich schon bei der Spielmechanik nach viel Abwechslung anhört, setzt sich ebenso beim Grafikdesign und der Settingauswahl fort. Auch hier zieht sich die Zeitthematik wie ein roter Faden durch das Geschehen, wenn wir mit Crash und Coco u.a. eine apokalyptische Zukunft des Jahres 2048 ebenso besuchen wie eine Pirateninsel, die Prähistorie oder eine Forschungsanlage. Jedes Setting ist in mehrere Kapitel aufgeteilt, die wir wie bei Mario und Co. nacheinander abklappern, um ans Ende zu gelangen. Jedes Gebiet strotzt nur so vor knuddeligen Details und Ideen, sodass man sich selbst beim x-ten Ableben noch über die Gestaltung der Gegner oder Hintergründe freuen kann. Da die Gebiete nicht zu lang ausfallen, hat man sich an ihnen auch nicht sattgespielt, wenn es zum nächsten Setting geht.

Der Schwierigkeitsgrad wurde übrigens trotz seiner Knackigkeit immerhin merklich entschärft. So stehen zwei Schwierigkeitsgrade zur Wahl, die Checkpoints sind fair gelegt und wer auf „modern“ spielt (im Gegensatz zu „klassisch“, also genau wie in den früheren Ablegern), muss nicht wirklich den gnadenlosen Game Over-Bildschirm fürchten. In diesem Kontext sei auf die sehr gut getaktete, meist punktgenaue und nicht überladene Steuerung hingewiesen. Alle Figuren, deren Animationen zum Schmunzeln einladen, steuern sich nach kurzer Eingewöhnung butterweich und provozieren keinen zusätzlichen Frust.

Zum gelungenen Gesamtflair trägt auch die gute Vertonung der Charaktere sowie die bis auf einige unnötige lange Ladezeiten saubere Technik bei. Die kommt speziell in den Zwischensequenzen zur Geltung, die dazu mit viel Humor und Selbstironie auftrumpfen. Zwar reißt die Story keine Bäume aus, doch die Dialoge überraschen mit vielen gelungenen, weil nicht zu kindischen Pointen und unterhalten daher erwachsene Spieler (fast) so gut wie jüngere. Beide Fraktionen dürfen sich darüber hinaus über ein äußerst umfangreiches Paket freuen, da schon die normale Kampagne stundenlang fordert und gleich mehrere Extramodi warten.

Zu diesen gehört etwa der Multiplayer, der leider auf Splitscreen verzichtet. Im Modus Bandicoot Battle treten mehrere Spieler nacheinander in einer Art Wettrennen an und müssen unter Zeitdruck Kisten zertrümmern, während man bei Pass N. Play nach jedem Ableben das Pad an den nächsten Spieler weiterreicht und am Ende das Programm abrechnet, wer sich am besten geschlagen hat. Das ist zwar nett gemeint, aber nicht wirklich fesselnd. Das wiederum leisten speziell der hohe Wiederspielwert der Level qua Sammelei und entsprechender Belohnungen (wie z.B. Charakterskins) sowie der sogenannte N.Verted-Modus.

In dieser Variante kehrt sich in jedem Level das Geschehen komplett um bzw. stellt sich – teilweise buchstäblich – auf den Kopf. Das heißt etwa, dass wir in manchen Leveln den Weg erst gar nicht eindeutig erkennen oder wie eine Fledermaus Geräusche erzeugen müssen, um Pfade sichtbar zu machen. Gerade weil die N.Verted-Varianten aber so vielfältig ausfallen, spielen sie sich fast wie ein eigenständiges Erlebnis und könnten fast als ganzes Hauptspiel durchgehen. Ein innovativer Ansatz, zu dem man den Entwicklern absolut gratulieren darf.

Insgesamt bekommt man mit Crash Bandicoot 4 (wir spielten auf PS4) ein grafisch wie spielerisch überzeugend an modernes Gameplay angepasstes Jump&Run-Erlebnis, das in seinen Grundfesten der Tradition der Reihe treu bleibt. Speziell die detailverliebten Settings und die witzigen Figurendialoge amüsieren über die gesamte Spielzeit hinweg ebenso wie der durchwegs spannende N.Verted-Modus und das fordernde, aber bis auf ganz wenige Situationen hervorragend durchdachte Gameplay. Wer ein bisschen Frusttoleranz mitbringt und ein Herz für klassische Hüpfaction mitbringt, sollte sich diesen Spaß folglich nicht entgehen lassen.

Fazit

Eine würdige Fortsetzung der schon immer knackigen, aber eben auch abwechslungsreichen Crash Bandicoot-Reihe, die angenehmerweise nicht nur Nostalgie, sondern frische Ideen, viel Umfang und eine sehr charmante Präsentation in petto hat.

Crash Bandicoot 4: It´s About Time • Toys for Bob • Jump&Run • PS4/Xbox One

Abb. © Activision Blizzard

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