17. Januar 2021

„Immortals Fenyx Rising“: Ein göttlicher Hauch von „Zelda“

Ubisofts jüngstes Open World-Abenteuer erweist sich als faustdicke Überraschung

Lesezeit: 5 min.

Was hätte da nicht alles schiefgehen können. Als die ersten Szenen zu Immortals Fenyx Rising herauskamen, provozierten diese nicht wenig Skepsis: Was will das ohnehin an Open World-Games nicht gerade arme Ubisoft mit einem weiteren Vertreter dieser Art? Dazu noch mit einem vermeintlich beliebigen Setting innerhalb der griechischen Mythologie, welches sich sowohl vom Stil wie Gameplay an - genreuntypisch - eher jüngere Zocker und vor allem Zelda-Fans richtet (speziell des brillanten Breath of the Wild auf Switch). Wenn man dann noch bedenkt, dass kurz zuvor die etablierten Ubisoft-Großmarken Watch Dogs und Assassin’s Creed mit neuen Ablegern an den Start gingen, konnte man sich durchaus wundern, was die Franzosen mit dieser Franchisepolitik eigentlich bezwecken wollten.

Doch wie so oft in Fällen, in denen man nicht viel erwartet, fällt das Fazit plötzlich überraschend gut aus. Denn Immortals (seit Anfang Dezember für PS5, PS4, Xbox Series X, Xbox One, PC und auch Switch erhältlich) mag sich zwar in der Tat etwas dreist bei Nintendos Zelda bedienen, vermischt diesen Klau aber gekonnt mit eigenen Stärken und serviert Open World-Zockern auch dank einer gehörigen Portion „Weniger ist mehr“ ein dazu auch noch charmant präsentiertes Erlebnis, das sich als Alternative (nicht nur zu den eben genannten Marken) stimmig ins Ubisoft-Konzept einfügt. Außerdem, um auch das nicht zu verschweigen, darf man es als Wohltat bezeichnen, es hier eben nicht mit dem x-ten Reboot, Remake oder Sequel zu tun zu haben, sondern eben mal wieder mit einem frischen Spiel.

Die Hintergrundstory ist schnell erklärt. Nach einem Schiffsunglück strandet unsere zuvor via Editor zusammengebastelte Fenyx (männlich oder weiblich möglich) am Strand der Götterinsel und wird direkt in einen Krieg zwischen dem bösen Titan Typhon und den Göttern um Vater Zeus hineingezogen. Letztere hatten gegen den aus seiner Gefangenschaft ausgebrochenen Typhon keine Chance, sodass sie nun in verschiedenen Gestalten auf den einzelnen Gebieten der Insel ein eher kümmerliches Dasein fristen (Kriegsgott Ares ist etwa nun als depressiver Gockel unterwegs, während die eitle Aphrodite zum überbordend freundlichen Baum mit Riesenwurzeln mutiert ist). Die Menschen, wie auch der Bruder von Fenyx, wurden bei alldem versteinert und so hat unser bislang überlebender Held gleich mehrfach Motivation, sich als letzte Hoffnung der Insel in den Kampf gegen den Titanen und dessen Schergen zu stürzen.

Wie nicht anders zu erwarten, ist Fenyx aber zu Beginn viel zu schwach und muss sich im Verlauf des Abenteuers mit Waffen wie Schwertern, Hammer und Bogen ebenso eindecken wie mit teils göttlichen Kräften der Stärke, Schnelligkeit oder der Fähigkeit zu Fliegen. Nach einem kleinen Prolog wird der Turm der Götter inmitten der Insel zu einer Art Rückzugsort für Fenyx, wo wir per Schnellreise immer wieder zurückkehren, um beispielsweise verschiedene Energietränke mittels gefundener Zutaten zu brauen, unsere Waffen und Grundwerte zu verbessern oder von befreiten Göttern oder Götterbote Hermes Aufträge und Ware gegen Bares anzunehmen.

Als besonderer Clou erweist sich dabei die Erzählweise von Immortals. Denn kein geringerer als Zeus und der am Felsen angekettete Prometheus fungieren während der ganzen Kampagne als Kommentatoren, die sowohl mit einigen Erzählungen und Details aus der Mythologie ebenso wenig hinter dem Berg halten wie mit launigen Wortgefechten und amüsanten Meta-Bemerkungen über das Geschehen und dessen Präsentation. Das funktioniert auch aufgrund der sehr soliden Sprecher (deutsch wie englisch), wobei man von den Dialogen neben den beiden Erzählern nicht viel Tiefe erwarten sollte. Überhaupt lebt Immortals trotz seiner liebevoll gezeichneten Charaktere nicht von der Story und punktet vielmehr mit seiner im Vergleich zu anderen Ubisoft-Titeln wesentlich kompakteren und griffigeren Spielwelt.

Während wir nämlich speziell bei Assassin’s Creed oder Far Cry einer Kartenanzeige nach der anderen hinterherjagen, weckt Immortals – ganz im Stil von Zelda: Breath of the Wild – eher den Entdeckerinstinkt. Das bedeutet, dass wir es zwar mit kleineren Inselarealen zu tun haben, die thematisch an ihre jeweiligen Götter angelehnt sind, es aber überall Höhlen, Truhen oder andere Schätze zu entdecken gibt, an die wir meist nur über Gefechte sowie kleinerer Umgebungs- oder Schieberätsel herankommen. Ganz im Sinne eines „Möhre an der Angel“-Prinzips, wird uns viel Auffindbares schmackhaft gemacht, an das wir dann mit etwas Hirnschmalz und Geschick herankommen müssen. Das gilt besonders für die vielen Dungeons, in denen z.B. massive Kugeln darauf warten, mithilfe von Windkanälen bewegt zu werden oder wir Pfeile über mehrere Hindernisse bis an ein Ziel leiten müssen. Und das sind nur zwei von vielen Mechaniken.

Dazu muss man klar sagen: Wer bei solchen Spielereien schnell die Geduld verliert und es nicht mag, sich gerade größere Umgebungsrätsel auch mal ohne direkten Hinweis zu erschließen, wird mit Immortals wahrscheinlich nicht auf Strecke glücklich werden. Auch so manche Belohnung fällt nicht immer üppig aus, sodass man sich schon fragen kann, warum man etwa eine halbe Stunde nur für einen Blitz des Zeus verwendet hat (zur Erklärung: Man braucht mehrere Blitze, um die Ausdauerleiste des Helden weiter auszubauen). Wer allerdings Lust auf Erkundungen und Knobeln hat, der dürfte mit Freude durch die Lüfte gleiten oder Schluchten durchwaten, um den Inseln wirklich alle ihre Geheimnisse zu entlocken.

Auch das sehr dynamische Kampfsystem leistet dazu einen gehörigen Beitrag, da Ausweichen, Parieren, Heilen und Angreifen sehr flüssig von der Hand gehen und selbst optionale Bosskämpfe wie gegen einige Monster und verfluchte Helden der griechischen Mythologie dank mehrerer Schwierigkeitsgrade und fairer Rücksetzpunkte nicht zu Frust führen. Wer Frust zusätzlich vorbeugen möchte, kann sich mithilfe eines integrierten Ingameshops (mit echter Währung) ein paar Unterstützungen zulegen. Zwar ist diese Spielepolitik weder neu noch unbedingt wünschenswert, allerdings ist es für unseren Geschmack bei Immortals nicht nötig, weiteres Echtgeld in die Hand zu nehmen, um voranzukommen. Das Geschehen zwingt einem dies auch in anderer Hinsicht nicht auf. Ein Seasonspass mit weiteren Abenteuern hingegen schon.

Technisch balanciert Immortals auf einem schmalen Grat (wir spielten auf PS4). Der fast schon kindliche Comiclook passt zwar zur humorigen Erzählweise, verströmt aber aufgrund der groben Texturen und des oft geringen Detailgrades nicht wirklich viel Grafikpracht – mit Ausnahme der wahrlich beeindruckenden Fernsicht von Bergen und anderen Anhöhen. Dieses kleine Manko gleichen die Macher jedoch mit viel Kreativität beim Design der Figuren, Monster und eben der in sich stimmigen wie stets einladenden Spielwelt mehr als aus. Selbst der Orchestersoundtrack untermalt das Geschehen zu jeder Zeit angemessen und überhaupt bietet Immortals mit all seiner unaufdringlichen Vielfalt aus Kämpfen, Rätseln, Craften und (optional) Erkunden ein in sich rundes, nicht so endlos ausuferndes Spielvergnügen, dass man Ubisoft nur raten kann, diesen variableren und weniger an der Schnur gezogenen Ansatz (speziell im Vergleich zu Assassin’s Creed) unbedingt weiterzuverfolgen.

Fazit

Überraschend launiger Open World-Mix nicht nur für jüngere Mythologie-Fans, der sehr gut abkupfert, aber zusätzlich eigene Stärken zu bieten hat

Immortals Fenyx Rising • Ubisoft Quebec • Action-RPG • PS5/PS4/Xbox Series X/Xbox One/PC/Switch

Abb. © Ubisoft

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