20. Dezember 2025

„The Great Flood“ – Nach uns die Sintflut

Ein scheinbar konventioneller, doch am Ende bemerkenswert kluger SF-Film

Lesezeit: 3 min.

Es hätte ein entspannter Morgen werden können, An-na (Kim Da-mi) will gerade Frühstück für ihren Sohn Ja-in (Kwon Eun-seong) zubereiten, der quengelt und unbedingt den Swimming-Pool vor dem Apartment benutzen will. Wasser ist sein Element, Wasser ist das Element des Films, in vielfacher Hinsicht. Plötzlich läuft es über den Boden, doch an einem nicht verschlossenen Wasserhahn im Badezimmer liegt es nicht. Ein Blick nach draußen verrät es: Eine neue Sintflut scheint begonnen zu haben, das Wasser steigt rasant, bald brechen hohe Wellen durch die Hochhaustürme der Wohnsiedlung in Seoul. Die Bewohner flüchten sich auf höhere Etagen, bald bricht Panik aus, doch für An-na scheint es Rettung zu geben. Als wichtiges Mitglied eines Forschungsteams, das an Künstlicher Intelligenz arbeitet, muss An-na gerettet werden. Zu diesem Zweck schickt ihre Firma den Sicherheitsbeamten Hee-jo (Park Hae-soo), der seiner Arbeit erstaunlich emotionslos nachgeht. Aber immerhin findet er einen Weg, um Mutter und Kind am Leben zu halten und dem rettenden Hubschrauber näher zu bringen, der auf dem Dach landen soll.

Immer wieder wird An-na von Erinnerungsblitzen getroffen, die andeuten, dass ihr Mann, der Vater des Kindes, einst bei einem Unfall ertrank, wie gesagt: Wasser ist das verbindende Element eines Films, der konventionell anfängt, aber bald spektakulär wird.

Wie eine ganz gewöhnlicher Dystopie beginnt Kim Byung-woosThe Great Flood“, die Flut kommt und sorgt für Panik, man erwartet nun, dass es um den typischen Überlebenskampf geht, doch weit gefehlt. Wir wollen an dieser Stelle nicht verraten, wie genau sich die Handlung entwickelt, es sei nur gesagt, dass das zirkuläre Erzählkonstrukt durchaus an die phantastischen Geschichten eines Autors wie Ted Chiang erinnert.

Viel wichtiger als die Rettung vor den Fluten, wird dabei zunehmend das Verhältnis von Mutter und Kind, besonders die Frage der Emotionen, der an sich natürlichen Liebe zwischen einer Mutter und ihrem Kind, eine Emotion, die An-na beruflich zu programmieren versucht, eine Emotion, von der in gewisser Weise – und das lässt „The Great Flood“ zu einem faszinierenden Kommentar über die südkoreanische Gesellschaft werden – die Zukunft Südkoreas abhängt.

Man muss wissen, dass Südkorea die weltweit niedrigste Geburtenrate hat. Zusammen mit der quasi Insellage des Landes, dazu die fast schon xenophobe Aversion gegen Migranten, sorgt dies dafür, dass die Bevölkerung Südkoreas schrumpft. Immer weniger Frauen haben Lust, Kinder zu bekommen, in den Städten gibt es zunehmend Cafés und Restaurants, in denen Kinder nicht erwünscht sind, auch die Darstellung von Kindern in den Medien nimmt offenbar ab, alles Faktoren, die dazu beitragen, dass es zunehmend unnatürlich wirkt, Kinder zu haben. Ein Teufelskreis, der der Regierung sehr bewusst ist, der mittelfristig schwere Auswirkungen auf Wirtschaft und Sozialsysteme haben wird, wenn sich nicht bald etwas ändert.

Hier nun setzt „The Great Flood“ an, der eine dystopische Welt imaginiert, in der die Erde vor dem Abgrund steht, in der eine nur ein neuer Bevölkerungsschub die Erde retten kann. Und ohne eine emotionale Bindung zwischen Müttern und ihren Kindern, wird das nicht funktionieren. Wie dieses Problem zu lösen ist, darum wird es in den nächsten Jahrzehnten in Südkorea gehen, darum geht es in Kim Byung-woos Film in einer komplexen, komplizierten Erzählstruktur, die ihr Geheimnis erst ganz zum Ende auf bemerkenswerte Weise offenbart.

The Great Flood • Südkorea 2025 • Regie: Kim Byung-woo • Darsteller: Kim Da-mi, Park Hae-Soo, Kwon Eun-seong • Netflix

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