8. Januar 2018 4 Likes

Möge die Enttäuschung mit dir sein

Der Shooter „Star Wars: Battlefront 2“ ist leider nur für ganz hartgesottene Fans zu empfehlen

Lesezeit: 8 min.

Auch wenn die Gamer-Szene trotz aller Scharmützel um bestimmte Konsolenpräferenzen und Wertungsdiskussionen in Fachmagazin-Foren im Allgemeinen nicht zwingend zu den hitzigsten Debattenkulturen der Welt zählt, legte sich Ende letzten Jahres ein mehr als veritabler Shitstorm über die Macher von Battlefront 2. Der Grund: das latent glückspielhafte und damit latent fragwürdige Bezahlmodell bei den sogenannten Lootboxen. Für diese Item-Boxen, die man in Battlefront 2 zur Aufwertung der Fähigkeiten seiner Figuren vorfindet und für deren Inhalte man letztlich echtes Geld hinblättern sollte, ohne vorab Einblick in den dann tatsächlich erworbenen Content zu erhalten (natürlich ohne nachträgliches Rückgaberecht!), wurde der ohnehin marketingtechnisch ramponierte Ruf des Star Wars-Franchises weiter massiv beschädigt. Die gewaltige Konsumentenempörung über so viel Dreistigkeit führte letztlich zu einer (vorübergehenden?) Kehrtwende in Form einer Aussetzung des Bezahlmodells. Da sich in der Folge sogar die Politik mit dem Phänomen Lootboxen als potenziell gesetzlich zu reglementierendes Glücksspiel beschäftigte, ging Battlefront 2 trotz einiger Vorschusslorbeeren (so auch bei uns) auf PS4, Xbox One und PC insgesamt mit einer schweren Imagebürde an den Start.

Auf dem Papier klingt das von Publisher EA und Entwicklerstudio Dice versprochene Shooter-Paket zunächst dennoch wie ein feuchter Nerdtraum, der sich nicht ausschließlich um Carrie Fisher und ihre verschiedenen Outfits dreht: Neben einem saftig aufgemotzten Multiplayer mit Figuren, Welten und Gadgets aus allen Epochen der Saga, einer im Gegensatz zum Vorgänger nun vorhandenen Singleplayer-Kampagne, die mit neuer „Heldin“ (einer Imperialen wohlgemerkt!) und offiziell im Kosmos anerkannter Plotline zwischen Teil 6 und 7 aufwartet, sollte Battlefront 2 auch mit einer technisch atemberaubenden Inszenierung für Begeisterung bei Fans und Neulingen sorgen. Nun mag gerade letzteres tatsächlich eingetreten und die beiden anderen Versprechen auch nicht gebrochen worden sein. Dennoch ernüchtert das Ergebnis auf ganzer Linie, da es die Macher gerade konzeptionell und designtechnisch an allen Ecken verpassen, ihrem Grafikblender den nötigen Gameplay-Spaß zu entlocken.

Aber der Reihe nach und damit zunächst zur Singleplayer-Kampagne, die dem Vorgänger wie gesagt noch komplett abging. Darin übernehmen wir die Rolle der Commanderin Iden Versio, aus deren Sicht wir die Ereignisse zum Ende von Episode 6 und der damit verbundenen Zerstörung des zweiten Todessterns inklusive dessen Folgen erleben. Zusammen mit ihrem Team weiterer imperialer Elitesoldaten erfüllt Iden Aufträge auf Geheiß ihres Vaters, der als General auch nach dem Tod des Imperators dessen Willen posthum ausführt und dabei vor keiner Härte gegen sich und seine Tochter zurückschreckt. Doch Iden ist beileibe nicht unser einziger spielbarer Charakter. Im Verlauf der gut 6-stündigen Handlung mit ihren zunächst 13 Kapiteln dürfen wir gleich mehrfach in die Haut berühmter Recken wie Han Solo oder Luke Skywalker schlüpfen und uns dabei vor allem über die Originalsprecher und entsprechende Skills freuen. Mit Lukes Lichtschwert und einigen Machtfähigkeiten imperiale Truppler aufzumischen macht kurzfristig ähnlich viel Freude wie mit dem Millenium Falken Luftgefechte auszutragen oder mit Leia heftige Straßenschlachten im Königreich Naboo zu überleben.

Die Geschichte um Iden reiht sich dabei leider in ihrer Vorhersehbarkeit und erzählerisch uninspirierten Art in die nur zu oft gezeigten Schwächen der jüngeren Star Wars-Filme ein. Psychologischen Feinschliff oder ein wirkliches Eintauchen in die Gedanken und Motivationen der Figuren, sollte man ebenso wenig erwarten wie eine wirklich packende Geschichte. Klar, die Atmosphäre stimmt und die vielen langen Zwischensequenzen sorgen für echte Kinounterhaltung. Doch ähnlich wie Episode 7 wirkt jeder Einsatz eines bereits bekannten Star Wars-Ikonen nur wie ein letztlich banales Wiedersehen mit kurzer Verweildauer, ohne wirklich Substanzielles beizusteuern. Ebenso schnell und oft wechseln wir zwischen Flugduellen und Bodenaction, wobei sich aufgrund der vielen Figuren keine dauerhafte Identifikation einstellen will. In beiden Spielarten stellen wir uns meist im Verbund mit mehreren Mitstreitern einer gnadenlosen Übermacht schießwütiger KI-Gegner und klappern streng linear vorgegebene Einsatzziele auf verschiedenen Settings des Franchises ab.

Was aber dennoch nach einer zumindest abwechslungsreichen Kampagne klingen könnte, muss in Sachen Vielfalt schnell relativiert werden. Denn so brillant und bis zum letzten Soundeffekt oder Kameraschnitt die Inszenierung ausfallen mag – spielerisch unkonfortabler, fader und oft genug unnötig frustfördernd könnte Battlefront 2 kaum sein. Das fängt bereits beim Schwierigkeitsgrad an. Schon auf der niedrigsten Stufe sieht man in den meisten Gefechten erst nach mehreren Anläufen Land. Die Gegner-KI ist dabei dennoch kaum als solche zu bezeichnen, da die Macher immer (!) nur auf plattes Moorhuhn-Geballer gegen die immer gleichen 2-3 Gegnertypen bauen und uns dabei durch völlig unflexible Levelschläuche hetzen. Allein die Masse an Gegnern im Dauerfeuermodus macht hier den vermeintlichen Anspruch. Taktik oder gar Abwechslung sucht man trotz verschiedener Waffensysteme vergebens und schon nach 1-2 Stunden kann man die immer gleichen Pappkameraden, die sich einem stupide dauerballernd vor die Flinte werfen, einfach nicht mehr sehen.

Wenn man dann einen der vielen Tode stirbt, strapaziert der Titel unsere Geduld mit teils lächerlich weit zurückliegenden Respawn-Punkten, die bei den nicht nur zum Start eklatanten Ladezeiten an uns nagen. Das ist gerade dann besonders schlimm, wenn wir oft genug eine längere Dialogsequenz hören müssen, die wir nicht überspringen und somit gerne mal in Dauerschleife ertragen müssen. Speziell in den Luftschlachten kommt es aufgrund der viel zu verwackelten Steuerung und mangels weiterer Orientierungshilfen oft genug vor, dass wir andere Objekte touchieren und sofort komplett explodieren. Da wir dazu mehrfach Probleme bekommen, von einem gnadenlosen 10-Sekunden-Timer sofort zum Startpunkt zurückversetzt zu werden, wenn wir – ohne Karte wohlgemerkt – nur wenige Meter das Kampfgeschehen verlassen, schlägt dem Fass den Boden aus. Von kleineren Unsauberkeiten bei der Kollisions- und Schussabfrage oder dem Mysterium, dass wir häufig selbst an kleinen Objekten schlicht hängenbleiben oder gleich explodieren, ganz abgesehen.

Man könnte diese Liste an ähnlichen Mängeln weiter fortsetzen, doch auch ein weiterer Kernpunkt der Kampagne sorgt für besonders starkes Kopfschütteln, nämlich die Ideenarmut im Umgang mit potenziellen Highlights. Wenn wir in der Sequenz mit Luke in eine Höhle voller außerirdischer Käfer geraten und uns daraus befreien sollen, was würde man am Ende erwarten? Einen schick inszenierten Showdown gegen ein übergroßes Exemplar dieser Spezies? Oder eine ganz andere Kreatur? Weit gefehlt! Stattdessen müssen wir minutenlang einfach nur einen Daueransturm der kleinen Viecher überstehen, die aus dem Boden schießen und plump auf uns zu schwirren. Da diese Sequenz tatsächlich über 5 Minuten dauert, fragt man sich unweigerlich, wer auf diese Idee als Abschluss eines solchen Levels kommen konnte. Leider nicht die einzige Idee, die fast schon lächerlich wirkt.

Egal, welches Kapitel man herauspickt: Es fehlt im Strudel der ewig gleichen Gegnerangriffe schlicht an echten Höhepunkten und die wenigen, wie etwa der Angriff eines AT-ST-Walkers wiederholen sich danach mehrfach oder verlieren ihre Wirkung im Frust, da wir selbst hinter Deckungen gerne mal von allen Seiten von zusätzlich aufploppenden Trupplern niedergeballert werden oder uns über die lächerliche KI, unfreiwillig komische Clippingfehler und dahingeschlampte Logiklücken der banalen Erzählung ärgern. Nur die Technik und der Fanfaktor retten dieses uninspirierte Gerüst vor dem Totalkollaps. Und das von einer Entwicklerfirma wie Dice, die gerade mit Titeln wie Battlefield echte Großtaten im Shooter-Genre abgeliefert hat. Selbst das häufig genug zurecht für seine spielerische Armut belächelte Call of Duty kann über solch eintöniges Schlauchgeballer und die vielen unnötigen Nervfaktoren nur milde lächeln. Da hilft es auch wenig, dass EA und Dice schon zum Release weitere Kapitel für die Story angekündigt haben, um das Erlebnis weiter auszubauen.

Wenn man dann noch berücksichtigt, wie viele Areale bzw. Karten des Singleplayers auch im Multiplayer aufbereitet wurden, verliert selbst der technische Aufwand ein wenig an Gewicht. Dennoch ist der Mehrspieler-Part mit seinen verschiedenen Modi deutlich besser gelungen als sein Story-Bruder. Im Mehrspieler warten Schlachten für bis zu 40 Spieler online auf zahlreichen bekannten Star Wars-Schlachtfeldern aus der gesamten Saga. Der Modus „Galaktischer Angriff“ dürfte dabei bei den meisten Fans die größten Glücksgefühle hervorrufen, da man hier alles an die Hand bekommt, was das Universum hergibt: Sturmtruppen, Jedis, Sith und allerlei Fahr- und Fluggerät mischen munter mit. In den Partien agieren wir als Angreifer oder Verteidiger und müssen auf unterschiedlichen Abschnitten der jeweiligen Maps Ziele einnehmen oder entsprechend unsere Gegner davon abhalten. Aber auch andere Modi wie „Sternenjäger-Angriff“ wissen mit epischer Inszenierung und spannendem Schlachtgetümmel weitgehend zu überzeugen. Generell dürfen wir aus mehreren verschiedenen Kampfklassen zwischen Assault, Offizier oder Spezialist wählen und über erfolgreiche Gefechte unsere Skills weiter ausbauen.

Leider kommen aber auch im Multiplayer einige Probleme ins Spiel, die das Vergnügen merklich eintrüben. So wurde das bereits angesprochene Lootbox-Problem nicht in seiner Grundmechanik aus dem Game entfernt. Es kann also dazu kommen, dass wir zig Gefechte erleben, ohne im Anschluss – Stichwort Zufallsprinzip – auch tatsächlich etwas Brauchbares für unsere Charakterklasse aus den Sammelboxen zu erhalten. Wie soll das motivieren? Zumal man anderen Spielern begegnet, die dann im wahrsten Sinne mehr Glück hatten und uns mit viel besseren Werten und Fähigkeiten gehörig den Marsch blasen. Oder der Umstand, dass wir zu Beginn einer Session nur den Spielmodus, nicht aber die konkrete Karte auswählen können. Wer also direkt ein bestimmtes Setting erleben möchte, erhält von den Programmieren nicht die Möglichkeit, diese Wahl tatsächlich frei zu treffen, sondern muss hoffen, von den Servern entsprechend verlagert zu werden. Eine Unfreiheit, wie sie dem Imperator vielleicht gefallen würde. Spielern sicher nicht.

Wenn man dann in einer Schlacht angekommen ist, ärgert man sich wiederum über die völlig unnötigen statischen Respawn-Punkte, sobald man das Zeitliche gesegnet hat. Die bedeuten nämlich gerne längere Wege, bis man wieder im Herz des Kampfgetümmels angekommen ist. Das Warten auf den Wiedereintritt versüßt uns Dice nur mit einem ablaufenden Timer, ohne uns beispielsweise das aktuelle Geschehen der Teammitglieder beobachten zu lassen. Dass dies alles weder förderlich für ein strategisches Vorgehen noch ein dauerhaftes Einklinken in die Welt von Battlefront 2 ist, dürfte in Summe auf der Hand liegen.

Unverständlich bleibt ebenso, warum sich das Gameplay nicht mehr Mühe gibt, den Teamgedanken in den Matches zumindest halbwegs zu stärken. Wenn wir etwa mit bestimmten Charakteren Supportskills wie Heilung bei anderen Mitspielern einsetzen, werden wir dafür nicht belohnt. Am Ende eines Matches werden bei der Punkteverteilung gute und weniger erfolgreiche Mitglieder eines Teams kaum unterschiedlich behandelt, sodass es nicht notwendig erscheint, sich in den Duellen in irgendeiner Weise hervorzutun oder helfend einzugreifen. Im Bereich Balancing fällt weiterhin auf, wie ungleich bestimmte Figurenklassen ausfallen. Gerade Jedis wie Luke und Yoda wirken vom Start weg wesentlich robuster und angriffsintensiver als andere Figuren und verlagern so unnötig Spielerpräferenzen zugunsten bestimmter Klassen. Es bleibt schlussendlich auch beim Multiplayer der Eindruck hängen, man würde es mit einem Titel zu tun haben, bei dem sich Designfehler eingeschlichen haben, die die den Funfaktor unnötig ausbremsen und für eine aktuelle Blockbuster-Produktion geradezu anachronistisch wirken.

Fazit

Erst das PR-Desaster um gebührenpflichtige Zufallsboxen, dann die Ernüchterung nach Veröffentlichung: Battlefront 2 verpasst es trotz erstmals hinzugefügter Story und einer atemberaubend cineastischen Atmosphäre, die wirklich kaum filmische Wünsche entsprechend der Vorlage offenlässt, in Sachen Gameplay, Spieltiefe oder zumindest Komfortabilität zumindest solide unterhaltendes Shooter-Niveau dauerhaft zu erreichen.

Wer sich nicht voll und ganz als Franchisefan bezeichnet und so über viel Frust und ein in der heutigen Zeit eigentlich nicht mehr akzeptables Shooter-Konzept aus Levelschläuchen, dümmlichen Schießbudengegnern und fehlenden (Spiel-)Highlights hinwegsieht, sollte einen Bogen um diesen Titel machen. Gerade weil die Macher mit ihrer Battlefield-Reihe schon mehrfach nachweisen durften, zu den besten Spezialisten gerade in diesem Genre zu gehören, bleibt einfach nur eine riesige Enttäuschung übrig.

Star Wars: Battlefront 2 • Dice/EA • Shooter

Abb. © Dice/EA

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.