„In Sound Mind“: Wer will die weiße Katze streicheln?
Psychotherapie mit Tiefgang – und leicht verschenktem Potenzial
Ob flauschiger Stubentiger oder wilder Freigänger - Katzen sind einfach faszinierende Wesen und nicht nur aus deutschen Haushalten millionenfach nicht wegzudenken. Wechselt man von der Realität in die Fiktion dienen die Samtpfoten seit jeher gerne als magische Wegbegleiter auf fantastischen Reisen (man denke an die Grinsekatze), deren Aussagen oftmals kryptisch ausfallen können. So auch bei In Sound Mind, dem jüngsten Action-Adventure von We Create Stuff (Ende September für PS5, Xbox Series X, Switch und PC zum Preis von 30 bis 40 Euro erschienen), in dem wir als Psychotherapeut Desmond auf eine wahre Irrfahrt durch gleich mehrere Patientenschicksale geschickt werden. Auslöser dieser bizarren Tour ist ein mysteriöses Wesen namens Agent Rainbow, dessen Motivation lange ähnlich im Dunkeln bleibt wie der Rest des Abenteuers.
Zu Beginn starten wir im Keller des Gebäudes, in dem auch unsere Praxis liegt. Doch die Räume und Gänge haben sich völlig verändert und werden sowohl von einer merkwürdigen Substanz als von schattenhaften Dämonen heimgesucht. Aus der Ego-Sicht erkunden wir die Etagen des Gebäudes, rätseln uns durch kleinere Aufgaben und erreichen schließlich unser Büro, das fortan als Basis für den Eintritt in die Trips unserer Patienten dient. Dort treffen wir auch unsere weiße Katze Tonia, die nicht nur sprechen und sich in Luft auflösen kann, sondern uns mit Rat und manchmal sogar aktiver Fürsorge durch die gut 7-8 Stunden lange Story geleitet.
In die einzelnen Areale gelangen wir mithilfe von Kassettenaufnahmen, die Desmond von den Therapiesitzungen mit seinen Patienten gemacht hat. Somit müssen wir innerhalb des Gebäudes, das wir Schritt für Schritt immer mehr erkunden können, in den Wohnungen der Patienten zunächst nach den Tapes suchen, um durch eine sich dann in unserem Büro öffnende magische Tür in eine andere Welt einzudringen. In dieser Zwischenwelt erfahren wir mehr über die einzelnen Sitzungen und das Problem der Charaktere, ehe es weiter in die sehr auf die psychischen Symptome der Patienten zugeschnittenen Gebiete geht.
Auch dort wartet ein Mix aus Erkundung, Rätseln und Action, bei dem wir mit Pistole oder Shotgun gegen anrennende Feinde vorgehen, Items wie Heilmittel oder Munition sammeln und mithilfe einer Spiegelscherbe, die uns zuvor verborgene Einblicke gewährt, typische Schalter- und Hindernisrätsel lösen. Bei alldem werden wir häufig von den Anrufen Agent Rainbows gestört, der uns immer mehr mit unseren Fehlern zu konfrontieren scheint. Außerdem wartet in jedem Gebiet ein Boss auf uns, der uns – zunächst unbesiegbar – wie eine Klette am Bein hängt, ehe am Ende des Gebiets eine Art Endkampf wartet, der gleichzeitig als Abschluss der jeweiligen Therapie fungiert. Gerade diese Begegnungen fallen individuell und in sich schlüssig aus, wie überhaupt die Verbindung aus Story und Gameplay gut funktioniert. Das Geschehen fokussiert sich nie zu sehr auf Ballerei und die Bosse gönnen uns auf unseren Touren durch die insgesamt sehr geradlinigen Areale genug Pausen, um uns auf andere Aspekte wie die Lektüre von Notizen oder anderer Hintergrundinformationen zu konzentrieren.
Auch wenn In Sound Mind wahrlich keine Grafikbombe darstellt (wir spielten auf PC), fällt der Titel speziell in seiner Farbgestaltung sehr stimmungsvoll aus. Egal, ob wir durch ein Einkaufszentrum, eine Fabrik inmitten eines Waldes, auf einem Funk- bzw. Leuchtturm oder in der freien Natur unterwegs sind, die audiovisuell aufgebaute Atmosphäre fesselt in Verbindung mit den guten englischen Sprechern (mit leider teils äußerst miesen deutschen Untertiteln) über die gesamte Laufzeit, ohne allerdings in Sachen Psychothematik über Storystandards hinauszugreifen. Wer außerdem richtigen Horror erwartet, dürfte enttäuscht sein, da hier keineswegs Survival-Horror a la Silent Hill aufgetischt wird und nur wenige Momente zumindest theoretisch gruseln. Allerdings setzen die Macher das Gefühl permanenter Beobachtung gut um und bauen so Agent Rainbow als Endgegner (mit besonders komplexem Bosskampf) stimmig auf.
Die sehr fairen, weil unmittelbaren Rücksetzpunkte (Stichwort Autosave) verhindern ebenso jeden Frust wie genug Munition oder Heilmittel, die Desmonds Statuswerte wie beispielsweise sein maximales Lauftempo im grünen Bereich halten. Neben einigen Neustartbugs fällt dazu noch die Spielführung nicht ganz optimal aus, sodass man gelegentlich in den zunehmend weiteren Gebieten länger suchen muss, ehe man den nächsten Pfad oder Hinweis für die insgesamt soliden Kopfnüsse findet. Bei der Steuerung gibt es wiederum wenig zu meckern, obwohl gerade das Hüpfen aus der Ego-Sicht, wie bei so vielen Spielen mit dieser Perspektive, nicht immer gut klappt und Desmond gerne etwas beweglicher sein könnte.
In Sound Mind erweist sich somit als sehr solider, eigentlich sogar guter Mystery-Happen, der vieles richtig macht, ohne jedoch wirklich zu begeistern. An fast jeder Stelle hat man das Gefühl, dass noch mehr möglich gewesen wäre, um sowohl der Spielwelt als auch den Gegnern, der Präsentation und der Story mehr Vielfalt und Tiefe zu verleihen. Da hilft auch Katze Tonia wenig, deren Kommentare allerdings nicht nur dann zünden, wenn wir sie (optional) streicheln. Leider lassen uns aber schon zum Auftakt ihre hölzernen, völlig unecht wirkenden Animationen daran zweifeln, ob Tonia überhaupt mehr ist als ein therapeutisches Hirngespinst. Schade eigentlich.
Fazit
Kompetent umgesetztes Psycho-Abenteuer zwischen Action und Rätseln, dem leider der letzte Pfiff fehlt, um wirklich aus der Kategorie ordentliche Genrekost hervorzustechen.
In Sound Mind • We Create Stuff • Action-Adventure/Mystery • PS5/Xbox Series X/Switch/PC
Abb. © Modus Games
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