Was würde Jesus tun?
Sean Murphys provokante Graphic Novel „Punk Rock Jesus“
In den letzten Jahren hat Sean Murphy einige beachtenswerte Comics mit seiner Kunst aufgewertet, die von anderen Autoren geschrieben wurden: Grant Morrisons „Joe the Barbarian“, Scott Snyders „American Vampire“, Jason Aarons „Hellblazer“. Die Miniserie „Punk Rock Jesus“ hat Murphy dagegen selbst geschrieben und gezeichnet, und letztendlich hat er sie um eine einzige Frage arrangiert: Was würde Jesus tun?
Jesus Christus ist in diesem Fall ein Junge namens Chris. Die mächtige Multimedia-Produktionsfirma einer Reality-TV-Show, die schon mit Chris’ Geburt beginnt und komplett auf ihn und sein Aufwachsen im Habitat zugeschnitten ist, möchte der Welt glauben machen, dass Chris der aus dem Turiner Grabtuch wiedergeklonte Sohn Gottes ist. Das Interesse an der Show und ihrem Hauptdarsteller ist gewaltig, der Druck und die Proteste sowie die Auswirkung auf die Welt der nahen Zukunft ebenfalls. Als Chris hinter das wahre Geheimnis seiner Herkunft kommt, wird aus ihm ein Rebell – ein Punk, der als möglicher Sohn Gottes die Chance hat, mit seiner Musik und seinen Worten das ganze System zum Einsturz zu bringen …
Dass „Punk Rock Jesus“, das vor seiner Veröffentlichung als Tradepaperback in sechs Einzelheften erschien, über Gebühr gut gezeichnet sein und aussehen würde, stand von vorneherein fest. Dass die Story ein wilder, provokanter, schräger und doch bestens funktionierender Mix aus Near-Future-Science-Fiction, Medien-Satire, Religionskritik, Punk-Liebeserklärung und einigem mehr sein würde, war dann doch etwas überraschend. Murphy, der übrigens Atheist ist, verlässt sich glücklicherweise nicht auf sein stylishes Artwork oder seinen gewagten Aufhänger. Die sind für seine Geschichte nicht wichtiger als die Haupt- und Nebenfiguren und deren persönliche Storys, die unter anderem mit der Geschichte der IRA verknüpft sind. Spätestens beim zahm-geklonten Eisbären hat Murphy den Leser unwiderruflich am Haken.
Allen Ungläubigen und Zweiflern sei an dieser Stelle also versichert: „Punk Rock Jesus“ ist neben dem Reservats-Krimi „Scalped“ der originellste Vertigo-Titel der letzten Jahre, und manch einem comic-müden Fan mag Sean Murphys Kracher ja vielleicht sogar den Glauben an das Medium zurückgeben
Sean Murphy: Punk Rock Jesus • DC Vertigo, New York 2013 • 224 Seiten • $ 16,99 • Sprache: Englisch
Auch als Deluxe Edition: DC Vertigo, New York 2014 • 360 Seiten • $ 39,99 • Sprache: Englisch
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