14. Mai 2021 2 Likes

Darwyn Cooke: Batman bis Parker

Vor fünf Jahren starb der moderne Comic-Meister. Ein Portrait

Lesezeit: 12 min.

Man kann es versuchen, doch es dürfte schwierig werden, jemanden zu finden, der etwas Negatives über Darwyn Cooke sagen wird. Der kanadische Comic-Macher, der 2016 viel zu früh starb, war nicht nur ein Maestro des grafischen Erzählens und ein richtiger Fanliebling, sondern auch ein Artist’s Artist – also jemand, den Kollegen feiern und verehren.


Darwyn Cooke. Selbstportrtait. Aus „Parker. Martini Edition“.

Ein Sympathieträger, der dreizehn Eisner Awards, acht Harvey Awards und fünf Joe Shuster Awards gewann. Zurecht, war er den alten Tugenden aus Comic, Illustration und Design doch stets verbunden, während er mit viel Schwung und Schick zeitlose Panel-Geschichten realisierte, die vor Retro-Action und Noir-Stimmung nur so strotzen. Auf Deutsch sind gerade einige von Cookes besten Comics als großformatige, seitenstarke Neuausgaben erschienen, allen voran seine Adaption der „Parker“-Romankrimis nach Richard Stark, das Fledermaus-Psychogramm „Batman: Ego“ und der DC-Liebesbrief „New Frontier“.

Zum heutigen fünften Todestag werfen wir eine Blick auf Darwyn Cookes Leben und Werk.

 

Animierte Anfänge

Darwyn Cooke, der 1962 im kanadischen Toronto geboren wurde, las als Kind Comics wie „Archie“, „Casper“, „Richie Rich“ und „Hot Stuff“, außerdem verschlang er Bücher, z. B. die Abenteuer der detektivischen Hardy Boys. Seine bewusste Liebe für die Comic-Kunst als solche entdeckte Cooke, der schon immer gezeichnet hatte, erst ein paar Jahre später durch ein „Spider-Man“-Heft von Jazzy John Romita Sr., aber auch Geschichten mit Batman oder Will Eisners Spirit.

1985 gelang es dem jungen Cooke sogar, eine erste Kurzgeschichte bei DC zu veröffentlichen, wozu er extra nach New York City gekommen war, um sein Material vor Ort anzubieten. In Ausgabe 19 der Heftreihe „New Talent Showcase“, deren Titel Programm war, erschien Cookes fünfseitige Story „The Private Eye“, in der ein Privatermittler bei einer Lösegeldübergabe auf den maskierten Entführer einer jungen Frau trifft, der sich nicht an die Absprache hält. Allerdings hatte der Redakteur Cookes eröffnende Splashpage von sich aus neu gezeichnet.

Trotz dieser Veröffentlichung erkannte Cooke, dass er nur schwer von Comics leben könnte, und sollte sich die nächsten fünfzehn Jahre beruflich anderen Bereichen zuwenden. Anfangs arbeitete der Kanadier als Art Director für ein Musikmagazin, traf sogar David Bowie und machte sich früh mit den Errungenschaften des Computer-Zeitalters vertraut. Schließlich startete Cooke in Toronto seine eigene Firma für Grafikdesign in der Werbung, wo er bald viel mit Animation zu tun hatte.


„Batman of the Future“. © Warner

Als er Mitte der 1990er eine Anzeige in einer Ausgabe der Fachzeitschrift „The Comics Journal“ sah, in der Warner Bros. nach Animationskünstlern für die von Harley Quinns Schöpfern Bruce Timm und Paul Dini gelenkte „Batman“-Zeichentrickserie jener Ära suchte, bewarb Cooke sich mit einer Arbeitsprobe – und wurde genommen. So kam er nach vielen Jahren zurück zu Batman, zurück in den Dunstkreis der Comic-Helden. Wenig später zog er wegen der Nähe zu den Verantwortlichen sogar nach Los Angeles und lernte viel in Bruce Timms Studio. Für die famose „Batman“-Animationsserie erstellte Cooke z. B. das Storyboard der Folge, in der Frank Millers düstere Bat-Dystopie „Die Rückkehr des Dunklen Ritters“ verarbeitet wurde. Doch er arbeitete auch an der „Superman“-Serie mit ihrem klaren, geometrischen Metropolis-Design und vor allem an „Batman Beyond“ alias „Batman of the Future“, einer starken Fortsetzung der Bat-Mythologie in einer Hightech-Zukunft, für die Cooke nach Brainstorming mit Timm die stylische Eröffnungssequenz alleine an seinem Computer renderte. Abseits von Warner Bros. wirkte der Kanadier noch an Sonys nicht minder cooler „Men in Black“-Animationsserie und an Disneys „Toy Story“-Ableger „Captain Buzz Lightyear“ mit.

 

Zurück zu den Comic-Wurzeln

Schon vor seiner Zeit als Animationskünstler hatte Cooke wieder Feuer für seinen alten Kindheitstraum gefangen, Comic-Künstler werden zu wollen. Mitte der 1990er, in der Ära von Zeichnern wie Jim Lee, Todd McFarlane und Rob Liefeld, war allerdings ein ganz anderer Stil gefragt als Cookes glatter, runder Retro-Schwung. Entsprechend hatten Archie Goodwin, Denny O’Neil und andere große Entscheider bei DC damals zwar stets nette Worte für Cooke und seine Panel-Arbeiten übrig, aber einen Comic von ihm bei DC konnten sie sich nicht vorstellen.

Als Cooke schon nicht mehr an das Wahrwerden seines Traums glaubte und zufrieden für die Warner-Serien arbeitete, rief ihn plötzlich Mark Chiarello an. DCs Redakteur und Art Director war beim Ausmisten über Cookes alten Vorschlag für eine Batman-Geschichte gestolpert und erkundigte sich, ob der Kanadier noch Interesse daran hätte, seine Comic-Idee zu verwirklichen. Cooke sagte zu und entschied sich im Alter von 37 Jahren zu dem Schritt, seine vielversprechende Animationskarriere zu beenden und ganz auf Comics zu setzen.

Im Sommer 2000 erschien „Batman: Ego“ als eigenständiger Comic-One-Shot, den Cooke schrieb und zeichnete – eine äußerst unübliche Arbeitsnichtverteilung bei den US-Superheldenverlagen. „Ego“ war für einen vermeintlichen Comic-Newcomer, der vor 15 Jahren bloß eine Handvoll Seiten veröffentlicht hatte, ein Prestige-Projekt. In der über 60-seitigen Story trieb Cooke Bruce Wayne über dessen psychische Belastungsgrenze hinaus und lässt ihn an seinen Kreuzzug zweifeln – woraufhin Bruce es mit seinem anderen, düsteren Ich Batman zu tun bekommt. Eine ungewöhnliche Auslegung der Batman-Legende. Cookes Version von Gotham City ist dabei so retrofuturistisch wie in der Bat-Trickserie und sieht Zeppeline über monumentaler amerikanischer Großstadtarchitektur schweben. Cooke etablierte hier sofort seinen von Jack Kirby, Alex Toth und Bruce Timm beeinflussten Zeichenstil.

 

In den Klauen von Catwoman

Es folgten mehrere kurze Comic-Beiträge, darunter ein Einseiter mit „Kick-Ass-„-Autor Mark Millar zur „Superman“-Trickserie, eine von SF-Vielschreiber Dan Abnett verfasste Story über die überbevölkerte Zukunft der „Legion of Super-Heroes“, eine von Paul Grist geschriebene schwarz-weiße Batman-Kurzgeschichte und ein One-Pager anlässlich der Anschläge von 11. September 2001.

Vor allem aber tat sich Cooke mit Autor Ed Brubaker zusammen, um Catwoman Selina Kyle neu zu definieren. Catwoman, die 1940 im selben „Batman“-Heft wie der Joker ihren Einstand gegeben hatte, war 1989 erstmals als Titelheldin in Erscheinung getreten und sollte in den frühen 2000ern eine neue Soloserie kriegen.

Brubaker, der für Marvel später den Winter Soldier erschaffen sollte und viele eigene superbe Crime-Comics vorlegte, ist ein ebensolcher Pulp-Krimi-Fan wie Cooke einer war; Donald Westlakes Berufsverbrecher Parker, etwa in der Verfilmung „Point Blank“ von Lee Marvin gespielt, hatte es beiden besonders angetan. Entsprechend fiel ihre kriminell gute Noir-Neuinterpretation der schönen Diebin Selina Kyle aus, die sie zur kurzhaarigen Antiheldin machten und mit dem alternden Detektiv Slam Bradley zusammentaten. Cookes schnittiges Kostüm-Neudesign samt Schutzbrille hat Catwomans Look in den Comics bis heute geprägt. Cookes und Brubakers Revamp begann 2001 als Shortstory-Serial in der Batman-Traditionsserie „Detective Comics“ und setzte sich in den ersten Heften der „Catwoman“-Serie fort. Außerdem realisierte Cooke als Autor und Zeichner noch die 2002 veröffentlichte Graphic Novel „Catwoman: Selina’s Big Score“, die noch mehr als Westlake/Parker-Hommage gewertet werden muss – und dabei komplett überzeugt.

 

Marvel-Intermezzo

Anschließend setzte Cooke einige launige Geschichten bei Marvel um. Für die Reihe „Marvel Double Shot“ entstand 2002 eine von Sean McKeever geschriebene Story mit Ant-Man Scott Lang und dessen Tochter Cassie. Außerdem legte Cooke 2002 und 2003 eine Valentinstag- sowie eine Weihnachts-Ausgabe in der ambitionierten Reihe „Spider-Man’s Tangled Web“ vor, zu deren Konzept Highlights abseits der inhaltlichen, erzählerischen oder zeichnerischen Norm gehörten. Mehr Netzschwinger-Storys von Cooke, der Romita-Allüren mit Cartoon-Fun verband? Niemand hätte etwas dagegen gehabt.

Es blieb bei drei Gastbeiträgen zu Autor Peter Milligans und Zeichner Mike Allreds revolutionär frischer und bunter „X-Force“-Neuausrichtung „X-Statix“. Cooke und Milligan konzentrierten sich in ihrem schrägen Spaß auf Wolverine und den unberechenbaren grünen Blob Doop. Danach kehrte der Kanadier (Cooke, nicht Wolverine) von Marvel zur Konkurrenz zurück. Bei DC wartete immerhin eines der größten und wichtigsten Comic-Unterfangen seiner Karriere auf ihn.

 

Heldenhaft viel Nostalgie

In der sechsteiligen Miniserie „DC New Frontier“ setzte Cooke, diesmal wieder als Autor und Zeichner in Personalunion, der Vergangenheit des DC-Universums ein Denkmal. Mit seinem gewohnten Retro-Strich und extra-nostalgischem, wenngleich nie unmodernem Fokus gelang Cooke eine zeitlose Würdigung der DC-Historie und ihres großen Umbruchs zwischen dem ersten Golden Age und dem zweiten Silver Age des US-Comics – zwischen der alten Garde der 1930er und der nächsten Generation der 1950er. „DC New Frontier“ wurde eine nach dem Zweiten Weltkrieg angesiedelte Geschichte über Veränderungen in der realen Welt genauso wie in der bunten Welt der Comics.


„DC New Frontier“. © DC Comics

Ein großer, wunderschöner Mosaik-Comic mit den originalen Losers-Kriegshelden auf der Dinosaurier-Insel, dem verborgen unter den Menschen lebenden Martian Manhunter vom Mars, den Reportern Lois Lane und Jimmy Olsen, gnadenlosen Regierungsagenten der paranoiden McCarthy-Ära, und kostümierten Superhelden wie Wonder Woman, Batman, Green Lantern, Superman und Flash. Doch selbst die Challengers of the Unknown, John Henry Irons und Task Force X haben ihre Auftritte. Am Ende müssen sich alle gegen eine gewaltige Bedrohung nicht von dieser Welt zusammenraufen …

„DC New Frontier“ ist ein echter Lieblingscomic, den man alle paar Jahre aus dem Regal zieht und genüsslich wiederliest – sich wundert, was für Details man vergessen hat, sich am Artwork, den Dialogen und dem breiten Streifzug durch die DC-Vergangenheit erfreut. Für dieses Prunkstück in seinem Portfolio erhielt Cooke 2005 seinen ersten Eisner Award. 2008 machten Produzent Bruce Timm und sein Team aus der Comic-Serie einen Animationsfilm, was einen angesichts von Cooke Laufbahn an das Konzept des sich schließenden Kreises denken lässt. Der kanadische Künstler nahm die Verfilmung zum Anlass, um comic-technisch noch das „Justice League: DC New Frontier Special“ hinterherzuschieben, an dem ihn J. Bone sowie Dave Bullock unterstützten und worin die US-Regierung Superman auf Batman hetzt, bis Wonder Woman die beiden Recken auf Kurs bringt.


„DC New Frontier“. © DC Comics

Nachdem Mark Chiarello ihn in die Welt der Comics zurückgeholt hatte, ließ Chiarello es sich nicht nehmen, Cooke in einer Ausgabe der von ihm kurierten Anthologie-Reihe „Solo“ zu featuren. In deren Heften hatten die jeweiligen Künstler ziemlich freie Hand, konnten machen und sich präsentieren, was und wie sie wollten. Neben Tim Sale, Richard Corben, Howard Chaykin, Jordi Bernet und Sergio Aragnonés gehörte Darwyn Cooke 2005 zur künstlerischen Prominenz. Er setzte Batman, Slam Bradley und sogar Autobiografisches aus seiner Kindheit um, genoss die Freiheit spürbar und sichtlich, zeigte dabei seine ganze stilistische Bandbreite.

Bei Panini ist nach einem Sammelband mit „Batman: Ego“ und anderen DC-Storys von Cooke, die teils aus „Solo“ stammen, kürzlich übrigens eine deutschsprachige Neuausgabe von „DC New Frontier – Schöne, neue Welt“ in der großformatigen Absolute Edition im Schuber erschienen (an der ich, das zwecks Offenlegung, ebenso als Redakteur mitgewirkt habe wie an „Batman: Ego und andere Geschichten“ und „Before Watchmen“, was zu keinem Zeitpunkt der Antrieb für diesen Text war).

 

Spirit und Superman

2004 hielt für Darwyn Cooke eine kuriose Publikation bereit: Mit Marvel-Vater Stan Lee ging er die Story „Quarterback Superman“ für das Heft „DC Comics Presents: Superman“ an, die den zu Beginn desselben Jahres verschiedenen DC-Editor Julie Schwartz ehrte. Der hatte früher oft interessante Cover-Ideen umsetzen lassen, zu denen hinterher dann erst die Geschichten geschrieben und gezeichnet wurden. Diesem Prinzip entspross auch der Superman-Comic von Lee und Cooke, der auf Nick Cardys Titelbild zu „Superman #264“ von 1973 beruht. Neben seiner Reihe „Just Imagine …“ und einer Story zu „Detective Comics #600“ stellt dieses Heft eine von Lees wenigen DC-Arbeiten dar.

Für Tim Sale, einen weiteren Lieblingskünstler mit ähnlich einzigartigem Strich, textete Cooke als Autor zwischen 2006 und 2008 mehrere Hefte der Serie „Superman Confidential“ über die Vergangenheit des Mannes aus Stahl – man könnte von einer Art losem Sequel zu Jeph Loebs und Sales ewigem Meisterstück „Superman: For All Seasons“ alias „Superman: Ein Held fürs ganze Jahr“ sprechen.

Als Zeichner veredelte Cooke in diesem Abschnitt seiner Karriere zudem ausgewählte Storys über Wild-West-Antiheld Jonah Hex (von Justin Gray und Jimmy Palmiotti) und Green Lantern Hal Jordan (von Geoff Johns), die dank Cookes Stil allemal hervorstechen. Selbst zu Harvey Pekars langjähriger Comic-Reihe „American Splendor“ und zu James Robinsons spätem „Starman“-Nachschlag „The Shade“ trug er etwas bei. In diesem Artikel können und sollen nicht alle kürzeren Werke Cookes genannt werden, die der Kanadier dafür schätzte, stilistisch und technisch experimentieren zu können, und die deshalb besonders geeignet sind, sein Können und seine Vielseitigkeit zu veranschaulichen. DC hat die meisten dieser kürzeren Werke in „DC Comics: The Art of Darwyn Cooke“ zusammengetragen.

2007 schrieb Jeph Loeb das Crossover „Batman/Spirit“, das Cooke zeichnete und in dem Will Eisners einflussreicher maskierter Verbrechensbekämpfer und DCs Dunkler Ritter ein hübsches altmodisches Team-up-Abenteuer zwischen beiden Welten erlebten. Die Rechte für neue Storys mit dem Spirit lagen in jenen Tagen vorübergehend bei DC. Cooke führte den comic-historisch so bedeutsamen Nichtsuperhelden von Neuerer Will Eisner in einer neuen Heftserie ins 21. Jahrhundert. Der Kanadier drücke dem Spirit künstlerisch klar seinen Stempel auf und modernisierte ihn in Hardboiled-Geschichten voller Technik, Zynismus, Ironie und Düsternis (sogar mit Zombies und einem grell blauen Meteoriten nach Lovecraft), blieb trotz allem jedoch Eisners Figuren, Ton und Drang nach Innovation treu.

 

Kreativer Berufsverbrecher

Ab 2009 adaptierte Cooke mehrere „Parker“-Romane von Krimi-Könner Richard Stark alias Donald E. Westlake (1933–2008). Westlake schuf seinen Berufsverbrecher und Profiganoven Parker, der einem ganz eigenen Kodex der Effizienz folgt, in Cookes Geburtsjahr 1962 für eine phänomenal knackige Serie von zwei Dutzend Büchern. Cooke adaptierte einige davon in vier Graphic Novels und zwei Kurzgeschichten. Darin fing er Starks schnörkellose Gaunergeschichten, ihre schlanke Prosa und ihren taffen Protagonisten in reduzierten Panels und stimmungsvoller Zweifarben-Kolorierung bravourös ein. Toller Noir, toll erzählt, toll visualisiert. So wurde Parker mit fast 50 Jahren Abstand abermals von einem Medium ins andere transferiert, einer neuen Generation zugänglich gemacht. Da tat es auch nicht weiter weh, dass Cooke in der zweiten Adaption kurzzeitig mal etwas zu experimentierfreudig wurde. Seine Comics über Parker, der bei einem Coup absahnen oder sich rächen will und allgemein kein netter Typ ist, sind alles in allem zum Niederknien, wenn man etwas archaische, harte Krimis dieser Art mag.


„Parker: The Hunter“. © the Estate of Donald E. Westlake

Die ersten beiden Bände kamen auf Deutsch bei Eichborn heraus, Schreiber & Leser bescherte uns diesen April den ersten dicken Sammelband der Martini Edition: Etwas kleiner als das US-Original und ohne Schuber, dafür auf charmante Weise kompakt. Die Shortstorys und das umfangreiche, wahnsinnig informative und hübsche Zusatzmaterial sind neu, Band zwei würde für Deutschleser dann komplett neuen Stoff enthalten. US-Editor Scott Dunbier, Autor Ed Brubaker und Zeichner Sean Phillips arbeiten seit geraumer Zeit daran, Bonusmaterial für die posthume finale „Martini“-Edition mit Cookes verbliebenen zwei Parker-Comics zu kompilieren, darunter eine neue Brubker/Phillips-Story als Tribut an Cooke und Westlake.

 

Watchmen und Variantcover

2012 heiratete Cooke Marsha Stagg in Las Vegas, die beiden lebten in Florida. Darüber hinaus ließ DC verschiedene Kreative Prequels zu Alan Moores und Dave Gibbons allgegenwärtigem Comic-Meisterwerk „Watchmen“ inszenieren. Cooke stand als Autor und Zeichner bereit, um in „Minutemen“ die Geschichte des ersten Superhelden-Teams des Watchmen-Universums auszuschmücken. Obendrein widmeten sich Autor Cooke und Zeichnerin Amanda Conner in „Silk Spectre“ der weiblichen Hauptfigur des Übercomics von 1986/1987. Im Schatten des „Before Watchmen“-Unterfangens, das sicher nicht wegen Cookes guten Beiträgen eher kritisch betrachtet wurde, fertigte er parallel drei Kurzgeschichten für die Anthologie-Reihe „Creator-Owned Heroes“ bei Image an.

2013 heirateten Amanda Conner und Cookes guter Freund Jimmy Palmiotti, was sie und Cooke 2014 in einem Einseiter für die neue Soloserie von Harley Quinn aufgriffen, wo Harley und Catwoman die Hochzeit des Paares auf einer Yacht sprengen. Daneben zelebrierten Cooke und Timm mit einem „Batman Beyond“-Kurzfilm das 75-jährige Jubiläum des Mitternachtsdetektivs. Das Ende jenes Jahres versüßten überdies fast zwei Dutzend DC-Variantcover von Cooke, der ohnehin viele Titelbilder schuf: In diesem Fall prächtige, breitwandige Motive, die Bats, Supes, Wonder Woman, Batgirl und selbst He-Man und Skeletor zeigen. Bis heute erinnert man sich gern an das Superman-Variant mit der Hausmeisterkammer, in der Clark Kent zum Stählernen wird; oder an das Titelbild, auf dem Alfred seinen im Sessel weggedämmerten Master Bruce im Wohnzimmer von Wayne Manor zudeckt.

Cookes letzte Arbeit war 2015 und 2016 eine Kollaboration mit Autor Gilbert Hernandez („Love and Rockets“): „The Twilight Children“ gehörte zu einer der letzten Offensiven des mittlerweile ausgemusterten Vertigo-Imprints und bot eine eher konventionelle Mystery-Geschichte zwischen Science-Fiction und südamerikanischem magischen Realismus, die vorrangig von Cookes schönen Bildern lebte.


„Detective Comics“, Variant-Cover. © DC Comics

 

unvollendet, unverkennbar, unvergessen

Der Image-Verlag kündigte 2015 voller Vorfreude den Titel „Revengeance!“ an, der Cookes erstes Creator-Owned-Projekt hätte werden sollen, das ihm abseits der Franchise-Imperien volle kreative und wirtschaftliche Kontrolle über einen seiner Comics beschert hätte. Die dunkle Krimi-Komödie in der Tradition von Mickey Spillanes Roman „Ich, der Richter“ sollte jedoch nie das Licht der Welt erblicken. Darwyn Cooke erlag am 14. Mai 2016 im Alter von 53 Jahren einer aggressiven Form von Lungenkrebs.

Dieser unvollendete Comic macht einen solchen Ausnahmekünstler, der das Medium zwei Jahrzehnte mit seinen unverkennbaren Arbeiten bereicherte, natürlich lange nicht zu einem unvollendeten Künstler, was auch immer man darunter verstehen mag. Dennoch bereitet einem der Gedanke Kummer, was für Panel-Werke Cooke uns und der Welt des grafischen Erzählens noch geschenkt hätte, wäre ihm mehr Zeit beschieden gewesen.

Fans und Kollegen werden den modernen Retro-Meister des Comics so oder so immer in Ehren halten – und vermissen ihn schmerzlich. Wieso, das zeigen nicht zuletzt die aktuellen Luxusausgaben seiner Werke auf dem deutschsprachigen Markt.

Große Abb. ganz oben: „DC New Frontier“, © DC Comics.

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