1. April 2020 3 Likes

Klein, aber oho

Vier Comics, in denen die Kleinsten die Größten sind

Lesezeit: 5 min.

Woche zwei des Kontaktverbots steht an. Wieder eine Woche, in denen Eltern den Spagat zwischen Home Office und Schularbeiten meistern müssen, wieder eine Woche, in der sich viele Kinder langweilen. Für Abwechslung sorgen bunte Bildergeschichten, die nicht nur die Herzen der Jüngsten im Sturm erobern.

 

Außerirdischer mit Haustier

Seit 2011 sind die Abenteuer des kleinen Außerirdischen Q-R-T fester Bestandteil des Kindermagazins „Dein SPIEGEL“. Die vom „Deutschen Cartoonpreis“-Träger Ferdinand Lutz gezeichneten Geschichten befassen sich mit dem alltäglichen, sehr skurrilem Leben der Menschen und ihren ebenso schrulligen Angewohnheiten. Bei Reprodukt erscheinen die Abenteuer seit 2015 in Sammelbänden. Den Anfang macht „Q-R-T. Der neue Nachbar“. Q-R-T (alias „Kurt“) stammt vom Planeten RZZZ, dessen Bewohner ein Leben lang Kind bleiben. Im Rahmen einer extraterrestrischen Beobachtung fällt dem Jungen und seinem wandlungsfähigen Haustier Flummi die Aufgabe zu, die Erdlinge zu observieren. Dabei wundert er sich nicht nur über so seltsame Dinge wie Geld, Weihnachtsgeschenke ohne Inhalt, Kunst in Museen oder die Regeln des irdischen Fußballspiels. Obwohl er inkognito bleiben soll, finden Nachbarskinder wie die aufgeweckte Lara schnell heraus, dass Q-R-T nicht von dieser Welt ist. Wenige Striche und Farben benötigt der 1987 geborene Comiczeichner, Szenarist und Trickfilmer Lutz, um unsere vertraut verrückte Welt darzustellen. Im zweiten Band des „Käpt’n Blaubär“ Comiczeichners dreht sich (fast) alles um Flummi. Das Haustier wider Willen kann beliebig seine Form wechseln und sich so ideal an seine Umgebung anpassen. Doch bei seinen Bemühungen, alles richtig zu machen, macht er alles falsch. Als ihm auch noch Hausverbot droht, verzweifelt Flummi beinahe. „Q-R-T“ überzeugt durch kindgerechten Humor, der auch Erwachsene zum Schmunzeln bringt. In den Szenen, in denen die Menschenkinder mit ihren Problemen kämpfen, zeigt Lutz ein enormes Feingefühl für seine Figuren. Egal wie peinlich oder ärgerlich die Situation für die Kleinen auch sein mag, gibt er ihnen doch eine einfache Botschaft: Sei fröhlich!

Übrigens: Band drei von „Q-R-T“ ist für dieses Frühjahr geplant. Geister-Fans sollten einen Blick in Lutz‘ andere Comicreihe, „Rosa und Louis“, wagen – und der Kindercomicanthologie „Polle“ eine Chance geben.

Ferdinand Lutz: Q-R-T • Reprodukt, Berlin 2015 - 2016• je 112 bis 136 Seiten • 18,00 € bis 20,00 € • Empfohlen ab 6 Jahren

 

Walscheiße im Vakuum

Mit „Weltraumkrümel“ betritt der Eisner-, Harvey- und Ignatz-Gewinner Craig Thompson doppeltes Neuland. „Weltraumkrümel“ ist nicht nur sein erster All Ager, sondern auch die erste farbenfroh kolorierte Graphic Novel. Die opulente Kolorierung steuert kein geringerer als der ebenfalls preisgekrönte Künstler Dave Stewart bei (»The Goon«, »Hellboy«). Die Geschichte handelt von der jungen Violet, die sich mit ihren beiden Freunden Elliot (ein Hühnchen) und Zacchäus (ein zu klein geratener Lumpkin) auf die Suche nach ihrem Vater macht. Eigentlich wohnt das fröhliche Mädchen mit seinen Eltern im Weltraumäquivalent einer Wohnwagensiedlung. Papa Gar räumt Weltraumschrott weg, Mutter Cera arbeitet als Schneiderin für den extravaganten Modeschöpfer Adam Arnold, der zugleich Elliots Ersatzvater ist. Als riesige, gefräßige Wale zuerst Violets Schule und später ihre Siedlung verspeisen, gerät nicht nur ihre kleine Welt ins Wanken. Auch der Rest der Galaxie befürchtet aufgrund der Walausscheidungen eine Umweltkatastrophe, die Tausende zu Heimatlosen machen würde. Als ihr Vater bei einer selbstmörderischen Aktion verschwindet, türmen Violet und ihre Freunde aus der gut bewachten Station „Shell-Tara“ und machen sich auf die Suche nach Gar. Denn manchmal braucht es eben Kinder, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Thompsons kindgerechtes Meisterwerk ist ein unterhaltsamer, lustiger, abgedrehter Weltraumspaß voller kauziger und liebenswerter Figuren. Dabei ist er auch sozialkritisch und nahe an der Realität. So zieht Thompson Parallelen zum amerikanischen Traum, der für viele längst ausgeträumt ist, und zum Umweltschutz. Und nach 320 Seiten wissen nicht nur seine Helden, dass Freundschaft und Vertrauen die Grundlage bilden, um das Richtige zu tun. Ein großer Spaß!

Craig Thompson: Weltraumkrümel • Aus dem Englischen von Matthias Wieland • Reprodukt, Berlin 2015 • 320 Seiten • 29,00 € • Empfohlen ab 10 Jahren

 

Abenteuer mit Dingsda

Comickünstler Émile Bravo ist in jüngster Zeit vor allem als „Spirou“-Zeichner in Erscheinung getreten. Dies kommt seinem Wunsch entgegen, mit seinen Geschichten auch Kinder zu begeistern. Wie gut ihm das gelingt zeigt seine sechsbändige Comicreihe „Pauls fantastische Abenteuer“. In ihr konfrontiert Bravo seinen jungen Titelhelden mit all dem, was die Science Fiction- und Abenteuerliteratur so unterhaltsam macht. So auch im Auftaktband „Sprung in die Zukunft“. Hier geht der Traum vieler Kinder in Erfüllung, die dem Leben mit dem nervenden Geschwisterchen entfliehen möchte. Paul und Janet wurden auserwählt, ein neues Raumschiff zu testen. Gemeinsam mit erwachsenen Wissenschaftlern befinden sie sich auf den Weg nach Alpha Centauri. Was Paul nicht weiß: Während im All nur acht Wochen vergehen, ziehen auf der Erde acht Jahre ins Land. Aus seinem kleinen, nervenden Bruder ist bei seiner Rückkehr längst ein ätzender Teenager geworden. Doch die Reise gestaltet sich schwierig und das Klima an Bord leidet darunter. Was Paul die Situation versüßt, ist sein Meerschweinchen Dingsda, das er heimlich aufs Schiff geschmuggelt hat. Die Lage an Bord spitzt sich jedoch zu, als der Nager für Ärger sorgt und der Erstkontakt mit Außerirdischen ansteht. In „Pauls fantastische Abenteuer“ bereitet der Franzose Bravo wissenschaftliche Themen kindgerecht auf: Weltraumflüge, die Relativitätstheorie, das Klonen von Menschen und die Gefahr von Atommüll werden auf anschauliche Art thematisiert, ohne dabei den moralischen Zeigefinger zu heben. Genau die richtigen Comics, um mit Kindern die Grenzen der Wissenschaft auszuloten.

Émile Bravo: Pauls fantastische Abenteuer • Aus dem Französischen von Ulrich Pröfrock • Carlsen, Hamburg 2014 - 2016 • je 56 bis 80 Seiten • 9,99 € bis 12,99 € • Empfohlen ab 9 Jahren

 


© Disney

Alternative Entengeschichte

Eine Comicliste ohne Enten und Mäuse? Geht gar nicht! Phantomias hat die technischen Gadgets, Micky geht auf Zeitreise und Dagobert? Auch der war mal jung und schrieb schon früh seine eigene Historie. Die erinnert übrigens das ein oder andere Mal an die reale Weltgeschichte. In seiner kongenialen Comicbiografie „Sein Leben, seine Milliarden“ verneigt sich Don Rosa tief vor Entenvater Carl Barks und erschafft zugleich ein Kleinod der Alternativweltgeschichte. Auf 496 Seiten beleuchtet der Amerikaner den Aufstieg Dagoberts vom Galsgow-Kid zum Fantastilliardär. Seine Reise führt den jungen Dagobert und seine Schwestern vom schottischen Hochmoor Mitte des 19. Jahrhunderts über den Klondike ins Entenhausen der 1950er Jahre. Rückblickend erklärt der alte Herr seinen Neffen wie er die reichste Ente der Welt wurde. Die Geister der Ahnen, wilde Tiere und grimmige Goldschürfer gehören zu den temporären Weggefährten des Enterichs. Don Rosas feiner Strich ist dabei noch das i-Tüpfelchen auf seinem Opus Magnum. Wenn Sie und Ihre Kinder schon immer wissen wollten, wie Dagobert an seinen Glückszehner und an den allerersten Teddybär der Welt gekommen ist, müssen Sie diese wunderbar humorvolle Gesamtausgabe lesen. Sie werden es nicht bereuen, versprochen!

Don Rosa: Onkel Dagobert. Sein Leben, seine Milliarden: Die Biografie • Aus dem Englischen von Michael Nagula, Arne Voigtmann, Peter Daibenzeiher, Jano Rohleder • Egmont Comic Collection, Berlin 2011 • 496 Seiten • 29,95 € (zur Zeit verlagsvergriffen) • Empfohlen für alle Disney-Fans

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