6. Oktober 2020

Das 8. Hard:Line Film Festival im Zeichen von Corona

Teils off-, teils online

Lesezeit: 6 min.

Wie so viele andere Festivals dieses Jahr hatte auch das Regensburger Hard:Line Festival mit dem Corona-Monster zu kämpfen. Das Resultat war eine Mischung aus Off- und Online-Veranstaltung. 50 Leute konnten ins Kino, der Rest musste versuchen vor dem Bildschirm irgendwie Festivalstimmung aufkommen zu lassen (wobei leider nicht alle Filme des Offline-Programs gestreamt wurden). Im Angebot standen wie üblich Produktionen aus aller Herren Länder, die von Horror über Science-Fiction bis hin zum Thriller die komplette Palette abdeckten, zudem gab es ein kleines musikalisches Rahmenprogramm.

 

Die für uns relevanten Filme:

 


„The Deep Ones“, Hardline 2020, © 2020 Crappy World Films

1. The Deep Ones (USA 2020)

Worum geht’s? Alex und Petri wollen mal abschalten. Zu viel ist passiert: Arbeit, Stress und ein verlorenes Kind haben den beiden ordentlich zugesetzt. Ein wunderschönes Ferienhaus mit Blick aufs Meer soll helfen wieder runterzukommen. Doch da wir uns in einem Horrorfilm befinden, wird schnell klar, dass die Umgebung etwas zu schön und die Nachbarn etwas zu nett sind. Konsequenterweise tauchen schon bald seltsame Gestalten auf und es passieren ausgesprochen merkwürdige Dinge – eine uralte und zutiefst böse Gestalt aus den Untiefen des Meeres hat es auf das Pärchen abgesehen …

Lohnt sich? Die nächste „inspired by Lovecraft“-Verfilmung (im Titelvorspann steht „H.P. Lovecraft’s The Deep Ones“, aber mittlerweile scheint man den Schriftsteller wohl gestrichen zu haben), bei der der Meister wohl dampfend vor Wut gegen die Leinwand gepinkelt hätte. Regisseur Chad Ferrin, zuvor unter anderem für die berühmt-berüchtigte Trash-Bude Troma tätig, schraubt hier verschiedene Bestandteile des Lovecraft-Universums zu einem preisgünstig fabrizierten Filmchen zusammen, das zu ernst für eine Komödie und zu albern für einen Horrorfilm ist (zum Beispiel lässt die Besetzung einer weiblichen Rolle mit einem Mann ungute Gefühle an Peter-Alexander-Klamotten der 1970er-Jahre hochkommen). Die bestenfalls mäßigen Darsteller und die Digitaloptik drücken die Nummer erst recht runter, man hat stellenweise den Eindruck man guckt eine Soap Opera, in der ein paar Mal was von „Dagon“ gelabert wird, Lovecraft-Bücher rumliegen und am Ende ein – zugegebenermaßen drolliger – Gummi-Cthulhu reinrauscht.

 


„Unearth“, Hardline 2020, © 2020 Unearth LLC

2. Unearth (USA 2020)

Worum geht’s? Und noch ein Film, in dem das Grauen von ganz unten kommt. Unter der Oberfläche einer Dorfgesellschaft brodelt es. Die Geschäfte der Farmer laufen schlecht, die Zukunftsaussichten sind finster. Für George ist klar: Er muss seine Familie schützen und einen Weg aus dem Dilemma finden. Als eines Tages eine Fracking-Firma an seiner Türe klingelt, liegt die Lösung auf den Tisch. Also wird schon bald gebaut, gebohrt und gepumpt. Aber in der Tiefe der Erdoberfläche lauert etwas, was mit den Vorgängen offenbar ganz und gar nicht einverstanden ist …

Lohnt sich? Klassische „Nature strikes back“-Story mit Body-Horror-Elementen (aus der Ferne winkt Don Siegels Sci-Fi-Klassiker „Die Dämonischen“), die natürlich im Corona-Zeitalter besonders eindringlich wirkt. Oder besser wirken könnte, denn auch hier gibt’s auf gewisse Weise ein Soap-Opera-Problem. Das Debüt des Ehepaars John C. Lyons und Dorota Swies ist um Längen besser gemacht und gespielt als Ferrins Film und erfreut zudem durch eine höchst effektive Soundkulisse, aber im Bemühen menschliches Drama mit Horror zu vermischen, überwiegt ersteres und das leider nicht auf durchweg überzeugende Weise, denn es wird etwas arg unentschlossen rumgeeiert. So schlenkert das Geschehen zeitweise zum Beispiel zu diversen Liebeleien, die aber in keinerlei Zusammenhang mit dem restlichen Geschehen stehen. Wenn dann der gut getrickste Horror schlussendlich losbricht, befindet sich das Geschehen bereits im Schlussakt und wird dann mit einem banalen Cliffhanger beendet. Schade. Da wäre wesentlich mehr drin gewesen.

 


„Koko di koko da“, Hardline 2020, © 2020 Stray Dogs

3. Koko-Di Koko-Da (Schweden, Dänemark 2019)

Worum geht’s? Die Ehe von Elin und Tobias ist nach dem Tod der Tochter ein Trümmerhaufen. Um zu retten, was zu retten ist, entschließt das Paar in den Campingurlaub zu fahren. Schlechte Idee. Gute Laune will nicht aufkommen, zudem werden die beiden von drei bizarren Gestalten angegriffen und malträtiert. Elin überlebt die Attacke nicht. Doch plötzlich fängt alles wieder von vorne an. Die Fahrt zum Zeltplatz, die Attacke, Elins Tod. Und es fängt wieder von vorne an … und wieder … und wieder …

Lohnt sich? Die Mischung aus „Und täglich grüßt das Murmeltier“, David Lynch und ein bisschen Torture Porn hat auf den Festivals bisher viel Zuspruch erhalten und ja, prinzipiell ein gut und sehr kunstvoll gemachter, sehenswerter Film mit dem ein oder anderen nachhallenden Moment. Mein Problem: Es ist aber eben auch ein Film, der seinen Anspruch mit Scherenschnittsequenzen und einer mit Symbolen garnierten Bildsprache breitbeinig vor sich herträgt, um am Ende dann klar zu machen, dass wir hier letztendlich nicht viel mehr als eine Paartherapie vor uns haben. „Koko-Di Koko-Da“ fühlt sich in gleichen Maßen überladen wie dünn an. Und das ist schade, denn grundsätzlich weiß Regisseur Johannes Nyholm, wie man sehr stimmungsvolle Szenen fabriziert, ein gradliniger Reißer wäre mir persönlich aber lieber gewesen.

 


„Sator“, Hardline 2020, © 2020 Yellow Veil Pictures

4. Sator (USA 2019)

Worum geht’s? Adam lebt in einer Hütte tief im Wald und verbringt den Tag damit, auf die Jagd zu gehen, auf Dosen zu schießen … und auf ein gestaltenloses Wesen mit Namen Sator zu warten. Seit Jahren terrorisiert Sator seine Familie. Manipuliert sie, treibt sie in den Wahnsinn. Adam will Sator näher kommen, will wissen, warum er da ist, warum es Tote in seiner Familie gab. Doch der Wald schweigt, bis eines Tages …

Lohnt sich? Ich muss ganz ehrlich zugeben, dass ich nicht so recht mitgekommen bin, da ich Jordan Grahams Horrorfilm nicht mehr ganz tauffrisch, spätnachts, quasi auf den letzten Drücker, gesehen habe und „Sator“ – gerade für einen modernen Horrorfilm – schon sehr zurückhaltend und ruhig, also nichts für Leute, die Mühe haben die Augendeckel oben zu halten, ist. Es war aber trotzdem gerade diese regelrecht minimalistische Herangehenweise, dieses selbstbewusste Vertrauen auf großartige, aber raue Naturbilder und einen dezent, gezielt eingesetzten Score, die mich mit ihrem geschickt erzeugte Gefühl von Isolation, Hilflosigkeit und unterschwelliger Gefahr selbst im Halbschlaf beeindruckt hat. In den letzten Minuten wird leider ein bisschen zu sehr visualisiert, aber ich würde jetzt schon – guck den natürlich noch mal – behaupten, dass das einer der wenigen Filme ist, der die berühmte Lovecraft-Atmosphäre, der in den letzten Jahrzehnten so viele Filmemacher vergeblich hinterher gejagt sind, zumindest in Teilen sehr gut einfängt.

 


„La última Navidad del Universo“, Hardline 2020, © 2020 Cinestesia

5. La ultima Navidad del Universo (Spanien 2020)

Worum geht’s? Der Weihnachtsmann kommt in einer post-apokalyptischen Welt an und hat ein Problem: Es gibt keine guten Kinder mehr, nur noch böse. Mörderische Überlebende mit kannibalistischen Neigungen. Was also tun? Alle fertig machen! Mit Hilfe des Spielzeugs, das er eigentlich verteilen wollte …

Lohnt sich? Natürlich gab es noch andere sehenswerte Kurzfilme, aber wenn die Macher von „Fist of Jesus“ (kurz: Jesus vs. Zombies; wer ihn noch nicht kennt, hier geht’s lang! Aber Achtung, nichts für allzu allzu empfindliche Gemüter!) am Start sind, ist natürlich klar, wo das Verkaufsargument des Kurzfilmblocks liegt. Und David Munoz und Adrian Cardona enttäuschen nicht. Allein der Anblick eines schmerbäuchigen Weihnachtsmanns im fleckigen Unterhemd, der breitbeinig in einem „Mad Max“-Setting einer Horde, in knalligen Punk-Outfits gehüllter, Rowdys gegenübersteht, ist pures Gold. In den folgenden 18 Minuten fackelt das Duo dann in etwa eine wilde Mischung aus „Sesamstraße“ und „Braindead“ ab. Feingeister werden entsetzt die Hände über den Kopf zusammenschlagen, und ich muss zugeben, dass ich für ein, zwei Momente auch dachte, dass es fast schon ein bisschen peinlich ist, dass man mich mit so einem pubertären Dauer-Gesplatter immer noch kriegt, die Sache ist aber eben: Die Länge macht’s. 18 Minuten sind für so eine Nummer ok. Das ist auf den Punkt und zudem, das muss man einfach zugeben, überaus kreativ (Details werden nicht verraten, muss man sehen) und in seiner Hemmungslosigkeit (vor keiner noch so beknackten Idee wird zurückgeschreckt) durchaus charmant.

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