15. Dezember 2015 4 Likes 2

Zurück zur Venus

Vor 45 Jahren landete die sowjetische Raumsonde Venera 7 auf dem zweiten Planeten unseres Sonnensystems

Lesezeit: 5 min.

Am 15. Dezember 1970 landete zum ersten Mal ein von Menschen gemachtes Objekt auf einem anderen Planeten: die sowjetische Raumsonde Venera 7 setzte auf der Oberfläche der Venus auf. Gut, „aufsetzen“ ist ein wenig übertrieben angesichts der Tatsache, dass Venera 7 beim Kontakt noch rund 65 Kilometer pro Stunde drauf hatte. Aber immerhin überstand die Sonde den Abstieg auf die Oberfläche und sendete dabei 23 Minuten lang Telemetriedaten, ehe sie für immer verstummte. Damit hatten die Sowjets, deren Weg zur Venus von etlichen Fehlschlägen gezeichnet war, endlich einen Erfolg vorzuweisen.

Der allererste Versuch, die Venus mit einer Sonde zu erreichen, war auch zugleich der allererste Versuch, eine Sonde vom Erdorbit aus zu starten – und scheiterte, was wiederum zur allerersten interplanetaren Vertuschungsaktion führte: Sputnik 7 sollte im Februar 1961 aus dem Erdorbit in Richtung Venus aufbrechen, doch die Zündung der vierten Raketenstufe schlug fehl, und Sputnik 7 blieb, wo sie war. Um eine Blamage vor dem Westen (dessen Medien spekulierten, dass die Sonde wie ihre Schwestersonde Venera 1 eine kleine Landekapsel an Bord hatte, die darauf ausgelegt sei, im vermuteten Venusozean zu wassern) zu vermeiden, gaben die Russen vor, dass es sich bei Sputnik 7 lediglich um einen Test für orbitale Startplattformen gehandelt habe und nicht um eine geplante Venusmission.

Keine zwei Wochen später startete dann Venera 1, die etwas mehr Erfolg hatte. Auf ihrem Weg zur Venus schickte sie Daten über den Sonnenwind und die kosmische Strahlung zur Erde und erbrachte so einen ersten Beweis dafür, dass die geladenen Sonnenteilchen auch im interplanetaren Raum vorkommen. Doch keine siebeneinhalb Millionen Kilometer vor dem Ziel verlor die sowjetische Raumfahrtagentur den Kontakt zu Venera 1, die am 19. Mai 1961 als erste Sonde am Schwesterplanet der Erde vorbeiflog, wenn auch stumm wie ein Fisch. Venera 2, die am 27. Februar 1966 in 24 000 Kilometern Abstand an der Venus vorbeiflog, erging es nicht besser: Der Kontakt zur Sonde brach kurz zuvor ab, weil sich die Sonde überhitzt hatte. Der nächste Versuch seitens der Sowjets, sich der Venus zu nähern, erfolgte mit Venera 3 kurz darauf. Nachdem die Russen zwei Vorbeiflüge, wenn auch keine erfolgreichen, auf ihrem Konto hatten, wollten sie natürlich endlich etwas auf die Venus stürzen lassen. Am 1. März 1966 schlug Venera 3 als erstes von Menschen gemachtes Objekt auf der Venusoberfläche ein – aber da einmal mehr die Funksysteme versagt hatten, schickte auch sie keine Daten zur Erde zurück. Eine Kapsel für Wasserlandungen hatte Venera 3 im Übrigen nicht im Gepäck, denn bereits 1962 übermittelte die amerikanische Sonde Mariner 2 Infrarotdaten von der Venusoberfläche und bestätigte, dass Venus alles andere als das tropische Paradies der Pulpromane ist, sondern eher ein heißes Super-Treibhaus.

Venera 7 schließlich war der dritte Versuch der sowjetischen Raumfahrtbehörde, eine Sonde auf der Venus landen zu lassen. Die Konstruktion wurde extra stabil gebaut, damit sie den hohen Druckverhältnissen standhalten konnte. Diesmal hatten die Russen Glück. Alle Instrumente arbeitete so, wie sie sollten – zumindest für 23 Minuten. Beim Abstieg durch die dichte Atmosphäre am 15. Dezember 1970 fuhren die Antennen wie geplant aus und schickten Daten zur Erde. Doch nach sechs Minuten riss der Fallschirm der Sonde, sodass Venera 7 die restlichen 29 Minuten der Abstiegsdauer nicht mehr ausreichend gebremst werden konnte. Sie kam also sehr viel unsanfter als geplant auf der Oberfläche auf und sendete dann nur noch eine Sekunde lang, ehe sie verstummte. Doch diese eine Sekunde sicherte Venera 7 ewigen Ruhm, denn sie war die erste Sonde, die Daten von der Oberfläche eines anderen Planeten übertrug. Ihre Sensoren registrierten eine Außentemperatur von 475° C, etwa 90 Atmosphären Druck und leichten Wind. Auch wenn nach Mariner 2 eigentlich keine Zweifel mehr daran bestanden hatten: Venera 7 bestätigte direkt vor Ort, dass die Venus eine heiße Höllenwelt ist.


Erste Bilder von der Venus: Aufnahmen der Sonden Venera 9 (oben) und 10 (unten) kurz nach der Landung 1975 

Der Höhepunkt der Erforschung der Venus durch Raumsonden kam dann in den folgenden Jahren mit den russischen Sonden Venera 8 bis 16 (bis 1984) und den beiden Vega-Landern. Alle erlitten dasselbe Schicksal: Nach durchschnittlich einer Stunde, in der Daten und Bilder übertragen wurden, siegten Temperatur und Druck und zerstörten die Sonden. Dennoch erfuhren wir in der kurzen Zeit so einiges über die etwa erdgroße Venus: Sie ist orange bis rostbraun. Die Temperatur liegt an der Oberfläche bei 470-485° C, der Druck entspricht dem von 90 Erdatmosphären. Die Wolkenschicht, die die Oberfläche vor neugierigen Blicken verbirgt, ist zwischen 30 und 40 Kilometer dick und endet 30 Kilometer über der Oberfläche. Diese Wolken bestehen unter anderem aus so lieblichen Substanzen wie Schwefel, Chlor, Kohlenmonoxid, Salzsäure Brom, Iod und Flusssäure (die wir auf Erden verwenden, um Quarz zu schmelzen). Die Venusoberfläche ist mit lockerem Regolith bedeckt (ähnlich wie die des Mars), außerdem fanden die Sonden flache, dünne Steine sowie Lava. Venera 14 nahm eine Bodenprobe und stellte fest, dass sie Tholeiit, einem dichten, dunklen Vulkanit, ähnelte. 1983 starteten die letzten beiden sowjetischen Venus-Sonden Venera 15 und 16, die die Aufgabe hatten, die Oberfläche mit Radar zu vermessen und Karten zu erstellen. Sie bestätigten erstmals das Vorhandensein von Vulkanen, die vermutlich in der geologischen Vergangenheit über einen sehr langen Zeitraum aktiv gewesen sind und so die dichte, kohlenstoffreiche Atmosphäre erzeugt haben. Die bislang letzte Venus-Mission der USA war der Magellan-Orbiter, der 1989 startete. Er erstellte eine topographische Karte der Venusoberfläche, aus der unter anderem hervorgeht, dass die Planetenoberfläche relativ jung sein muss, auch wenn es bisher keine Hinweise auf Plattentektonik gibt. Bis heute sind die zwanzig Jahre alten Bilder von Magellan die besten, die wir von der Venusoberfläche haben. 2014 endete die Mission der ESA-Sonde Venus Express, die sich in die tieferen Atmosphärenschichten stürzte, nachdem sie acht Jahre lang von einer Umlaufbahn aus die Atmosphäre genauer untersucht hatte.


Die rückläufig rotierende Venus, wie Magellan sie sah

Seitdem ist es still um die Venus geworden, und wir haben uns von unserem Schwesterplanet abgewandt. Die Bedingungen auf der Venus scheinen alles andere als ansprechend: die erdrückende, giftige Atmosphäre, die Temperaturen wie in einem Schmelzofen, die langen Venustagen (ein Tag auf der Venus dauert fast 117 Erdentage), die Tatsache, dass sie als einziger Planet im Sonnensystem rückläufig rotiert – alles eher beunruhigend und vielleicht etwas zu fremdartig für unseren Geschmack. Da erscheint uns sogar der kalte Mars, auf dem ein Beinahe-Vakuum herrscht, weniger feindselig als unsere heiße Schwester, die nicht einmal einen Mond hat. Doch diesen Mangel an Aufmerksamkeit hat die Venus nicht verdient. Würden wir mit unseren Teleskopen einen Planeten wie sie entdecken, nur 5% kleiner und 15% leichter als die Erde, wäre er sofort als der erdähnlichste Exoplanet berühmt. Diese Ehre kommt jedoch einem Planeten zu, der 1 400 Lichtjahre von unserer Sonne entfernt ist.

Nicht alle haben die Venus vergessen oder halten sie für ein wenig verlockendes Ziel. Die russische Weltraumagentur Roskosmos schlug bereits 2003 Venera D, eine Orbiter-Lander-Kombination, vor. Der erste Entwurf beinhaltete zudem eine Art Drachen, der in den Venuswinden segeln sollte, und zwei Wetterballone. Inzwischen hat man Venera D auf einen Lander, der drei Stunden durchhalten, und einen Orbiter, der dank besserer Radartechnik genauere Karten erstellen soll, abgespeckt. Durch immer neue Probleme, zuletzt der Verlust der Phobos-Grunt-Mission, verzögerte sich Venera D, die eigentlich bereits 2014 auf der Venus landen sollte, immer weiter. Derzeit spricht man von einem Start um das Jahr 2025 herum. Halte durch, Venus, wir kommen!

Titelbild: Magellans Aufnahme von der Nordhalbkugel der Venus/ NASA/JPL

Kommentare

Bild des Benutzers Sebastian Pirling

Wow, vielen Dank für diesen ausführlichen Überblick!

Bild des Benutzers Johann Seidl

Super interessant, vielen Dank, auch für das tolle Bild

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