12. April 2019

Unautorisiertes Brot

Cory Doctorows Novelle „Wie man einen Toaster überlistet“ im edlen Hardcover bei Heyne

Lesezeit: 3 min.

Angenommen, Sie kaufen sich ein neues Elektrogerät, ein Handy, einen Computer oder einen internetfähigen Toaster – wem gehört dieses Gerät dann? Ihnen? Sind Sie sich da sicher? Ihr Smartphone, Computer oder Toaster wird nämlich über kurz oder lang etwas tun, womit Sie nicht einverstanden sind; bei einem Update beispielsweise. Oder es ist von vornherein so programmiert, dass Sie gezwungen sind, bestimmte Marken, Apps oder Brotsorten zu verwenden, weil es mit anderen, vielleicht günstigeren Alternativen angeblich nicht funktioniert. (Versuchen Sie doch mal, einen anderen App-Shop auf Ihrem IPhone einzurichten!) „Das hat eine Reihe von Konsequenzen“, sagt Cory Doctorow dazu in unserem großen Interview, „und eine davon ist, dass wir bei diesen Dingen eigentlich gar nicht von Eigentum sprechen können. Eigentum ist nur etwas, das so arbeitet, wie Sie es wollen, selbst wenn das den Interessen der Firmen, die das Gerät gebaut haben, entgegensteht. Wenn nicht vollumfänglich beschrieben wird, wie etwas funktioniert, sodass Sie es in Ihrem Sinne rekonfigurieren können, ist es nicht Ihr Eigentum.“

Solange es nur um bestimmte Apps geht, mag man sich ja noch damit abfinden. Doch das „Internet of Things“ greift immer weiter um sich: Roboter, die beim Staubsaugen eine Karte der Wohnung erstellen; Autos, die nur Ersatzteile von bestimmten Herstellern akzeptieren; Kühlschränke, die nur bei diesem einen Supermarkt direkt bestellen. Und eben Toaster, die nur bestimmte Brot-Marken toasten. Als die Firma Boulangism pleitegeht, nimmt der Toaster der jungen Geflüchteten Salima nicht mal mehr das autorisierte Brot an – er toastet einfach gar nicht mehr. Dass der Geschirrspüler aus demselben Grund vor Wochen seinen Dienst eingestellt hat, konnte sie ja noch verkraften, aber wie soll sie sich jetzt ihr Frühstück zubereiten? Kurzentschlossen sucht sie sich Tutorials zusammen und hackt ihr Gerät. Und danach den Geschirrspüler. Und dann den ihrer Nachbarin, die dasselbe Problem hat. Und wo sie schon mal dabei ist, könnte sie doch auch gleich etwas gegen die Aufzüge in ihrem Gebäude tun, denn die befördern bevorzugt „normale“ Passagiere, sodass die Bewohner der Sozialwohnungen stundenlang darauf warten müssen, nach oben gebracht zu werden. Doch ganz so einfach, wie Salima sich das vorstellt, ist die Sache dann doch wieder nicht, denn den großen Firmen gefällt es keineswegs, dass sich findige Menschen mit ihren Geräten einfach das tun, was sie wollen …

Parallel zu dieser Geschichte erzählt Cory Doctorow in „Wie man einen Toaster überlistet“ (im Shop) noch eine zweite Geschichte, die mit Hacking, Software-Urheberrechten und Toast nur m Rande zu tun hat: Salimas Geschichte; die Geschichte einer Flucht. In kurzen Einschüben, in Halb- und Nebensätzen wird deutlich, wie sehr Salima durch den Hack des Toasters ein Stück Souveränität wiedergewinnt, das ihr als Jugendliche auf dem Weg in die USA in Lagern – pardon: Erstaufnahmeeinrichtungen – genommen wurde. An dieser Schilderung ist leider nichts zukünftig: wer sich einmal mit Geflüchteten, sei es hier oder in Amerika, unterhalten hat, hat sie mit geringfügigen Änderungen schon einmal gehört.

Migration, Internet of Things, Urheberrechte – gemeinsam ist all diesen Dingen, dass sie uns umgeben, unsere Leben beeinflussen, gesellschaftliche Relevanz aufweisen. Cory Doctorow verbindet sie in „Wie man einen Toaster überlistet“ zu einer grandiosen Geschichte, die mal zum Nachdenken, mal zum Lachen anregt. Das ultimative Buch für alle, die schon einmal auf „Ich akzeptiere“ geklickt haben, ohne die Nutzungsbedingungen wirklich zu lesen!

Cory Doctorow: Wie man einen Toaster überlistet • Novelle • Aus dem Amerikanischen von Jürgen Langowski • Wilhelm Heyne Verlag, München 2019 • Hardcover • 176 Seiten • € 12,00 • im Shop

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