27. Oktober 2014 1

Der Treibstoff des Terraformings

Pierce Browns Debütroman „Red Rising“

Lesezeit: 3 min.

Die Menschheit hat längst die Erde verlassen und damit begonnen, Monde und Planeten im Sonnensystem zu kolonisieren. Der sechzehnjährige Darrow ist ein Roter, ein Angehöriger der niedrigsten Kaste auf dem Mars. In tiefen, unterirdischen Minen baut er Helium-3 ab, das für das Terraforming benötigt wird. Zumindest behauptet das die allgegenwärtige Propaganda der Goldenen, der herrschenden Kaste – und Darrow ist überzeugt davon, dass es stimmt. Seine Anstrengungen, so glaubt er, dient einem höheren Ziel, von dem die gesamte Menschheit profitieren wird. Die Lebensmittel, die angeblich von der Erde geliefert werden, sind knapp, deswegen bekommen die Roten Familien, die das meiste Helium-3 fördern, die größeren Rationen. Die Rivalität zwischen den Unterdrückten wird durch den permanenten Wettstreit gefördert – an eine Verbrüderung untereinander, um die Goldenen zu bekämpfen und sich selbst das zu nehmen, was ihnen zusteht, ist in den heißen Minen und den schäbigen Dörfern nicht zu denken.

Doch genau diesen Traum träumte einst Darrows Vater und versuchte, dagegen zu protestieren. Deswegen wurde er gehängt, und dasselbe Schicksal ereilt nun auch Darrows Frau Eo. Eines Nachts zeigte sie Darrow einen verborgenen Schacht, der direkt in einen Garten der oberen Kasten führt. Doch die beiden werden entdeckt und grausam bestraft. Darrow, der glaubt, dass Revolutionen von vornherein zum Scheitern verurteilt sind, bekommt langsam einen Eindruck davon, dass auf dem Mars nichts so ist, wie es scheint. Nach Eos Tod schließt er sich einer Rebellengruppe an, um die Goldenen zu bekämpfen. Doch um sie vernichten zu können, muss er sie erst verstehen – und selbst zu einem Goldenen werden …

Pierce Brown hat mit seinem Erstling „Red Rising“ (im Shop), dem Auftakt zu einer Trilogie, auf Anhieb einen Bestseller gelandet und so ganz nebenbei die Messlatte in Sachen Dystopie ein ganzes Stück nach oben gesetzt: Die klassischen Ingredienzien – Aufstand der Schwachen gegen eine beinahe allmächtige Herrscherkaste, eine persönliche Rachegeschichte, erniedrigende Rituale, mit denen die Herrschenden die Sklaven klein halten und und und – sind vorhanden, werden von Brown aber so gekonnt eigesetzt und miteinander verwoben, dass keine Zeile abgekupfert erscheint. Browns Erzählstil wird gerne „cineastisch“ genannt, und das ist keinesfalls übertrieben: Vor allem die Figuren, selbst Nebencharaktere, werden von ihm detailreich und stark präsentiert – keine Figur bleibt farblos (ja, ja, ich zahl ein Fünferl in die Wortspielkasse!). Dazu kommen die großartigen Panoramen, die Brown uns hier vorlegt und die sich wirklich sehen lassen können, von den ultraheißen Helium-Minen bis hin zu den paradiesischen Gärten der Goldenen. Erfrischend ist vor allem das Fehlen der beinahe schon genretypischen Dreiecks-Beziehung zwischen Teenagern, was, zugegeben, für mich ein Hauptgrund war, zu „Red Rising“ zu greifen. Vor allem aber ist es Darrow selbst, der die Leser sofort für sich einnimmt: Von der ersten Zeile an ist dieser Held, der erst noch zu einem solchen werden muss, Sympathieträger Nummer 1.

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Pierce Brown: Red Rising • Roman • Aus dem Amerikanischen von Bernhard Kempen • Wilhelm Heyne Verlag, München 2014 • 559 Seiten • € 13,99 (im Shop)

Kommentare

Bild des Benutzers Johann Seidl

Ich glaubte, einen ausgewachsenen Marsroman zu kaufen, und im ersten Teil kamen da auch keine Zweifel auf. Tolle Charaktere, spannungsgeladene Locations und teils einzigartige sprachliche Bilder wie: "Auf dem Mars ist die Schwerkraft nicht sehr groß. Also muss man an den Füßen des Gehängten ziehen, um ihm das Genick zu brechen. Diese Aufgabe überlassen sie den Angehörigen". Aber ab dem zweiten Teil wird es - für mich leider - zur reinen YA fiction mit allen zugehörigen Ingredienzien. Am Schluss geht dann alles sehr schnell und der Held besiegt die Übermächtigen mit einem Fingerschnippen. Mein Resümee: Stark angefangen und stark nachgelassen.

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