11. Dezember 2016 3 Likes

Science-Fiction-Land … Irak?!

Hassan Blasims „Iraq + 100 – Stories from a Century after the Invasion“, die erste SF-Anthologie aus dem Irak

Lesezeit: 2 min.

Der Irak tauchte aus einer ganzen Reihe von Gründen bisher nicht auf der SF-Landkarte auf – bis jetzt. Hassan Blasim, 1973 in Bagdad geboren, studierte in seiner Heimatstadt Cinematic Arts. Nachdem er 1998 einen kritischen Dokumentarfilm über das Leben unter Saddam Hussein gedreht hatte, wurde es für ihn in seinem Heimatland zu gefährlich. Er verließ den Irak und kam als Flüchtling nach Europa. Erst 2004, nach mehreren Jahren illegalen Aufenthalts, ließ er sich in Finnland nieder und begann zu Schreiben. Jetzt gab er eine englischsprachige Anthologie heraus, in der er zehn Science-Fiction-Stories von irakischen Schriftstellern sammelte. Es ist die erste ihrer Art, und die Geschichten wurden eigens für die Sammlung geschrieben. Die Autoren leben teilweise im Irak, teilweise wie Blasim im Exil.

„Iraq + 100 – Stories from a Century after the Invasion“ befasst sich mit der Frage, wie der Irak im Jahr 2103, einhundert Jahre nach der Invasion durch die Amerikaner und die Briten, aussehen könnte. In seinem Vorwort schreibt Blasim, dass es nicht ganz einfach gewesen sei, die Autoren von der Idee zu überzeugen. Die Iraker, so Blasim, müssen seit 1914 ständig Kriege, Invasionen, Zwangsumsiedlung, Diktaturen, Folter und Zerstörung überleben – demzufolge seien die Schriftsteller damit beschäftigt, die Vergangenheit aufzuarbeiten, statt sich über die Zukunft Gedanken zu machen. Zudem sei der Irak ein Land, dessen Schulen, Universitäten und Museen immer wieder zerstört wurden, und ohne Science keine Science-Fiction.

Dementsprechend sind die Stories in „Iraq + 100“ auch nicht immer das, was der „westliche Leser“ von Science-Fiction erwartet. Einige davon lassen sich dem magischen Realismus zuordnen, wieder andere sind eher märchenhafte Allegorien. Die Autoren mussten eigene Ausdrucksweisen finden, um ihre Zukünfte in den Texten zu transportieren. Doch eines ist allen gemeinsam: sie öffnen eine Tür in eine Kultur, die den meisten von uns fremd ist. Und deswegen lohnt sich die Lektüre allemal!

Hassan Blasim (Hg.): Iraq + 100. Stories from a Century after the Invasion • Comma Press, 2016 • € 12,49 auf amazon.de 

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