Der Comic „Temple of Refuge“
Eine SF-Bildergeschichte über Migration – von Bruce Sterling und anderen
Im März 2016 kam der junge Kurde Sartep Namiq aus dem Irak nach Deutschland und hoffte auf eine bessere Zukunft. Zunächst wurde er jedoch ein Jahr lang in einer Flüchtlingsunterkunft im alten Flughafen Berlin Tempelhof untergebracht, zusammen mit fast 1.000 anderen. Namiq erfuhr allerdings auch vom Projekt Neue Auftraggeber, die Menschen und Mittel zusammenbringen, um mithilfe von Kunst etwas zu bewegen und zu verändern. Namiq konnte sich so etwa mit der amerikanischen Science-Fiction-Autorenlegende Bruce Sterling (im Shop), Drehbuchautor Matthias Zuber („Deutsche Seelen“) und Comic-Künstler Felix Mertikat („Steam Noir“) austauschen und einen Comic entwickeln. Gemeinsam verwirklichten sie Namiqs Idee, eine am Ende optimistische Science-Fiction-Geschichte über Flucht, Migration und Neuanfang zu inszenieren, die nur mit Bildern auskommt, sodass jeder sie ohne Sprachbarriere lesen kann und sie möglichst vielen Mut machen würde. So entstand „Temple of Refuge“, das man als Webcomic kostenlos online lesen kann. Außerdem hat Egmont ein 88 Seiten starkes, gedrucktes Hardcover-Album veröffentlicht, dessen Erlöse der Verlag an Sea-Watch spendet.
Hugo-Award-Gewinner und Genre-Ass Bruce Sterling verfasste mit William „Neuromancer“ Gibson einst z. B. den Roman „Die Differenzmaschine“ und gilt als Pionier und Godfather des Cyberpunk. Er entwickelte Tempelhof als futuristisch-dystopische urbane Kulisse mit Überwachungsdrohnen und anderem, um Sartep Namiqs Geschichte über das Aufbrechen, Ankommen, Hoffen, Bangen und Fürchten im Deutschland von Morgen zu verorten. Über ein Morgen, in dem sich wenig überraschend das Heute widerspiegelt, mit Fremdenhass und Gewalt, aber auch Mitgefühl und Menschlichkeit. Interessanterweise hat „Temple of Refuge“ sogar einen cyberpunkigen Plot-Twist zum Thema Transhumanismus in der Flüchtlingsstadt der Zukunft zu bieten. Szenarist Zuber und Zeichner Mertikat haben aus all diesen Einflüssen und Elementen eine wortlose Bildergeschichte gemacht, deren Sequenzen einen schönen Flow haben, während sich Story und Message zumeist gut allein anhand der Bilder interpretieren lassen.
Sartep Namiq, Bruce Sterling, Matthias Zuber, Felix Mertikat: Temple of Refuge • Egmont Comic Collection, Berlin 2021 • 88 Seiten • Hardcover: 10 Euro
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