19. August 2024

Hexenkinder, Höhlenforscher und Spice-Cowboys

Phantastik-Comic-Neuheiten im August

Lesezeit: 3 min.

Émile Bravos Qualität liegt in seiner Unberechenbarkeit, ein Hexenmädchen von Magalil Le Huche und Marie Desplechin wird langsam erwachsen, und die „Dune“-Trilogie nach dem SF-Roman von Frank Herbert ist nun abgeschlossen.

 

Magalil Le Huche, Marie Desplechin: Hexenkram Band 3

Eine Serie aus der Kindercomic-Segment des Reprodukt Verlags: Grüna ist eine elfjährige Hexe wider Willen. Sie lebt in einem französischen Städtchen, geht zur Schule und fängt langsam an, sicher eher für Jungs zu interessieren, anstatt sich auf ihre erwachenden Kräfte zu konzentrieren, wie es sich ihre aus Überzeugung alleinstehende Mutter wünscht. Grünas Großmutter entpuppt sich als didaktisch gewieftere Lehrmeisterin, weswegen ihre Enkelin auch langsam die schönen Seiten der übersinnlichen Fähigkeiten zu schätzen lernt. Im luftig-schwungvollen Stil, mit viel Wortwitz und einem ausgesprochen sympathischen Figurenensemble, das mit jedem Band behutsam erweitert wird, entwickeln Zeichnerin Magalil Le Huche und Autorin Marie Desplechin eine gutgelaunte Coming-of-Age-Geschichte, die zwischen den Nöten des Erwachsenwerdens genügend Raum für Situationskomik und Zauberfirlefanz lässt, sodass die simplifizierende Konstruktion mancher Konflikte für ein erwachsenes Publikum nicht weiter ins Gewicht fallen wird.

Magalil Le Huche, Marie Desplechin: Hexenkram Band 3: Malve • Reprodukt, Berlin 2024 • 104 Seiten • Hardcover • € 20,00

 

Émile Bravo: Julius‘ fantastische Abenteuer Band 3

Émiles Bravos Jugendcomic-Serie um den kleinen Julius, den es in jedem Band in ein neues Abenteuer mit fantastischen Anleihen verschlägt, gehört weiterhin zum Besten, was dieser Sektor derzeit zu bieten hat. Das liegt an Bravos enormer Fabulierfreude, seiner Chuzpe, auch die disparatesten Genre-Elemente zusammenzuführen (und es funktioniert!), seinem Hang zum gehobenen Nonsens und dem damit verbundenen Talent, sein junges Publikum auch manchmal mit Gags herauszufordern, die so unvermittelt über die Stränge schlagen, dass sie gewiss niemals die Lesekompass-Weihe erhalten werden. Anders gesagt: Hier passiert etwas, das seine Qualitäten aus anderen Quellen als denen der Pädagogik schöpft, wo man den Comic heute nicht mehr verteufelt, sondern als Vermittlungsinstrument entdeckt hat. Hier setzt man auf Themen, dagegen punktet Bravo stets mit erzählerischer Unberechenbarkeit, einst ein wichtiger Pfeiler jeder guten Story. Dieser Band dreht sich um eine Höhlenexpedition, und wie bei allen anderen Episoden der sechsteiligen Reihe wird niemand bei der Erstlektüre ahnen, wohin das warum führt.

Émile Bravo: Julius‘ fantastische Abenteuer Band 3: Beinah begraben • Reprodukt, Berlin 2024 • 56 Seiten • Hardcover • € 18,00

 

Brian Herbert, Raul Allen u. a.: Dune Band 3

Hand aufs Herz: Frank Herberts „Dune“-Romane (im Shop) sind gewiss keine stilistischen Meisterwerke. Aber trotz Fixierung auf Deskription und Mystik gelingt es ihm, politische, kolonialismuskritische und theologische Apekte in eine glaubwürdig geschilderte SF-Welt zu transponieren. Die vorliegende, US-amerikanische Comicadaption ist von ähnlichem Pragmatismus beseelt: Die Vorlage wurde auf die zentralen Plotelemente entkernt, auf interpretatorische Eigenleistungen verzichtet, und die Zeichnungen gehen genau so weit ins Detail, wie es für einen störungsfreien Lesefluss eben nötig ist. Eine nüchterne, nun abgeschlossene Aufbereitung des Stoffes, die sich nicht mit dem Pomp der aktuellen Kinofilme vergleichen lässt, eher mit dem Ende eines passablen Arztbesuchs: Die Schmerzen sind gelindert, für Sympathie ist keine Zeit, und geht’s wieder los, versucht man’s lieber mit einer Zweitmeinung. In diesem Fall empfehlen sich die Spin-offs „Haus Atreides“, „Haus Corrino“, „Geschichten aus Arrakeen“ und „Die Wasser des Kanly“ – aber aus derselben Praxis.

Brian Herbert, Kevin J. Anderson, Raul Allen, Patricia Martin: Dune Band 3: Der Prophet • Splitter Verlag, Bielefeld 2024 • 200 Seiten • Hardcover • € 35,00

 

Herik Hanna, Redec: Das Reich ohne Namen Band 1

Mit den bereits vorgestellten „5 Reichen“ befindet sich eine komplexe, französische Fantasy-Serie im Splitter-Programm, deren anthropomorhisierte Protagonisten einem Game-of-Thrones-Gedächtnisränkespiel unter rivalisierenden Königshäusern ausgesetzt sind, dass es nur so eine Art hat. Die nun startende Trilogie „Das Reich ohne Namen“ mag sich hie und da stärker an Shakespeare orientieren und in puncto Umfang den ewigen struggle um Macht und Herrschaft zweckorientierter ausformulieren, adaptiert aber das gleiche Konzept des mutigeren Vorbilds. Offensichtlich soll der aseptische Disney-Look an der Drastik des Settings gebrochen werden, auf die sich der Plot aber nie ganz einlassen will.

Herik Hanna, Redec: Das Reich ohne Namen Band 1 • Splitter Verlag, Bielefeld 2024 • 64 Seiten • Hardcover • € 18,00

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.