1. April 2020 3 Likes

Jäger oder Beute?

Angespielt: Der Multiplayer-Shooter „Predator: Hunting Grounds“

Lesezeit: 5 min.

Dichtes Dschungelgestrüpp, schlammige Pfützen und jede Menge bestens ausgerüsteter Paramilitärs, die mit hoch sensiblen Abzugsfingern ihren kriminellen Geschäften nachgehen. Was schon bis hierin nach genug Action für ein ganzes Spiel klingt, bildet nur das Präludium für den eigentlichen Schrecken des jüngsten Werks des US-Studios Illfonic. Denn während wir uns zusammen mit maximal drei anderen Mitstreitern als Teile einer US-Spezialeinheit auf den Weg machen, um uns mit besagten Paramilitärs Blei um die Ohren zu jagen, lauert in den Bäumen ein weit gefährlicherer Feind darauf, sich unseren Skalp über den Kamin zu hängen.

Spätestens wenn sich der ikonische rote Ziellaser plötzlich auf dem Boden abzeichnet oder wir eine blitzschnell auf uns zu huschende Gestalt in Ganzkörpertarnung gerade noch erspähen, ist unser Leben meist schon verwirkt – einige Klingenhiebe reichen und wir sind das nächste Opfer des Predators, über dessen Jagdpassion gerade Filmfans schon seit Jahrzehnten in diversen Reihen, Crossovern und Reboots bestens Bescheid wissen.

Mit Predator: Hunting Grounds schickt Illfonic (passend zu ihrer Adaption zum Horrorklassiker Friday the 13th von 2017) bereits am 24. April für PS4 und PC für rund 45 Euro einen Shooter ins Rennen, der sich mit seiner Ausrichtung als asymmetrischer Multiplayer klar von den üblichen Shootermarken wie Call of Duty und Co. absetzt. Das heißt, dass die Macher komplett auf Solo- und Storyinhalte verzichten und wir auch nicht in typischer Battle Royale-Manier eines Fortnite allein gegen zig andere Gegner ums Überleben kämpfen. Wie die Bezeichnung asymmetrisch schon andeutet, geht es stattdessen darum, dass wir wahlweise als Soldatenteam losziehen oder uns als einzelner Predator auf die Pirsch begeben.

Wir kämpfen also wie bei vergleichbaren Titeln wie dem kommerziell gescheiterten Evolve oder dem als Dreingabe zum Remake von Resident Evil 3 erscheinenden Resident Evil: Resistance nicht auf Augenhöhe, sondern müssen ungleiche Kräfteverhältnisse wie in diesem Fall zwischen Soldaten und dem besser bewaffnetem Predator durch Teamwork und Geschick ausgleichen. Mehrere Maps sollen dabei mit variablen Einstiegspunkten und Missionszielen Abwechslung garantieren. Allerdings bleibt Hunting Grounds mit einer Verbeugung speziell für dem ersten Film dem Dschungel- und Soldatensetting treu und spricht beim Design vorwiegend Fans klassischer Actionfilme an.

Über entsprechende Server, die von uns eine permanente Online-Connection einfordern, werden wir mit anderen Spielern (auch zwischen PC und PS4 plattformübergreifend) automatisch verbunden, wobei uns im Falle der Soldaten verschiedene Klassen mit unterschiedlicher Ausrüstung vom Sniper bis zur verbesserten Panzerung und verstärkt freispielbaren weiteren Waffen oder Modifikationen zur Verfügung stehen. Alles nicht neu, aber solider Standard für Genrekenner.

Als (wesentlich beeindruckenderer) Predator verfügen wir hingegen bei ebenfalls vorhandenen Klassen wie agiler Scout oder brachialer Berserker über alles, was man aus den Filmen kennt. Ob die bereits angesprochene Schulterkanone oder den Bogen aus der Ferne, die Wristblade für den Nahkampf oder die geschmeidige Smart Disc – Fans des Monsters geht bei der Auswahl sicher sofort das Herz auf. Da dürfen auch der obligatorische Tarnmodus oder die Wärmesicht nicht fehlen, obgleich es dieses Package natürlich jedem Fan schwer macht, sich nicht immer nur für den Predator anstatt auch mal für die Soldaten zu entscheiden.

Da Hunting Grounds trotz längerer Ankündigung noch etwas zu stark unter dem Radar flog und sich die Macher üblicherweise ein konkretes Feedback aus der Community einholen wollten, war es unter bestimmten Voraussetzungen wie einer PS Plus-Mitgliedschaft am letzten Märzwochenende möglich, drei Tage lang eine Demo zu spielen. Wie im Vorfeld bereits mit Blick auf das Konzept des asymmetrischen Multiplayers vermutet, hinterlässt die Demo leider einen zwiespältigen Eindruck.

Zur Wahl stehen ein Tutorial, um sich vor allem mit den wirklich gut umgesetzten Fähigkeiten des Predators vertraut zu machen. Mit etwas Übung rennen wir von einem Baumwipfel zum nächsten, spähen Lager nach unseren Zielen aus und erledigen unsere Opfer mit gewaltigen Sprüngen und unter Einsatz unserer Klinge aus dem Hinterhalt oder sprinten mit unserer Tarnungen zwischen Häusern und Fahrzeugen umher, um die Soldaten zu verwirren und ihnen mittels Laser den Rest zu geben.

Ganz klar, es fühlt sich viel besser an, der Predator zu sein und den nicht nur optisch völlig austauschbaren Soldaten das Fell über die Ohren zu ziehen – fiese Cutscenes nach erfolgreichem Kill inklusive. Dabei wird das typische Problem asymmetrischer Ansätze erneut offensichtlich, denn der Predator wirkt in einigen Belangen wie der Tarnung zu stark für einen nicht bestens eingespieltes Team. Da sich im Falle der Demo keine trainierte Einheit bilden konnte, war man als Soldat letztlich eher Kanonenfutter für den Außerirdischen.

Aber auch weitere Mängel stießen neben der fehlenden Balance ins Auge. Während man mit dem Trupp die eigentlichen Missionsziele verfolgt und dazu mehrere Feldlager und andere Einrichtungen gegen feindliche KI-Soldaten stürmt, wirken die Gegner wie gut gepanzerte Pappkameraden. Eigentlich via Stealth abstellbare Alarmanlagen sind bei Sichtkontakt sofort ausgelöst und Feindesnachschub ploppt meist wie aus dem Nichts auf. Dazu agiert die KI sehr schlecht, sodass es nur darum geht, möglichst schnell aus einer Deckung heraus gegen die blind losballernden und sich überhaupt nicht schützenden KI-Wellen zu bestehen.

Ein umsichtiger Predator passt das Geschehen gerade in solchen Momenten ab, hält sich aus den KI-Gefechten heraus und macht aus uns einfach von hinten oder aus sicherer Ferne schnell Hackfleisch. So verpuffen die nur hingeklatscht wirkenden Missionen in ihrer Wirkung und hinterlassen den Eindruck bloßer Schießbudenkulisse. Trotz mehrerer Stunden Spielzeit und einiger freigespielter Waffen und Ausrüstungen, änderte sich nichts an diesem Spielgefühl und es gelang kaum, eine Session mit einer Flucht via Heli ganz nach Plan abzuschließen – von einer Eliminierung eines Predators ganz zu schweigen. Aber wie gesagt: Vielleicht wäre das mit eingespielten Teams ganz anders.

Zu diesem Eindruck gesellen sich recht lange Wartezeiten bei den Servern, bis eine Party zusammenkommt (kein gutes Zeichen für Spielerfluktuation) und der Respawn nach dem Ableben innerhalb der Mission dauerte einfach zu lange, um als Spieler nicht genervt die laufende Session abzubrechen. Man möchte fast sagen: typisch für nicht ausgereifte Online-Multiplayer. An der Technik könnte aber auch grafisch noch geschraubt werden. Der Dschungel wirkt trotz schicker Lichteffekte und stabiler Bildrate leblos und Kantenflimmern drückt etwas auf die Performancebewertung.

Positiv stechen jedoch das gute Handling der Figuren, die offenkundige Vielfalt an Ausrüstung und Modifikationen sowie das gelungene Predator-Feeling hervor. Sollten die Entwickler also speziell die Balance noch optimieren und mit den Maps, die bei der Demo nicht dabei waren, für mehr Abwechslung und Spieltiefe ohne allzu lapidares Missionsrauschen bei extrem tumber KI sorgen, hat Predator: Hunting Grounds vielleicht eine Chance, es besser zu machen als das vergleichbare Evolve.

Predator: Hunting Grounds • Illfonic • Multiplayer-Shooter • PS4/PC

Abb. © Sony Interactive Entertainment

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