9. Februar 2017 1 Likes

TV-Tipp - Donnerstag, 9. Februar

Ab heute sind wir Legion! Marvel und Fox starten mit „Legion“ eines der spannendste Serien-Projekte dieser Saison

Lesezeit: 4 min.

Eine gewisse Ermüdungserscheinung lässt sich beim Thema Superhelden schon seit einiger Zeit kaum verleugnen. Während das Kino mit opulent aufgeblasenen, aber zuhauf eher simpel konstruierten Austauschwaren wie Batman vs. Superman viel Blendwerk neben kleineren Perlen wie Ant-Man abliefert, lohnt es sich speziell im Serienkosmos genauer zu unterscheiden. Mit Blick auf Popcorn-Produktion wie Agents of Shield oder Arrow ließe sich hier aufgrund generischer Erzählstränge und mangelndem Willen zu ästhetischer Innovation ein gewisser Stillstand bilanzieren. Da der überquillende Serienmarkt aber auch in Gänze eigentlich zuviel ausspuckt, was weder ästhetisch innovativ und thematisch wirklich als intelligent bezeichnet werden kann, haben es überzeugende Produktionen häufig schwer, aus der Masse herauszuragen.

Nur selten schaffen es ambitioniertere Serien wie Jessica Jones, auch ohne wirklich großes Publikum im Rücken schon aufgrund einiger figurativen Kniffe zu überzeugen oder wie im Fall des Genrebastards Mr. Robot, das grandios mit seiner (Über-)Komplexität als Seismograf unserer Hyper(post)moderne zu spielen versteht, gerade mithilfe einer kritisch selbstreflexiven Abgrenzung zum üblichen Einheitsbrei eine treue Anhängerschaft an sich zu binden. Da sich aber sowohl von Seiten DC wie Marvel schon längst zahlreiche weitere Superhelden-Stoffe auf dem Weg zur Serie abzeichnen und der Markt offenbar noch nicht übersättigt scheint, bleibt (und wird) es im Genre hoffentlich spannend(er) mit mehr Mut zur Unkonventionalität. Denn jederzeit relevante Fragen zu Politik, Identität, Gesellschaft und (Medien-)Wandel lassen sich letztlich kaum griffiger und vielfältiger erzählen als mit Heldenfigurationen und deren Funktion als Reflektor besagter Themenkomplexe.

Dass wir uns über das weitere Innovations- und Reflexionspotenzial des Superhelden aber auch schon jetzt nicht gar zuviele Sorgen machen müssen, belegt eines der aufwändigsten und in jeder Hinsicht spannendsten Projekte, das es in diesem Jahr bisher zu sehen gibt. Mit Legion unternehmen Fox und Marvel den nicht gerade unriskanten Versuch, mit der Figur des David Hallers einen außerhalb einschlägiger Comic-Zirkel eher unbekannten Helden in Serie aufzubauen. Legion basiert auf den Marvel Comics von Chris Claremont und Bill Sienkiewicz. Haller (Dan Stevens), leidet seit seiner Teenagerzeit an einer psychischen Erkrankung, die allerdings eng verbunden zu sein scheint mit seinen noch verborgenen, in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Fähigkeiten. Obwohl er der Sohn einer besonders berühmten Heldenfigur ist (ohne dass die von seiner Existenz weiß), nimmt sein Schicksal einen exorbitant unheroischen Verlauf. Seine Kindheit verbringt David nämlich in verschiedenen psychiatrischen Anstalten und befindet sich zum Start der Serie bereits in seinen Dreißigern, ohne dass Heilung und ein normales Leben in Sicht scheinen.

Gefangen im alltäglichen Trott zwischen Therapie, dauerhafter Medikation und Schlaf(mangel), findet er nur in der von einer langjährigen Drogensucht gezeichneten Lenny (Aubrey Plaza) eine Freundin, die ihm zur Seite steht. Doch Davids Apathie wird eines Tags durch die Ankunft der geheimnisvollen Syd (Rachel Keller) unterbrochen. So stellt sich für David schon bald die Frage, ob seine ihn ständig begleitenden Visionen und Stimmen weniger Zeichen der bei ihm diagnostizierten Schizophrenie oder vielmehr Ausdruck seiner in ihm lauernden Kräfte sein könnten. Als David daraufhin aus dem Krankenhaus flieht, entdeckt er mithilfe von Syd, seiner nicht ganz uneigennützigen Schwester Amy (Katie Aselton)  und der Therapeutin Melanie Bird (Jean Smart) eine völlig neue Perspektive auf sich und die Zukunft, wobei aufgrund seiner psychischen Labilität noch unklar bleibt, was in David wirklich schlummert und welche Auswirkungen sein Potenzial auf die Menschheit haben könnte. Und nicht weniger prekär: was ist real, was vielleicht nur eingebildet? 

Die zunächst auf acht Episoden angelegte erste Staffel von Legion, für die unter anderen mit John Cameron (Fargo-Serie) sowie insbesondere Superhelden-Experte Bryan Singer (die X-Men-Filme) äußerst erfahrene Köpfe für die Produktion verantwortlich zeichnen, zeigt schon mit der gerade visuell extrem pointiert inszenierten Pilotfolge, dass es sich hier nicht um einen weiteren Heldenaufguß für jedermann handelt. Ähnlich wie Mr. Robot, fordert Legion einen aufmerksamen Zuschauer, der sich auf uneingelöste Teaser, jede Menge Doppelbödigkeit, ambivalente Charaktere und vor allem eine clever mit den Themen verknüpfte Hochglanzästhetik einlässt. David ist nicht einfach nur ein Held im Wartestand, der nach kurzer Exposition seinen Platz in der Welt zu finden scheint, sondern vielmehr ein Mann auf der Kippe, wie er in den somnambulen Dystopien eines Nicolas Winding-Refn oder gar den zeitlosen Grotesken eines Stanley Kubrick bestens aufgehoben wäre. Sicher, die Serie birgt das Risiko, sich im schönen Schein vielleicht auch zu verlieren und wie soviele andere Hypes zu verglühen, doch was Fox und Marvel hier an Hintersinnigkeit und potenter Virtualität andeuten, könnte durchaus mehr sein. Oder auf den Punkt gebracht: Legion ist vielleicht das nötige Adrenalin, das dem Genre Superheldenserie extravagante, vielleicht sogar wirklich neue Impulse verleihen könnte. 

Legion ist ab heute (9.2.) immer donnerstags um 21:00 auf Fox (via Sky) zu sehen. 

Abb. © Fox

Legion – Staffel 1 • (USA/2017) • Showrunner/Schöpfer: Noah Hawley • Darsteller: Dan Stevens, Rachel Keller, Jean Smart, Katie Aselton, Jeremie Harris, Amber Midthunder, Bill Irwin, Aubrey Plaza, Jemaine Clement • Laufzeit: 8 Episoden mit je ca. 60 Min.

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