Warm anziehen!
Oldschool-Grusel vom Feinsten: „The Terror“
Die letzte, 1845 gestartete Expedition des britischen Polarforschers Sir John Franklin hatte das Ziel, einen kürzeren Seeweg von Europa nach Asien zu finden. Zu diesem Zweck wollte man die Nordwestpassage in ost-westlicher Richtung durchsegeln und kartografisch erfassen. Doch die Forschungsreise endete katastrophal: Beide Schiffe, die HMS Terror und die HMS Erebus, wurden vom Eis eingeschlossen und erst 2014 und 2016 wieder aufgespürt, bis dahin fand man lediglich heraus, dass die komplette 129-köpfige Crew (inklusive Franklin) im Verlauf der Expedition ihr Leben lassen musste. An den genauen Ursachen arbeiten sich Forscher bis heute ab, ein mittlerweile bestätigtes, pikantes Detail ist, dass die noch lebenden Teilnehmer in der letzten Phase offenbar ihre toten Kameraden verspeisten.
Das ist natürlich ein Stoff, aus dem Mythen gemacht werden und so wundert es kaum, dass die Franklin-Expedition mittlerweile in die Popkultur eingesickert ist und zahlreiche Bücher, Bilder und Musikstücke inspirierte. So auch Dan Simmons spannenden Roman „The Terror“ von 2007, der in den historischen Rahmen (so entsprechen etwa die im Buch auftauchenden Charaktere weitestgehend tatsächlich den realen Vorbildern) klassischen Monster-Horror einbettet, wobei das Monster nie die einzige Gefahr ist, denn wie wir ja alle wissen: Der größte Feind des Menschen ist der Mensch!
Eine TV-Adaption des Stoffs wurde bereits 2013 angekündigt und zwar vom Sender AMC, der seit Jahren mit „The Walking Dead“ Traumquoten einfährt und nun mit einer weiteren Horror-Serie nachlegen will. Das Erstaunliche aber: „The Terror“ steuert nicht nur in eine komplett andere Richtung als die Zombie-Soap, sondern grenzt sich auch generell von der Konkurrenz ab und entpuppt sich als reduzierte, gelegentlich fast schon kammerspielartige Schauermär, die sich sämtliche Taschenspielertricks (dutzende Plotstränge, Figuren, Rückblenden oder Randepisoden), die derzeit eine Menge Serien ungenießbar machen, spart. Anstatt dessen setzen die Macher selbstbewusst auf ein straffes, dicht gewebtes Skript von David Kajganich, der nicht nur Simmons Vorlage perfekt in die Bildschirm-Fassung gießt, sondern nach dem tollen „Blood Creek“ (2009) erneut gekonnt von Menschen in Ausnahmesituationen erzählt, was von einer wirklich großartig aufspielenden Schar von britischen Charakterköpfen (unter anderem Jared Harris, Tobias Menzies, Ciarán Hinds) mit viktorianischer Zurückhaltung auf das Wunderbarste fühlbar gemacht wird. Apropos „fühlbar gemacht“: Auch die komplett in einem ungarischen Studio gezauberte Illusion einer kargen, lebendfeindlichen, regelrecht außerweltlichen Eishölle wirkt, unterstützt vom tollen Sounddesign, absolut überzeugend: Man möchte schon nach kürzester Zeit die Heizung höher drehen!
Es ist natürlich immer etwas problematisch von vier vorab gezeigten Folgen auf das große Ganze zu schließen, das – absolut berechtigte – Selbstbewusstsein mit dem die Macher hier vorgehen, macht allerdings große Hoffnung auf den Rest, beziehungsweise auf einen der absoluten Serien-Highlights 2018! Wobei allerdings mehr als fraglich ist, ob „The Terror“ einen ähnlichen Hype wie „The Walking Dead“ entfachen wird, denn die Serie ist in ihrer Ausrichtung einfach zu erwachsen oder – böse formuliert – eine gewisse Konzentration von Seiten der Zuschauer ist durchaus erforderlich.
„The Terror“ ist ab dem 26.03.2018 auf Amazon Prima abrufbar (jede Woche eine Folge).
The Terror (USA 2018) • Regie: diverse • Darsteller: Jared Harris, Ciarán Hinds, Tobias Menzies, Christos Lawton, Matthew McNulty, Adam Nagaitis, Nive Nielsen, Paul Ready
Kommentare
Ich schaue heute Abend und bin gespannt! Danke für die Review!