1. Juni 2018 1 Likes

Im Namen des Imperators

Verbessert ja, an der Wurzel gepackt nein: der Weltraum-Shooter „Space Hulk: Deathwing“ als neu aufgelegte „Enhanced Edition“

Lesezeit: 5 min.

Vor gut zwei Jahren sorgte Space Hulk: Deathwing auf dem PC für zwiespältige Reaktionen: einerseits überzeugte die finstere, sehr stimmig eingefangene Atmosphäre ganz im Sinne des Warhammer 40k-Universums (nach dem klassischen Brettspiel); andererseits schafften es anhaltende Performance-Probleme und eine eintönige bis unglaublich dämlich agierende KI, vielen Spielern den letzten Nerv zu rauben. Publisher Focus Home Interactive glaubte allerdings dank viel Fanpotenzial an den Titel und schickte ihn nochmal zum Feintuning und Feature-Aufmotzen in die Werkstatt.

Das Ergebnis erschien nun Ende Mai als Enhanced Edition nochmal für PS4 und PC und schickt uns wie im Original als Space Marine einer Eliteeinheit in die klaustrophobisch engen Gänge eines sogenannten Space Hulks, um dort – Warhammer 40k-Experten werden es wissen – für den allmächtigen Imperator und unsere kriegerische Bruderschaft nach verborgenen Geheimnissen zu suchen. Unter einem Space Hulk versteht man eine Art gigantischen Raumschiff-Friedhof, der durchs All treibt und im Lauf der Jahrhunderte mittels immer neu „angeschwemmter“ Wracks, Asteroiden und Schiffen weiterwächst. Alte Relikte vergangener Tage warten in den Arealen eines solchen Space Hulks ebenso wie aggressive Symbionten und Hybridwesen, die sich im Sci-Fi-Monster-Spektrum irgendwo zwischen Alien und Predator einpendeln.

Das Feindgesindel tritt am liebsten in massiven Horden auf den Plan und muss von unserem Team mit einer Mischung aus Nahkampf, Schusswaffen und Special-Skills wie Blitzattacken oder Heilung in die ewigen Weiten des Universums verstreut werden. Und das ist noch freundlich umschrieben, denn Deathwing mutiert schon nach wenigen Minuten Spielzeit zur Gewaltorgie, die sich ihr USK-16-Siegel mehr als redlich verdient. In der Regel führen wir (je nach gewählter Kämpferklasse) als schwergepanzerter Leader ein Team mit zwei weiteren nicht minder harten und nach Wunsch ausgerüsteten NPCs an, die zwar selbst agieren, jedoch via Ringauswahlmenü von uns direkt befehligt werden können.

Wer beim Gedanken an Imperatoren und Bruderschaften befürchtet, er könnte ohne Vorkenntnisse mit der Story von Deathwing überfordert werden, kann sich gleich beruhigen. Wie in den allermeisten Ego-Shootern stehen auch hier die Action und Setting eindeutig im Vordergrund, während die in kürzeren Mono- oder Dialogen sowie eingestreuten Sequenzen nur jeweils spärlich vorangetriebene Geschichte um die Entdeckungen uralter Geheimnisse sehr rudimentär bleibt und nur für Warhammer-Nerds wirklich relevant sein dürfte.

Das Game ist aufgeteilt in eine Storykampagne, die mit neun Kapiteln/Arealen und einer Spielzeit von gut 10 Stunden daherkommt, sowie einem Multiplayer, in den wir uns mit bis zu drei weiteren Ordensbrüdern in den Kampf stürzen dürfen. Neu dabei in der Enhanced Edition ist ein Spezialmissionen-Modus, der für uns kleinere Zusatzaufgaben in bereits absolvierten Arealen generiert und so eine ordentliche Portion Extraspielzeit oben drauf setzt. 

Überhaupt kann sich das Bonusprogramm von Deathwing durchaus sehen lassen. Eine frische Kämpferklasse (Chaplain), neue Nah- und Fernwaffen oder weitere Gegnertypen sind ebenso mit an Bord wie eine größere Palette an möglichen Avatar-Individualisierungen, die sich sowohl auf Optik wie weitere Skills beziehen. Zwar könnten die Menüs gerade bei dieser zusätzlichen Fülle etwas übersichtlicher bzw. benutzerfreundlicher ausfallen und die Ladezeiten müssten sich doch bei einer, rein technisch gesehen, nicht übermäßig beeindruckenden Präsentation verringern lassen, doch das fällt alles auch in Summe nicht wirklich negativ ins Gewicht; zumal die Programmierer die teils krassen Performance-Aussetzer früherer Tage weitgehend behoben oder – Stichwort Bildeinbrüche, Kantenflimmern oder gar Komplettabstürze in den oft unübersichtlichen Konfrontationen – in jedem Fall markant minimiert haben. Da außerdem bereits das Original schon nicht an zu wenig Content krankte, ist die Enhanced Edition für Fans so gesehen ein guter Deal – speziell zum deutlich reduzierteren Preis gegenüber regulären Vollpreistiteln.

Und dennoch schleicht sich nach einigen Stunden Spielzeit in allen drei Modi wieder das Gefühl ein, dass die Macher es erneut verpasst haben, das vorhandene Potenzial vollends auszuschöpfen. Denn eines muss man dem Titel lassen: eine erdrückendere Atmosphäre bietet kaum ein anderer Shooter. Die dunklen Tunnel, in denen hinter jeder Ecke der nächste Angriff lauert, sorgen mit ihren monochromen Stahlkonstruktionen ebenso für Gänsehaut wie die mit vielen Details wie Statuen oder Schreinen verzierten Hallen – inklusive überall verstreuten Leichen und jeder Menge Blut.

Da die Feinde von allen Seiten attackieren, geht uns trotz schwer gepanzerter und entsprechend kaum beweglicher Soldaten ordentlich die Düse, wenn sich via Scanner-Map und ersten vernehmbaren Röchlern das nahende Unheil ankündigt. Dazu passt der kühl martialische bis religiös fundamentalistische Ton, der die Story von den Dialogen bis zu den gefundenen Artefakten durchdringt. Ganz klar: Wer Filme wie Aliens - Die Rückkehr aufgrund ihrer Inszenierung einer intensiven Enge mag, wird hier auf seine Kosten kommen.

Soweit das Positive. Der schwerwiegendste und nicht ignorierbare Kritikpunkt liegt bei Deathwing leider auch in der überarbeiteten Version hauptsächlich im mangelhaften Grundaufbau der KI, die selbst im niedrigsten von vier jederzeit veränderbaren Schwierigkeitsgraden zu Problemen führt. Denn der Ablauf der Gefechte gestaltet sich über die gesamte Spielzeit fast immer gleich – in den weitläufigen Arealen von einem Kartenpunkt zum nächsten laufen und von zahlreichen Feinden ohne Rücksicht auf Verluste buchstäblich angesprungen werden. Anders gesagt: Masse ersetzt hier eindeutig Klasse, denn das blinde Daueranstürmen der Monster ohne taktische Variabilität ist gameplaytechnisch viel zu hohl, um für sich genommen dauerhaft zu unterhalten.

Da sich so oft genug völlig chaotische Szenarien entwickeln, in denen wir einfach nur geradeaus herumballern und in den Gängen aufgrund unserer eigenen (KI-)Kameraden kaum die Übersicht behalten, bleibt Deathwing an dieser Stelle selbst in der Neufassung im Genremittelmaß stecken. Man hätte unbedingt an der Flexibilisierung der Kämpfe arbeiten müssen, denn wenn man zum x-ten Mal 20-30 Gegner am Stück zu Alienklumpen zusammengeschossen hat und nicht mal mehr dazu kommt, seinem Team sinnvolle Anweisungen zu erteilen, geht viel Spielspaß verloren.

Fazit

Atmosphäre top, Feature-Umfang gut, Performance solide und Gameplay leider Mittelmaß – so ließe sich eine Bilanz zur Enhanced Edition von Space Hulk: Deathwing ziehen, die zwar vieles besser macht als die Ursprungsversion, es jedoch leider versäumt, die eklatanten Grundprobleme des etwas zu plumpen Gameplay-Korsetts zu beheben. Zugegeben, das wäre auch sehr schwierig, da man mehrere Neuausrichtungen speziell bei der Gegner-KI hätte vornehmen müssen, doch ohne verkommt die ewig gleiche Ballermechanik gerade in der Solokampagne zur reinen Fingerübung zwischen Monotonie und Frust.

Wer aber kein spielerisch anspruchsvolles Shooter-Vergnügen sucht und in die unbestritten faszinierend düstere Stimmung des Warhammer 40k-Universums eintauchen möchte, sollte speziell aufgrund des naturgemäß nicht so statischen Multiplayers und der gelungenen Präsentation mindestens ein Anspiel auf PS4 oder PC wagen. Aber Vorsicht: Der Weg des Imperators ist ein ungemein blutiger.

Space Hulk: Deathwing – Enhanced Edition • Streum On Studio/Focus Home Interactive • Ego-Shooter

Abb. © Streum On Studio/Focus Home Interactive

 

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