2. Juli 2018

Sensible Algorithmen

Das Netflix-B-Picture „Tau“ hat spannende Ansätze – macht aber wenig aus ihnen

Lesezeit: 2 min.

In seinem brillanten Buch „Homo Deus“ stellte der israelische Historiker Yuval Noah Harari die gewagte These auf, dass wir Menschen letztlich nicht anderes sind als Algorithmen. Alles was wir denken oder fühlen, was wir wünschen und verlangen ist nicht etwa Ausdruck eines freien Willens, sondern von Prozessen gelenkt, die in uns walten und uns quasi steuern. Was dann natürlich bedeutet, dass diese Prozesse auch analysiert, verstanden und im besten (oder schlimmsten) Fall, künstlich reproduziert werden können. Im Prinzip machen Facebook, Google und all die anderen Systeme schon jetzt nichts anderes und werden mit wachsender Computerpower auch immer besser werden, uns zu verstehen – und vielleicht auch irgendwann zu kopieren.

Vielleicht wird so ein artifizielles Wesen, eine künstliche Intelligenz, so sein wie Tau, die Hauptfiger des gleichnamigen Netflix-Films von Federico d’Alessandro. Nicht umsonst mag man bei Tau auch an H.A.L. denken, den 50 Jahre alten AI-Prototypen aus Kubricks „2001“, der mit ähnlich weicher, einschmeichelnder Stimme sprach, wie es nun Tau tut, dem immerhin sogar Oscar-Preisträger Gary Oldman die Stimme leiht, auch wenn das kaum zu erkennen ist.

Tau ist das Gebilde des ebenso brillanten, wie gestörten Wissenschaftlers Alex Upton (Ed Skrein), der sich von seinen Millionen ein veritables High Tech-Apartment gebaut hat, das von Tau kontrolliert und mit winzigen Drohnen in Schuss gehalten wird. Was auch bedeutet, die von Alex entführten Geiseln zu bewachen und kontrollieren, die er dringend benötigt, um die nächste Stufe der AI-Evolution zu vollenden. Denn so gut es ihm auch gelingt, künstliche Algorithmen zu programmieren, bei gut 95% Leistungsfähigkeit bleibt seine AI stehen, was nicht genug ist.

Menschliche Emotionen braucht Alex, und zu diesem Zweck implantiert er unter anderem Julia (Maika Monroe) ein Konstrukt in den Kopf, mit dessen Hilfe er quasi ihr Gehirn plündern kann, damit Tau noch menschlicher wird.

Doch Julia, die man anfangs als Taschendiebin in einer wenig futuristischen Welt sah, bevor sie von Alex entführt wurde, erweist sich als findiges Wesen. Sie schafft es, Tau davon zu überzeugen, dass es viel gibt, was er nicht versteht. Kein Wunder, ist Tau doch nicht etwa ans Internet angeschlossen und hat damit Zugang zu sämtlichem Wissen der Menschheit, sondern ein bewusst isoliertes System.

Fast eine emotionale Beziehung entwickelt sich nun zwischen der in der Wohnung eingeschlossenen Julia und dem in der Elektronik eingeschlossenen Tau, eine Symbiose zwischen Mensch und Maschine, bei der die AI langsam menschliche Emotionen entwickelt. Die philosophischen Implikationen dieser Entwicklungen bleiben dann allerdings kaum mehr als Andeutung, zunehmend beschränkt sich Federico d’Allesandro (der bislang bei etlichen Marvel-Filmen am Art Design mitarbeitete, was man seinem schön gestalteten Film auch ansieht) auf dem Abhaken der Handlung, die den allzu sehr von sich überzeugten Wissenschaftler zu einem erwartbaren Schicksal führt. Das Potential der Geschichte bleibt am Ende nur ein interessanter Ansatz und so ist „Tau“ dann nicht mehr als, aber immerhin ein hübsches, kleines B-Picture.

Tau • USA 2018 • Regie: Federico d’Alessandro • Darsteller: Maika Monroe, Ed Skrein • jetzt auf Netflix

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