14. Dezember 2019 2 Likes

Schwesterherz ermittelt

„Dark World“: Ein Cyberpunk-Krimi von Laura Lam

Lesezeit: 2 min.

Laura Lam (im Shop), die heute in Schottland lebt und an der Napier University in Edinburgh kreatives Schreiben unterrichtet, wuchs in San Francisco auf. In ihrem Science-Fiction-Roman „False Hearts“, der gerade als „Dark World“ bei Heyne auf Deutsch erschienen ist, macht Lam die kalifornische Technik-Metropole in der Bucht zur Kulisse einer mustergültigen Cyberpunk-Geschichte, die mindestens so viel „Blade Runner“ wie „Neuromancer“ atmet. Lams Protagonistin Taema bleibt allerdings erst Mal die Luft weg, als ihre Schwester Tila eines Abends blutüberströmt in ihrem Appartement aufkreuzt und kurz darauf von der Polizei wegen Mordverdachts verhaftet wird …

Bis zu ihrem sechzehnten Lebensjahr sind Taema und Tila siamesische Zwillinge, die auf der anderen Seite der Bucht in einer Hippie-Sekte großwerden. Deren Mitglieder sperren sich gegen die Technik der nahen Zukunft, in der die USA in neue Staaten wie Pacifica um San Francisco zerfielen. In der Kommune verweigert man sich totaler Vernetzung und Überwachung, interaktiven und identitätsverifizierenden Implantaten, digitaler Wissensaufnahme im Schlaf, plastischer Chirurgie an jeder Straßenecke sowie körperlicher Perfektion und Alterslosigkeit in jedem Muskel und jedem Gesicht. Taema und Tila türmen jedoch von der Feuerstelle und lassen sich operieren. Fortan leben die schon immer sehr unterschiedlichen Zwillingsschwestern getrennte Leben, angetrieben von mechanischen Herzen und ausgestattet mit künstlichen Knochen. Doch das hilft Taema herzlich wenig, als sie sich von den Cops dazu überreden lässt, in Tilas Rolle zu schlüpfen und bei einer Undercover-Ermittlung zu helfen, die ihre Schwester entlasten soll. Denn obwohl Kriminalität dank einer Cyber-Droge, die ihre Anwender im Traum jede Aggression ausleben lässt, so gut wie ausgelöscht wurde, gibt es noch Verbrecher: Die Mafia will Kontrolle über die drogeninjizierte Traumsphäre und die ausgelieferten Menschen …


Laura Lam. Foto © Elizabeth May

Lam, die für ihre vorherigen Bücher u. a. mit dem Bisexual Book Award for Speculative Fiction ausgezeichnet wurde und mit Elizabeth May zuletzt die Space Opera „Seven Devils“ veröffentlichte, befolgt von Anfang an das Einmaleins ordentlicher Cyberpunk-Literatur. Sie wirft einen direkt in ihre futuristische, digitalisierte Welt und in ihre spannende Handlung. Seite für Seite erfährt man mehr über Lams interessante Zukunftsvision und deren Ausstattung und Spezifikationen – und Lams Zukunft tickt genau so, wie man das als Fan des Subgenres zu schätzen gelernt hat. Kann schon sein, dass sich „Dark World“ auf so einige Klischees stützt, aber klassische Elemente schaden einem Krimi im Allgemeinen und einem Cyberpunk-Krimi im Besonderen nicht unbedingt. Zumal das alles flott zu lesen ist und man schnell eine Verbindung zu Ich-Erzählerin Taema aufbaut, während Tila aus der Gefängniszelle heraus in rotziger Tagebuchform über die Vergangenheit der siamesischen Zwillinge spricht und so den Undercover-Einsatz und die Sekte verknüpft.

Wer einen guten Cyberpunk-Krimi zu schätzen weiß und „Dark World“ bisher nicht auf der Verdächtigenliste hat, sollte besser mal undercover im Buchladen ermitteln.

Laura Lam: Dark World • Aus dem Englischen von Ulrich Thiele • Heyne, München 2019 • 448 Seiten • E-Book: 9,99 Euro (im Shop)

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