19. Dezember 2019 3 Likes

Anybody here?

Im Weltraum-Adventure „Still There“ begeben wir uns auf einen Pfad galaktischer Einsamkeit

Lesezeit: 3 min.

Es ist schon kurios, wie wenig es häufig selbst in hypermultimedialen Zeiten wie unseren braucht, um ein emotionales Erlebnis zu kreieren, das ohne Bilderräusche und Soundkaskaden auskommt. Dieses Kunststück vollführt das italienische Studio GhostShark auf beeindruckende, wenn auch paradoxerweise manchmal regelrecht frustrierende Weise mit seinem Adventure Still There, das Ende November zum Preis von ca. 12-13 Euro für PC und Switch erschienen ist. Selten zuvor in der reichhaltigen Genregeschichte jüngerer Point & Click-Adventures, standen sich wie hier ein wenig benutzerfreundliches Handbuch-Gameplay und ein reduziertes, aber umso durchdringenderes Storytelling gegenüber.

In den gut fünf bis sieben Stunden von Still There schlüpfen wir in die Rolle des Leuchtturmwärters Karl, der seinem Job allerdings im Weltall anstatt an einer Küste nachgeht. Neben täglichen Routinearbeiten innerhalb seiner äußerst beengten Raumstation, besteht Karls Alltag vor allem aus einem: seiner Einsamkeit. Die wird nur gelindert von der Stations-KI Gorky, die Karl einerseits pedantisch überwacht, ihm (und damit uns) aber andererseits auch bei der Arbeit hilfreich unter die Arme greift und mit viel Witz für schmissige Dialoge zwischen Mensch und Maschine sorgt. Präsentiert werden die allerdings nur in sehr kleinteiligen Comic-Panels ohne Sprachausgabe, sodass sich Freunde zeitgenössischer Blockbuster-Inszenierung schon an dieser Stelle auf viel Lesestoff einstellen müssen. Ähnliches gilt für die Simulation der Station, die sich auf wenige, fast komplett starre Bildausschnitte ohne aufwändige Animationen beschränkt.

Dennoch gestaltet sich Karls Welt alles andere als langweilig, wenn man sich auf diesen klassischen Stil alter Adventures einlässt. Denn die kleinteilige Stationsarchitektonik bietet neben Aufhellern wie einem Haustier-Leguan, Bett oder WC auch viele Schalttafeln, Pulte und andere mechanische Anordnungen, mit denen wir den Betrieb am Laufen halten. Dazu ist es zwingend nötig, immer wieder das (virtuelle) Handbuch mitsamt seinen Grafiken und Tabellen zu Rate zu ziehen, das uns mit allen Basics über Funktionsketten und Schalterkombinationen versorgt. Wer sich trotzdem mit der Bedienung schwer tut, kann auf Gorkys Hilfe zurückgreifen, wobei die selbst für geübtere Knobler wohl etwas häufiger nötig ist als gewünscht.

Denn leider fallen die Rätsel, die das spielerische Grundgerüst dieses ansonsten rein auf Dialoge ausgerichteten Titels bilden, oft wenig intuitiv und sperrig aus. Das ewige Herumsuchen im Handbuch inklusive des anschließenden Kombinierens, wie denn nun bestimmte Funktionen der Station ausgeführt oder repariert werden sollen, verkommt auf Dauer zur spröden Arbeit, die man trotz aller Logik dahinter einfach nur hinter sich bringen will, um in der Story weiterzukommen. Aber wenigstens haben die Macher an besagte Gorky-Hilfe gedacht und somit garantiert, dass fast jeder Spieler das Ende von Karls innerer Odyssee erreichen müsste.

Die entschädigt mehr als ausreichend für dieses Manko, denn GhostShark hat sich ordentlich Mühe gegeben, sowohl Karl als auch Gorky mit vielen Nuancen und einnehmender Tiefe auszugestalten. Über die verschiedenen Kapitel, die meist durch nächtliche Träume Karls voneinander separiert werden, erleben wir eine zutiefst melancholische, mit unerwarteten Wendungen garnierte Geschichte, deren tragödienhafte Züge bis zum Finale spürbar einwirken. Ein trauriges Familienschicksal, divergierende Zeitebenen und eine zunehmende Verwischung der Wahrnehmung zwischen Traum und Wirklichkeit sind einige weitere Zutaten eines Plots, der es dank der Fähigkeiten der Autoren zu authentischen Gefühlen gar nicht nötig hat, mit aufgeblasenen Effekten erzählerische Schwächen zu kaschieren.

Auch kleinere Einschübe wie Schachpartien gegen Gorky oder das tägliche Zubereiten der Mahlzeiten passen in das stimmig minimalistische Setting einer Figur, die sich buchstäblich vom Leben abgekapselt hat. Wem das zu wenig dramatisch klingt, kann sich beruhigen. Auch außerstationäre Ereignisse wie ein Notruf sorgen für Aufregung im Panelwald. In diesem Kontext sollte auch nicht unerwähnt bleiben, dass uns in den Dialogen meist mehrere Antworten zur Verfügung stehen, um den Gesprächsverlauf immerhin ein wenig nach persönlichem Gusto zu beeinflussen. Wirklich einschneidende Abzweigungen innerhalb der Story scheint das jedoch nicht zu bieten.

Die Steuerung via Maus auf PC verläuft übrigens reibungslos und auch die Performance macht bei den geringen Anforderungen keine Zicken. Switch-Zocker bekommen mit der Bewegungssteuerung eine ebenfalls akzeptable Lösung an die Hand, um Still There ohne träge Analogsteuerung bestreiten zu können.

Fazit

Stark geschrieben, aber spielerisch sperrig. Als dialog- und rätsellastiges Point & Click-Adventure alter Schule ist Still There dank seiner Figurenzeichnungen für Genrefans sein Geld wert.

Still There • GhostShark/Iceberg Interactive • Adventure • PC/Switch

Abb. © GhostShark/Iceberg Interactive

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.