3. September 2016

A lonesome Romance in Space

Benjamin Rivers Retro-Adventure „Alone with you“

Lesezeit: 4 min.

In der heutigen Zeit ein in Pixelgrafik programmiertes Adventure wie Alone with you dezidiert als Sci-Fi-Romance anzukündigen, zeugt offenkundig von Selbstvertrauen. Klassische, primär auf Text basierte Adventures wecken zwar seit jeher den Entdecker- und Rätsellöserdrang in uns, doch speziell ohne hochauflösende HD-Präsentation scheint heutzutage einer interaktiven Inszenierung romantischer Gefühlswelten ein Hauch Anachronismus anzuhaften. Doch das kanadische Team um Benjamin Rivers, der bereits mit Projekten wie dem höchst eigenwilligen Pixel-Horror seines Indie-Titels Home für großes Erstaunen oder radikale Ablehnung sorgte, beweist mit dem Ende August erschienenem Alone with you erneut, dass es sich lohnt, bei unkonventionellen Ansätzen wie in seiner Sci-Fi-Romance etwas genauer hinzuschauen.  

Alone with you versetzt Spieler in Gestalt eines offenen, charakterlich recht unspezifisch designten Mitgliedes einer Forschungskolonie auf einen Planeten, der von einem gewaltigen Unwetter an den Rand der totalen Zerstörung gebracht wurde. Für den einzigen Überlebenden der Katastrophe besteht das Ziel darin, mithilfe der noch aktiven künstlichen Intelligenz der Kolonie als einzigem ständigen Begleiter ein Raumschiff soweit wieder reparieren zu können, dass der Avatar den sicheren Heimflug zur Erde antreten kann. Leichter gesagt als getan, denn der einsame Pixelheld braucht dafür neben der Begleiter-KI zusätzlich die Unterstützung von vier Mitarbeitern der Kolonie, die allerdings aufgrund ihres Ablebends während der Stürme und Beben jetzt nur noch als holografisch von der KI erzeugte Reproduktionen zur Verfügung stehen.

Das Gameplay setzt sich dabei aus zwei grundsätzlich unterschiedlichen Missionsarten zusammen: Tagsüber müssen verschiedene Forschungsanlagen in klassischer Adventure-Manier mit kleineren Rätseleinlagen auf Ressourcen und Hinweise abgesucht werden, während des Nachts jeweils ein Einzelgespräch mit einem der vier Hologramme über die Ereignisse des Tages ansteht. So entfaltet die Story sukzessive, was mit den Kolonisten passiert ist und wie sich vor allem einzelne Konflikte und Beziehungen auf Alltag und Arbeit der Gruppe ausgewirkt haben.

Akzeptiert man das technisch wie spielerisch völlig auf den Retrocharme klassischer (Text-)Adventures zugeschnittene Design, wartet mit Alone with you ein Titel, dessen Mängel bei aller Subtilität schnell ersichtlich werden: Das Gameplay fällt leider selbst unter den eben genannten Bedingungen viel zu eintönig aus. Die Tagesmissionen beschränken sich fast vollständig auf ein Abklappern und Scannen mehr oder minder offensichtlich angezeigter Objekte innerhalb der einzelnen Räume. Oft verkommt so die Entdeckung der Areale zum bloßen Abklappern möglicher Scans.

Dazu gesellen sich kleinere Kombinationsaufgaben, die allerdings weder fordernd sind noch mit Witz oder anderen positiven unmittelbar ersichtlichen Attributen zumindest ihre spielerische Armut verschleiern oder gar rechtfertigen können. Denn es handelt sich bei den Rätseln eben nicht um Kopfnüsse wie in einem zeitlosen Genre-König a la Day of the Tentacle von LucasArts, das mit seinen herrlich absurden Kombinationsaufgaben ein Gefühl der Befriedigung hinterließ, wenn man die komplexen Aufgaben in ihrer Eigenlogik bewältigt und sie als in sich stimmig in die Gesamterzählung integriertes Element akzeptiert hat. Wenn sich Alone with you schon so offensiv an die Tradition alter Adventures anlehnt, sollte es eben auch eine der wesentlichen Stärken dieses Genres beherzigen und die Rätsel-Mechanik nicht wie eine monotone Spielzeitstreckung aussehen lassen.

Zusätzlich stören auch die immer gleichen und im Grunde nutzlosen Routinen zwischen den Missionen. So ist es nicht ersichtlich, wieso man sich etwa nach jeder Mission im Raum der KI zurückmelden muss, wenn sie doch via Funk stets mit uns kommuniziert. Auch die wenigen Sequenzen wie die Fahrt zu den Forschungsstationen wiederholen sich zu häufig, um nicht nach einigen Stunden als nervige Ladezeitüberbrückung empfunden zu werden. Die Gespräche mit den Hologrammen entpuppen sich ebenfalls als oft seichte Ansammlung simpler Frage-und-Antwort-Schemata, bei denen speziell die Rolle der eigenen Figur zu einer fast leeren Hülle ohne echte Eigenschaften verkommt. Gerade deshalb verfängt auch der romantische Touch nicht wirklich, der sich bei entsprechender Gesprächsführung mit den Hologrammen einstellen sollte. Echte Konsequenzen aus den Gesprächen sind ohnehin kaum bis gar nicht erkennbar.

Dennoch gibt es bei aller Kritik Gründe, die dafür sprechen, sich länger mit Benjamin Rivers jüngstem Projekt auseinanderzusetzen. Die Idee, den Text innerhalb des Gameplays in den Vordergrund zu stellen und dies gerade mithilfe der Pixelgrafik regelrecht zu unterstreichen, geht durchaus auf. Alone with you ist letztlich mehr etwas für Leser als für Gamer, denn die Tragik sowie die zumindest immer wieder im kleinen hervortretende emotionale Komplexität des Schicksals der Kolonie, überraschen erzählerisch dann doch einige Male.

Man ertappt sich bei der Suche nach Tagebüchern oder Manuskriptseiten innerhalb der Tagesmissionen dabei, trotz all der Negativpunkte mehr über diesen kleinen, schon bald komplett zerstörten Kosmos erfahren zu wollen, Neben traditionellen Themen wie der Hybris des Menschen bei der Eroberung des Weltalls oder radikaler Einsamkeit und Isolation geht es in Alone with you gerade um die Sehnsucht nach Nähe in Zeiten einer Krise. Und genau das vermittelt Benjamin Rivers galaktische Lesereise letztlich überzeugender, als es die gesamte Performance vermuten lässt.

Ob man nun in Alone with you ein aufgrund seiner spielerischen Redundanz und Seichtigkeit ein missglücktes Game sehen will, bleibt ebenso unangetastet wie eine Sichtweise, die den Titel gar nicht vorrangig als solches sieht. Manche Sci-Fi-Leser, die sich darauf einlassen, werden mit diesem Adventure wohl glücklicher werden können als die meisten Gamer.

Alone with you ist für PS4 und PS Vita erhältlich. Den Launch-Trailer gibt es unter dem Beitrag.

Alone with you • Benjamin Rivers • Adventure

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