17. März 2020

Moderne Paranoia

John Frankenheimers Klassiker „Botschafter der Angst“ als Blu-ray

Lesezeit: 2 min.

Es spricht nicht unbedingt für die Zeit in der wir leben, doch John Frankenheimers Botschafter der Angst“ (The Manchurian Candidate) ist immer noch (oder wieder) zeitgemäß. Die Gefahr, dass ein Soldat durch Gehirnwäsche zur wandelnden Zeitbombe wird ist zwar eher gering, doch die Subtexte dieses Thriller-Klassikers, der besonders im ausnahmsweise besonders pointierten deutschen Titel angedeutet werden, sind allgegenwärtig.

Passend also, dass nun eine aufwändige Edition den 1962 entstandenen Film in Bestform präsentiert: Sowohl als Blu-ray wie auch als DVD-Version, mit Kommentaren des Journalisten (und Kollegen dieser Seite) Thorsten Hanisch (Booklet) und John Frankenheimer (Audiokommentar), einigen Dokumentation und vor allem auch in der ungeschnittenen Fassung.

Fehlt eigentlich nur die Romanvorlage von Richard Condon, in der manche Themen noch ein wenig deutlicher angesprochen werden als in der nur drei Jahre späterer gedrehten Filmversion. Aus dem Geist der McCarthy-Ära entstand der Roman, geschrieben als Reaktion auf die Kultur der Einschüchterung und Angst, die der amerikanische Senator Joseph McCarthy mit den von ihm geleiteten Untersuchungen über etwaige, vor allem aber angebliche kommunistische Umtriebe in der amerikanischen Kultur und Politik anfeuerte.

Der Weg, mit dem Condon die Ängste vor den angeblichen kommunistischen Machenschaften entlarvte, war die Satire, eine übersteigerte Version der schlimmsten Alpträume, in der während des Koreakriegs gefangengenommen amerikanische Soldaten von einem Gemisch aus Sowjetunion und Rot-China indoktriniert und konditioniert werden.

Die fast dokumentarisch anmutende Präzision, mit der Frankenheimer diese an sich absurde Geschichte inszeniert, lässt sie umso glaubwürdiger erscheinen – und die Paranoia der amerikanischen Gesellschaft umso extremer. Wie zeitlos dieser Ansatz war, zeigte auch das 2004 entstandene Remake (von Jonathan Demme), im dem nicht mehr der Koreakrieg Hintergrund ist, sondern der Golfkrieg. Ähnlich wie in der inhaltlich vergleichbaren TV-Serie„Homeland“, in der die Angst vor einem Schläfer auf ganz eigene Weise variiert wurde.

Würde man heute, in der Ära Trump, eine neue Version von „Botschafter der Angst“ drehen, wären die Strippenzieher wohl wieder die Russen, oder vielleicht doch die Chinesen, oder etwa der Iran? So undurchschaubar sind die Strukturen des Internets, der sozialen Medien geworden, so viel wird durch Leaks und Whistleblowers enttarnt, bleibt aber doch oft im Verborgenen, dass praktisch jede Verschwörungstheorie wahre Aspekte enthält. Ob es nun russische Bots sind oder doch welche aus anderer Quelle, ob tatsächlich der saudische Prinz das Handy von Amazon-Boss Bezos knacken lässt: An Paranoia ist die Gegenwart so reich wie nie zuvor. Gerade das heutzutage kaum eine Verschwörung, kaum ein Komplott unvorstellbar erscheint, lässt John Frankenheimers „Botschafter der Angst“ so realistisch wirken – und so beängstigend.

„Botschafter der Angst“ ist als Collector’s Editon bei Koch Media erschienen (1 Blu-ray + 2 DVDs)

Botschafter der Angst (The Manchurian Candidate; USA 1962) • Regie: John Frankenheimer, Darsteller: Frank Sinatra, Laurence Harvey, Angela Lansbury, Janet Leigh

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