9. April 2020 3 Likes

The Space between Dreams

Das Adventure „Moons of Madness“ entfesselt das Lovecraft-Universum auf dem Mars

Lesezeit: 5 min.

Als Kenner fühlt man sich gleich heimisch: übersinnliche Kräfte, apokalyptische Visionen und (natürlich) obligatorische Tentakel. Die Entwickler von Rock Pocket Games machen mit ihrem jüngsten Titel an keiner Ecke einen Hehl daraus, auf wessen Werk sie sich beziehen. Durfte sich H.P. Lovecrafts Schauerkosmos in jüngerer Vergangenheit bei gelungenen Spielen wie zuletzt The Sinking City (hier unser Test) im Gedächtnis der aktuellen Gamergeneration festkrallen, setzt Moons of Madness (schon länger für PC und seit Ende März für PS4 und Xbox One zum Preis von unter 30 Euro verfügbar) beim Setting andere Akzente als die meist auf der Erde und im letzten Jahrhundert angesiedelten Kollegen. Denn mit Hauptfigur Shane Newehart tauschen wir das für Lovecraft-Umsetzungen typische Detektivoutfit zugunsten eines Astronautenanzugs und finden uns als Mitglied eines kleinen Forscherteams auf einer Marsstation wieder.

Besteht unsere Aufgabe eigentlich darin, im Auftrag eines großen Konzerns Pflanzen und Materialien auf ihre Tauglichkeit für die Menschheit zu testen, schleichen sich in Shanes Leben schon bald mysteriöse Ereignisse ein, die sich nur schwer mit den Gesetzen der Wissenschaft in Einklang bringen lassen. Schon zu Beginn erleben wir in einer Art Tutorial einen Alptraum, in dem sich bedrohliche Gewächse und undurchdringbare Tentakel ebenso vorstellen wie schattenhafte Gestalten, die unseren Geist in Mitleidenschaft ziehen. Die in gut 7-8 Stunden entfaltete Story erleben wir aus der (Ego-)Sicht Shanes, wobei uns die weiteren Teammitglieder meist nur via Funk zugeschaltet sind. Direkter Kontakt ist selten, was den beklemmenden, sehr isolierten Eindruck unseres Avatars sinnvoll verstärkt.

Zusammen mit Shane erleben wir, wie der Forscheralltag auf der Station zunehmend außer Kontrolle gerät und die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit verwischen. Die Geschichte um Konzernmachenschaften, inhumanen Experimenten und bizarren Verirrungen innerhalb Shanes Verwandtschaft fällt dabei zwar im Grunde arg vorsehbar, insgesamt aber mangels größerer Durchhänger und stringent durchgezogener Atmosphäre recht unterhaltsam aus. Der Plot leitet uns durch die Bereiche der nicht allzu üppigen Station und gibt uns neben den professionell vorgetragenen englischen Audiotexten (mit dt. Texten) in Form von Notizen oder Computerdateien viel Lesestoff an die Hand, um wahlweise mehr über die Figuren und Vorkommnisse in Erfahrung zu bringen.

Die Orientierung verläuft dabei auch ohne Map reibungslos, da Shane über einen stets verfügbaren Sensor und ein Interface an seiner Hand die Umgebung nach wichtigen Objekten oder Wegen scannen kann. Außerdem bleiben ohnehin gerade nicht relevante Gebiete weitgehend verschlossen; Verlaufen oder zu langes Herumsuchen sind somit bis auf ganz wenige Situation praktisch ausgeschlossen. Das gilt ebenso für den mehrmaligen Wechsel zwischen Außen- und Innenarealen, wenn wir draußen auf dem Planeten unterwegs sind und in diesen Fällen auf unseren sinkenden Sauerstoffvorrat achten müssen. Sogar ein Marsmobil kommt dabei mehrfach zum Einsatz, wobei wir hier allerdings auf den Autopilot und fest vorgegebene Ziele angewiesen sind – Selberfahren leider ausgeschlossen.

Ganz im Stile eines Adventures, verzichtet Moons of Madness weitgehend auf Action und setzt uns neben Erkundung und Story vor allem Rätsel vor die Nase. Meist geht es darum, Türen mittels Codes oder Zugangskarten zu öffnen oder Apparaturen wie Solaranlagen und Bewässerungsanlagen wieder flottzukriegen, indem wir Energiekerne aufstöbern und mechanische Knobelaufgaben lösen. Hier beweisen die Programmierer viel Gespür, denn die Aufgaben werden sukzessive fordernder, ohne auszuufern oder gar Frust auszulösen. Beispielsweise eine Lösung via Periodensystem gegen Mitte der Kampagne sei hier zu nennen, während nur selten plumpe Pseudoherausforderungen wie das Öffnen eines Fahrstuhls mithilfe einer zuvor aus einer Leichenhalle entwendeten Hand die austarierte Balance temporär etwas eintrüben.

Für Abwechslung sorgen kleinere Verfolgungs- und Stealtheinlagen, die jedoch weder besonders fordernd noch stimmig ausfallen. So taucht im ersten Drittel des Spiels plötzlich ein eher uninspiriertes Tentakelmonster auf und will uns an die Astronautenwäsche. Uns bleibt wie immer bei Feindkontakt nur die Flucht durch einen auch hier fast nahtlos vorgegebenen Weg, den wir einfach ablaufen bis die Gefahr vorüber ist. Später im Spiel gilt es an einer Stelle patrouillierenden Androiden auszuweichen, doch deren Sichtkegel scheinen nur auf wenige Zentimeter Radius eingestellt und so erzeugt die Passage keinerlei Spannung. Mit diesen und einigen weiteren Situationen verschenkt Moons of Madness leider unnötig Potenzial.

Klar, man hat es hier nicht mit einem Resident Evil zu tun, in dem gerade das Gefühl permanenter Bedrohung zum Markenkern eines jeden (guten) Ablegers gehört. Allerdings kommt in Shanes Abenteuer viel zu selten echte Angst in uns hoch und selbst die wenigen Schockmomente entpuppen sich als eher billig geskriptete Jump Scares. Wenn dann auch noch, wie im Fall eines „Bosskampfes“ gegen einen Mensch-Pflanzen-Hybrid, die zwar grundsolide, aber eben speziell beim Figurendesign alles andere als feine Technik jedes Grauen mithilfe grober Texturen zusätzlich unterdrückt, verabschiedet sich der Horror viel zu leicht. Etwas mehr echte Bedrohung wäre also gerade bei Monsterkontakt definitiv angebracht gewesen.

Segnet man trotz geringer Gefahr einmal das Zeitliche, können hingegen die nicht immer optimal platzierten Checkpoints nerven, da einige Rätselkniffe und längere Wegstrecken unnötigerweise wiederholt werden müssen. Generell vermissen wir auch etwas mehr spielerische Freiheit oder optionale Zusatzaufgaben, die den Wiederspielwert oder zumindest das Erkunden der Station weiter befördern könnten. Man merkt überdeutlich, wie sehr es den Machern um ihre Erzählung ging, von der nicht abgelenkt werden soll und die nicht auf Wiederspielwert mittels weiterer Freiheiten hin ausgerichtet ist. Akzeptiert man diesen Umstand, weiß die Story bis auf ihre Vorhersehbarkeit zu fesseln. Gerade die mehrfach vollzogenen Settingsprünge passen perfekt zur düsteren Mythologie des Titels und der Umgang mit Lovecrafts Motiven dürfte Fans über die gesamte Spielzeit ein wohliges Lächeln ins Gesicht zaubern.

Hätte sich Rock Pocket Games also darauf konzentriert, das Adventure technisch zu verfeinern und die Konfrontationen mit den Monstern in sich stimmiger und damit bedrohlicher auszugestalten, hätte das Ergebnis deutlich an Qualität gewonnen. Dennoch wollen wir nicht zu streng urteilen, denn Moons of Madness gleicht diese Mankos mit handlicher Spielbarkeit, guter Rätselbalance und einer atmosphärisch zuweilen stark vorangetriebenen Geschichte aus und sollte daher für Lovecraftianer und Genrefans die Anschaffung wert sein.

Fazit

Kosmisch angehauchter Mars-Horror, dessen Story und Adventure-Elemente angenehm unterhaltsam ausfallen. Konventionalität und einige schlecht inszenierte Schockmomente drücken leider den Gesamteindruck.

Moons of Madness • Rock Pocket Games • Horror-Adventure • PS4/Xbox One/PC

Abb. © Funcom

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