H. P. Lovecrafts „Berge des Wahnsinns“ als Manga

Der 1975 geborene Manga-Künstler Gou Tanabe hat seine Königsdisziplin gefunden: Seit 2004 adaptiert er sich durch das einflussreiche Weird-Fiction-Schaffen von Horror-Altmeister H. P. Lovecraft (im Shop). Seine Comic-Interpretationen, die zunächst serialisiert in japanischen Manga-Magazinen erscheinen, wurden als Sammelbände z. B. in Deutschland, Amerika, Frankreich und Italien aufgelegt, brachten ihm aber auch einen der Preise des renommierten Comic-Festivals in Angoulême sowie eine Nominierung für den prestigeträchtigen amerikanischen Eisner Award ein.

Auf Deutsch hat der Hamburger Verlag Carlsen bereits die Storysammlung „Der Hund und andere Geschichten“ und den Band „Die Farbe aus dem All“ veröffentlicht, Letzteres mit einem Nachwort von Kollege Thorsten Hanisch. Gerade kam der erste Band einer zweiteiligen Adaption von „Berge des Wahnsinns“ heraus, einem der absoluten Lovecraft-Klassiker und Genre-Meilensteine, der ursprünglich 1936 im Pulp Magazine „Astounding Stories“ abgedruckt war. Lovecraft nutzte seine stimmungsvolle Abenteuergeschichte über Forscher in der Antarktis für eine Edgar Allan Poe-Hommage sowie für einen wichtigen Exkurs in die Welt seiner Großen Alten und seines kosmischen Schreckens.

Gou Tanabe, der sich mit jeder Adaption gesteigert hat, interpretiert die Story in klaren, schwarz-weißen Manga-Zeichnungen, die dem mysteriösen Polar-Abenteuer genauso gut stehen wie dem Lovecraft-Horror samt seiner bizarren Monster. Tanabes Strich ist trotz übernatürlichem Grauen etwas für Anhänger des Taniguchi-Realismus, und seine vielen Doppelseiten, die oft raue polare Landschaften zeigen, sind schlicht atemberaubend. Stark visualisiert, originalgetreu stimmungsvoll und schön aufgemacht – Herz, was willst du mehr, außer den zweiten Band? Und der ist bereits für Oktober angekündigt. Dann wird auch die Buchsonderausgabe von „Cthulhus Ruf“ mit Illustrationen von François Baranger bei Heyne erscheinen (im Shop). Dieser andere Grundpfeiler des Lovecraft’schen Mythos gehört übrigens zu den Werken HPLs, die Gou Tanabe nach „Berge des Wahnsinns“ in Angriff genommen hat.

Die bis dato beste Adaption von Lovecrafts kosmischem Schrecken durch den Japaner begeistert erfahrene Kultisten wie neugierige Einsteiger – und besticht innerhalb des Manga-Bezugssystems obendrein als Lovecraft-Comic für Taniguchi-Genießer.

Abb.: © 2016, 2017 Tanabe Gou. © der deutschen Ausgabe Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2020

Gou Tanabe: H. P. Lovecrafts Berge des Wahnsinns Teil 1 • Carlsen, Hamburg 2020 • 296 Seiten • Klappenbroschur: 18,00 Euro