3. April 2021

„Natsuki Chronicles“: Kugelhagel mit Adrenalingarantie

Kurztest: Ein modernisiertes Shoot’em-Up alter Schule

Lesezeit: 4 min.

Wer in den 80ern und 90ern aufwuchs und auf Videospiele stand, kam an diesem Genre ebenso wenig vorbei wie an Jump´n´Runs oder Point&Click-Adventures. Die Rede ist von Shoot’em-Ups, also von links nach rechts oder von oben nach unten scrollenden Raumschiffballereien, in denen sich der Bildschirm oft dermaßen schnell mit kontaktfreudigen Gegnern und Geschossen (meist Kugeln) füllte, dass man trotz Bewaffnung und einsammelbarer Power-Ups gerne mal nur noch mit Reaktionen an der Grenze zum Unbewussten durch so manchen Level kam – um sich anschließend von Zusehern ob der eigenen Reflexe bewundern lassen zu dürfen.

Unter diesem Gesichtspunkt wundert es sicher niemanden, dass für Shoot’em-Ups auch der liebevoll gemeinte Begriff der Bullet-Hell salonfähig wurde. Unvergessene Ikonen wie R-Type, Gradius oder Thunder Force lassen in diesem Kontext beim ein oder anderen Leser (hoffentlich) wohlige Jugenderinnerungen aufkommen; allerdings ist das Genre des Shoot’em-Ups schon länger aus der Mode gekommen und fristet mangels zugkräftiger Blockbuster und einem aus heutiger Perspektive schon etwas arg verstaubten, reduziert minimalistischen Spielprinzip nur noch ein Nischendasein.

Doch genau das eben anzitierte Hochgefühl bedient das hier vorgestellte Natsuki Chronicles bis zur Ekstase und trifft damit sicherlich bei vielen Genreliebhabern einen Nerv. Der Shooter erschien tatsächlich bereits 2019 auf Xbox One und sorgte unter echten Kennern für Aufsehen, ehe er im Februar diesen Jahres seinen Weg nun auch auf PC und PS4 fand. Natsuki Chronicles ist aktuell digital für rund 20 Euro zu haben und jeden Cent absolut wert. Denn ähnlich wie seine großen Vorbilder mixt das horizontal scrollende Spiel adrenalingetriebene Kugelhagelballerei-Mechanik mit schick übertriebenem Level- wie Gegnerdesign, treibendem Soundtrack und knackigen Explosionseffekten, sodass es eine wahre Freude ist.

Als würde das nicht schon reichen, kredenzen uns die Macher aber sogar eine recht annehmbare, durch und durch typisch japanische Story, in der wir die Heldin Natsuki näher kennenlernen. Kleiner Fakt am Rande: Wer den schon sechs Jahre alten Quasi-Vorgänger Ginga Force gespielt hat, bekämpfte dort Natsuki bereits als Bossgegner. Nun schwingen wir uns aber mit der wehrhaften Dame selbst hinter das Steuer eines Kampfgleiters und erleben in bester „Vernichte alle Alien-Invasoren“-Manier eine Kampagne über zehn Abschnitte, in der sogar mehrere Zeitebenen storytechnisch abgedeckt sind. Wer der etwas verworrenen Handlung (in japanischer Sprache mit englischen/deutschen Untertiteln) trotz guter Momente und für das Genre relativ liebevoller (Standbild-)Präsentation jedoch nicht so recht folgen kann, muss sich nicht grämen. Der Kern von Natsuki Chronicles bleibt bei allem Nebentand das mitreißende Shooter-Gameplay, welches man wahlweise ebenso im Arcade-Modus bestreiten darf.

Die Stages geizen naturgemäß nicht mit abwechslungsreichen Hintergrundszenarien und setzen uns jeweils massig Kanonenfutter vor unsere Wummen. Als spielerischer Kniff erweist sich dabei der Umstand, dass wir nicht mit möglichst vielen, nach einem Treffer dahinschmelzenden Leben durch das Treiben hindurchkommen müssen, sondern unser Schiff neben der obligatorischen Primär- und Sekundärwaffe über Schutzschilde verfügt, die sich automatisch regenerieren. Hier kommt es tatsächlich auf jedes Detail an, wenn wir es wollen. Denn wir können dank vielfältiger, nach Erwerb frei bestückbarer Waffensysteme wie Vulcan-Streuschuss, zielsuchender Rakete, Bomben oder Laser viel experimentieren und mithilfe eines zusätzlichen Schildes etwa auch feindliche Geschosse absorbieren. Die sehen wir übrigens mithilfe roter Linien, die deren Flugbahn anzeigen, wesentlich besser als in den frühen Tagen des Shoot’em-Ups – nur eines von mehreren Komfortfeatures, die Natsuki Chronicles bei aller Oldschooligkeit zu einem modernen, weil spielerfreundlichen Ballervergnügen machen.

Um alle Waffen freispielen zu können, müssen wir zwar Levels mehrfach absolvieren, jedoch motiviert die Jagd nach Highscores, Erfahrungspunkten und Belohnungen gerade aufgrund des in den beiden höheren (wählbaren) Schwierigkeitsgraden knackigen Kriegsgetümmels ungemein. Als Salz in der Suppe entpuppen sich dabei speziell die dicken mehrstufigen Bossgegner am Ende jeder Stage, die zunächst übermächtig scheinen, jedoch mit Beobachtung und Übung die letzte Motivation aus uns herauskitzeln, diesen Riesendingern unbedingt ihren Stecker ziehen zu wollen. Kurzum: eine top Spielbalance!

Abzüge gibt es wiederum leider für die eher biedere Technik und den zu vorhersehbaren Plot (wir spielten auf PS4), doch wenn es um die Basics des Genre wie Steuerung, Actiondichte, Abwechslung oder eben Herausforderungsbalance geht, macht Natsuki Chronicles die ohnehin viel zu spärliche Konkurrenz kaum etwas vor. Ein gut gemachter Nischentitel also, der sein Publikum hoffentlich noch etwas erweitern kann.

Fazit

Knackiger Sidescroll-Shooter, der Retrofans trotz kleinerer Abstriche in Sachen Action begeistern dürfte.

Natsuki Chronicles • Qute Corporation • Shoot‘em-Up • PC/PS4/Xbox One

Abb. © Rising Star Games

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.