6. Juli 2021

„Alex Kidd in Miracle World DX“: Jan-Ken-Pon!!!

Gelungene, wenn auch frustrierende Rückkehr der einstigen Sega-Ikone

Lesezeit: 5 min.

Es ist schon unglaublich, wie alt man sich fühlen kann, wenn man eine Spieleperle aus der eigenen Kindheit mal wieder zwischen die Gamepad-Finger bekommt. So geschehen mit dem Ende Juni erschienen Remake von Alex Kidd in Miracle World, das mich vor rund 30 Jahren auf Segas 8-Bit-Konsole Master System schon zur Verzweiflung trieb, ohne mich letztlich aber komplett abzuschrecken. Denn zu spannend war das für heutige Maßstäbe völlig unschöne Gehüpfe und Geboxe mit dem kleinen Jungen mit den Riesenohren durch die sehr kurzen Jump&Run-Abschnitte dieses unverschämt schweren Spiels, sodass man selbst die dümmsten Game Overs nach einer haarsträubenden pingeligen Kollisionsabfrage oder eines Abgrundtodes irgendwie in Motivation ummünzen konnte.

So habe ich mich wie ein kleines Kind auf das Remake gefreut, das nun für alle aktuellen Konsolen sowie PC für rund 20 Euro digital erhältlich ist (wir berichteten im Vorfeld). Doch es gehört zu wohl fast jeder Kindsfreude auch das kleine Erwachen, wenn so manche Verklärung Platz macht für die Wahrheit ohne weichzeichnende Retrobrille. Das soll keineswegs bedeuten, dass das Remake ein schlechter Nostalgieausflug geworden ist, doch dazu gleich mehr. Zunächst für alle, die Alex Kidd vielleicht nicht (mehr) kennen, eine kleine Einordnung. Alex Kidd in Miracle World sollte seinerzeit Super Mario und damit Nintendo auf dem Genremarkt Konkurrenz machen, versagte dabei aber kläglich. Denn obwohl auch Alex Kidd mit Charme, Sprungpower und sogar einer Boxfaust ausgestattet war, konnten gerade die Figuren um ihn herum nicht mit Marios Sidekicks wie Bruder Luigi oder Schurke Bowser mithalten und auch der Rest fühlte sich zu sehr wie eine Nachahmung an.

Dazu gesellte sich ein Leveldesign, das zwar viel Abwechslung brachte, dem es aber im direkten Vergleich dennoch an dem Flow-Gefühl eines guten Mario-Titels fehlte. So stand eine Niederlage auf sehr hohem Niveau, wie man damals wohl auch bei Sega einsah. Zwar folgten über die Jahre noch ein paar mehr oder weniger halbherzige Wiederbelebungsversuche, doch letztlich setzte Sega mit Turboigel Sonic schon bald auf ein anderes Hüpf-Zugpferd, welches Alex Kidd etwas in Vergessenheit geraten ließ.

Das Remake setzt es nun genau beim Original an und verpackt das erzählerisch natürlich damals schon komplett lapidar gehaltene „Kleiner Auserwählter muss die Welt gegen Schurken retten“-Geschehen in eine technisch zeitgemäße Retrografik. Schön dabei: Wer will, kann jederzeit via Knopfdruck zwischen moderner und damaliger Grafik hin- und herschalten, womit genau vergleichbar ist, wie sehr sich die Macher von Merge Games ans Original und dessen Leveldesign halten.

Alex rennt ganz klassisch von links nach rechts, zerhaut im Weg stehende Blöcke und tierische, meist starr herumlaufende Gegner und sammelt dabei neben Geldsäcken für manchmal auftauchende Item-Shops noch Extras wie zusätzliche Leben auf. In den Shops warten dann Gadgets wie ein manuell betriebener Hubschrauber, ein (viel zu) schnelles Motorbike oder ein Zauberstab, die sich allesamt einmalig verwenden lassen und bei der kleinsten Berührung kaputt gehen. Das gilt ebenso für unseren Helden, der wirklich nichts einstecken kann und in einer geradezu putzigen Animation das Zeitliche segnet.

Die werden selbst geübte Spieler auch beim Remake sehr häufig zu Gesicht bekommen, denn am harten Schwierigkeitsgrad, der gerne mal ins Unfaire abdriftet, haben sich die Entwickler ebenfalls fast eins zu eins gehalten. Hier kommen wir zum wohl größten und vielleicht sogar einzigen echten Manko des Remakes, das aber ausreicht, um einem den Spaß trotz einer einstellbaren Unendlich-Leben-Option und einigen Check-Points zu vermiesen, nämlich die unfassbar schwammige Steuerung und die eben tatsächlich auch diesmal ultrapingelige Kollisionsabfrage. Mir ist aus heutiger, natürlich in Sachen Spielkomfort sehr bequem gewordener Haltung absolut schleierhaft, wie man diesen Titel mit drei Leben als Standard bis zum Game Over bzw. Neustart am jeweiligen Levelanfang spielen konnte, ohne nicht in Heul- und Schreianfällen die eigene Bude auseinanderzunehmen.

Durchgeschafft habe ich Alex Kidd als Kind nämlich (aka natürlich) nie und ohne unendliche Leben hätte ich es ebenso beim Remake nicht. Besonders ärgern mich dabei zahlreiche Stellen in den Schlössern, Vulkanen, Sümpfen oder Waldgebieten, in denen schon durch die Anordnung der Blöcke und Feinde klar wird, dass es die Macher gezielt darauf anlegen, uns mit der viel zu sensiblen Steuerung in den Wahnsinn zu treiben. Hätte man das nicht doch im Remake benutzerfreundlicher gestalten können? Oder zumindest unterschiedliche Spielmodi anbieten können?

Ansonsten gibt es aber überraschenderweise nichts zu meckern, denn die rund eine Stunde Nettospielzeit (wenn man denn so gut wäre!), hält zusätzlich zu den kompetent umgesetzten Arealen und niedlichen Figuren (bei sauberer Technik, zumindest auf der von uns getesteten PS4-Version) einen sympathischen Retrosound (inklusive Originalmusik, aber weiterhin ohne Sprecher) und vor allem einige Überraschungen bereit, falls man das Original nicht kennt.

Die Größte dürfte wohl in den einzigartigen Bossfights liegen, die tatsächlich zunächst ausschließlich mit Schere-Stein-Papier-Gefechten (oder Jan-Ken-Pon) ablaufen. Wenn man wollte, könnte man Glücksspiel dazu sagen, denn auskucken kann man die Gegner hier nicht, sondern nur aus möglichen „Fehlern“ für den nächsten Anlauf lernen und sich die jeweilige Wahl der Gegner einfach merken – wer möchte nochmal mit normaler Lebensanzahl spielen? Ob die Macher speziell mit diesen Battles einen augenzwinkernden Kommentar auf ihr Gesamtgameplay liefern wollten, muss an dieser Stelle allerdings ein weiterhin gut gehütetes Geheimnis der Alex Kidd-Historie bleiben.

Fest steht jedoch, dass das Remake für Nostalgiker, Retro- und natürlich Jump&Run-Fans einen Blick wert ist und das zugegebenermaßen extrem überdreht poppige Artdesign des Remakes angenehmer ausfällt, als es auf den ersten Blick wirkt. Alex Kidd hätte nun, ähnlich wie Kollege Wonder Boy, aber auch ein echtes Revival in Form eines wirklich zeitgenössischen Titels verdient. Vielleicht ist mit diesem Remake ein Anfang in diese Richtung gemacht.

Fazit

Bockschwer bis unfair, gleichzeitig charmant, abwechslungsreich und putzig: Das Alex Kidd-Remake wird dem Original in jeder Hinsicht gerecht.

Alex Kidd in Miracle World DX • Merge Games • Jump`n`Run • PS4/PS5/Xbox One/Xbox Series X/Switch/PC

Abb. © Merge Games

 

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