24. Dezember 2021 1

„Don’t Look Up“ – Sieh nicht hin

Adam McKays missglückte Ende-der-Welt-Satire

Lesezeit: 3 min.

Zu Beginn seiner Karriere drehte Adam McKay brachiale Komödien wie „Anchorman – Die Legende von Ron Burgundy“, „Ricky Bobby – König der Rennfahrer“ oder „Stiefbrüder“, die große Erfolge waren, aber von der Kritik eher belächelt wurden. Auch Filmpreise bekommt man in Hollywood für Komödien eher selten, zum Lachen verleitet werden wird seltsamerweise immer noch als weniger „bedeutend“ gesehen, als „wichtige“ Themen zu verhandeln.

Da aber die meisten amerikanischen Filmschaffenden früher oder später gerne Preise gewinnen wollen, im besten Fall einen Oscar, drehen sowohl Schauspieler als auch Regisseure irgendwann Filme, die nicht nur gut sein wollen, sondern auch relevant. Bei McKay bedeutete das „The Big Short“, ein bemerkenswerter Film über die Ursachen und Folgen der Finanzkrise von 2007, die mit einem Starensemble und einem stilistischen Feuerwerk umgesetzt wurde. Es folgte „Vice – Der zweite Mann“, ein bitterböses Porträt von Dick Cheney, der unter George W. Bush Vizepräsident war und einer der Architekten von Irak- und Afghanistankrieg. Schon dieser Film war eher Drama als Satire, krankte wie so viele Filme, die von eher liberalen, den Demokraten nahestehenden Regisseuren gedrehten Filmen an einer etwas selbstgefälligen Haltung: Man wähnt sich auf der moralisch richtigen Seite, meint genau zu wissen, was richtig und falsch ist und lässt den Besserwisser raushängen.

Nun also „Don’t Look Up“, vorgeblich ein Film über einen Kometen, der auf die Erde zufliegt und unweigerlich das Ende der Menschheit verursachen wird, vielmehr jedoch eine Anklage der relativen Untätigkeit, mit der die Menschheit sich der drohende Klimakrise annimmt, bzw. eben nicht. Dieser Kontext erklärt auch, warum der nebenberufliche Klimaaktivist Leonardo DiCaprio die Hauptrolle übernahm. Er spielt den Astronom Dr. Mindy, dessen Assistentin Kate Dibiasky (Jennifer Lawrence) zufällig einen Kometen entdeckt und zwar einen richtig großen. Doch weder bei der Präsidentin Janie Orlean (Meryl Streep als weiblicher Trump, hier einen Mann zu casten wäre wohl selbst für McKay zu platt gewesen), noch bei einer von Brie Evantee (Cate Blanchett) moderierten Talkshow finden die Wissenschaftler Gehör. Später, als die Gefahr doch erkannt und eine „Armageddon“-ähnliche Komet-Zerstörungsmission geplant wird, verhindert der Milliardär Peter Isherwell (Mark Rylance als Mischung aus Steve Jobs und Elon Musk) die Rettung der Menschheit, denn er will lieber die auf dem Kometen befindlichen Metalle ausbeuten. Was natürlich misslingt, schließlich ist es erklärtes Ziel von Adam McKays Film zu zeigen, wie dumm die Menschheit im Angesicht der Katastrophe agiert.

Und dass die Menschheit im Angesicht der Klimakatastrophe vorsichtig ausgedrückt eine gewisse Behäbigkeit an den Tag legt, lässt sich kaum bestreiten. Warum auch sich um zunehmende Wetterkapriolen kümmern, wenn man Online lustige Katzenvideos anschauen kann? Warum sich über exzessive Konsum Gedanken machen, wenn der neueste Klatsch und Tratsch aus dem Liebesleben von Prominenten Ablenkung verspricht? Da steckt man doch viel lieber den Kopf in den Sand, bzw. schaut gar nicht erst nach oben, wenn einfach nicht hinsehen eine drohende Katastrophe vertreibt: Aus den Augen aus dem Sinn.

Diese Muster zeigt Adam McKay in „Don’t Look Up“ auf, eine überzeichnete Satire ist das allerdings nicht, vielmehr eine reichlich trockene Darstellung der tristen Realität der Gegenwart. Die üblichen Verdächtigen bekommen dabei ihr Fett weg, eine schier endlose Riege bekannter Schauspieler gibt sich die Ehre, doch anders als etwas bei „The Big Short“ geht der Erkenntnisgewinn hier gegen Null. Zu ernst nimmt McKay und natürlich sein Star Leonardo DiCaprio das Thema (und auch sich selbst) als das eine wirkliche absurde Satire im Stil von Kubricks „Dr. Seltsam“ entstehen könnte. Statt dessen rennen sie offene Türen ein und wissen sich in jedem Moment auf der moralisch richtigen Seite. Das mag tatsächlich richtig sein, besonders unterhaltsam ist es aber nicht.

Don’t Look Up • USA 2021 • Regie: Adam McKay • Darsteller: Leonardo DiCaprio, Jennifer Lawrence, Meryl Streep, Cate Blanchett • ab 24. Dezember bei Netflix

Kommentare

Bild des Benutzers Mattaeng

Ich denke, dass eine Gesellschaftliche Haltung oder eben Problematik nicht weiter überspitzt werden kann. Die Probleme unserer Gesellschaft sind kaum absurder dazustellen, und so bekommt der Film seine Faszination nicht aus der Tatsache, das er eine Satire sein soll, sondern aus der Tatsache, dass man sich einfach von diesem Film verstanden fühlt und das einfach gut tut. Ich denke der Film bewegt einem einem sehr und man durchlebt das moralische Dilemma, über Situationen zu lachen, über die man sich in der realen Welt schon lange nicht mehr amüsieren kann. Da spielen dann in diesen Situationen so viele Gefühle eine Rolle, dass man dies nur selten in anderen Filmen erlebt.
Ich habe das tiefe Bedürfnis eher einfach "Danke" zu sagen, dass sich der Zuschauen verstanden fühlt in seiner ganzen Machtlosigkeit und Verzweiflung.
Welcher Film schafft das schon ?!?! Dies gelingt sonst eher dem Genre der Dokumentationen.

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