Der ewige Krieg – Fünf Romane über Konflikte in der Zukunft
Über Kämpfe und ihre Folgen schreiben Joe Haldeman, Adrian Tchaikovsky, Ann Leckie, Arthur C. Clarke und Iain Banks
Außerirdische, KI, Zeitreisen: Die Science Fiction liebt das Spiel mit der Zukunft und ihren Möglichkeiten. Sie kann aber auch andere Töne anschlagen, wenn sie unsere Vergangenheit oder Gegenwart spiegelt. ÜberJahrzehnte hinweg haben sich daher auch viele Autorinnen und Autoren mit den Folgen von Kriegen auseinandergesetzt. Es folgt eine kleine Auswahl an Romanen, die das Leid und die Traumata thematisieren – und den Vergleich mit bekannten Anti-Kriegsromanen nicht scheuen müssen.
Für viele ist Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues“ bis heute der Inbegriff eines Antikriegsromans. Seit der Erstveröffentlichung im Jahr 1928 ist die Geschichte mehrmals adaptiert und neu interpretiert worden. Nicht zuletzt hat Remarques Roman weltweit Autorinnen und Autoren geprägt, wenn es um die Niederschrift der eigenen Kriegserinnerungen und -traumata ging. Wer „Im Westen nichts Neues“ kennt, dem fallen sofort die vielen Parallelen zu Joe Haldemans Klassiker „Der ewige Krieg“ auf: von der Ausbildung der jungen Rekruten über die Gefechte bis zur Entfremdung von der Heimat reicht die Bandbreite. Allerdings steht hier nicht der Erste Weltkrieg Pate für das Grauen der Schlachtfelder, sondern Amerikas eigenes nationales Trauma: der Vietnamkrieg, in dem Haldeman gedient hat. Seine Geschichte des einfachen Soldaten Mandella und seiner ebenfalls kämpfenden Gefährtin Marygay bekommt dennoch eine eigene Dynamik. Denn wer im All kämpft, kämpft losgelöst von Zeit und Raum, mag zehn Jahre dienen, während zigtausende Jahre auf der Erde vergehen. Vermutlich gibt es kaum eine bessere Metapher für das ewige Leiden, das ein Krieg auslöst – egal wie kurz oder lang er dauert. Sonja Stöhr
Joe Haldeman: Der ewige Krieg • Aus dem Englischen von Birgit Reß-Bohusch • Wilhelm Heyne Verlag, München 2000 • 336 Seiten • € 10,00 (im Shop)
Was passiert, wenn der Mensch eine Waffe „züchtet“ und diese plötzlich ihrem freien Willen folgen kann? Dieses Szenario hat Adrian Tchaikovsky in seiner Military-Science-Fiction-Biopunk-Mischung „Im Krieg“ entworfen. Darin folgen wir Rex, dem Anführer eines tierischen Rudels von Supersoldaten, halb Mensch, halb Tier, durch das vom Krieg gezeichnete Mexiko. Während er seine Einsätze ausführt, hat der 2,30 Meter großer Canide nur einen Wunsch: ein guter Hund zu sein. Für sein Herrchen ist er genau das, wenn Rex ihm gehorcht – und tötet. Doch nach und nach kommen Rex Zweifel an seinem Handeln. Sind seine Gegner vielleicht keine brutalen Revolutionäre, sondern harmlose Bauern? Verübt er Heldentaten oder Kriegsverbrechen? Und kann er sich gegen den Befehl seines Herrn auflehnen? Tchaikovsky konfrontiert uns mit einer Kriegsführung, die unsere Vorstellungskraft noch übersteigt. Seine Themen sind aber universell und die Botschaft ebenfalls: Auch im Krieg gilt es, das Richtige zu tun und sich die Menschlichkeit zu bewahren. Sonja Stöhr
Adrian Tchaikovsky: Im Krieg • Aus dem Englischen von Peter Robert • Wilhelm Heyne Verlag, München 2019 • 384 Seiten • € 14,99 (im Shop)
Zugegeben: In Ann Leckies „Imperial Radch“-Trilogie ist der Krieg zunächst nicht das zentrale Thema. Er ist aber ein wichtiger Teil des Machthungers, der von einem faschistoiden Imperium und seiner Kaiserin ausgeht. Im Mittelpunkt von „Die Maschinen“, „Die Mission“ und „Das Imperium“ steht ein Werkzeug dieses Reiches: Breq, das letzte verbliebene Fragment des großen Truppentransporters „Gerechtigkeit der Torren“. Die einst mächtige Schiffs-KI weilt nun in einem eher schwachen, aber immer noch zum Töten umfunktionierten Hilfskörper; einem weiteren Opfer des expandierenden Empires. Und als solches möchte Breq nur eines: Rache nehmen an der Kaiserin für ihre Zerstörung und den Tod ihrer Schützlinge. Allerdings: So kämpferisch sie ist, so zerbrechlich ist sie auch. Denn Breq ist – wie viele reale Kriegsopfer oder Soldatinnen – hoch traumatisiert, ohne die „Torren“ quasi um ihre Existenz gebracht und immer leicht entrückt von ihrer Umgebung. Doch als sie eine ihrer ehemaligen Lieutenantinnen wieder trifft und vor dem Tod bewahrt, verändert sich Breqs Streben nach und nach. Sie wird in einen seit langem währenden Bürgerkrieg hineingezogen – und findet am Ende doch einen Weg, der ihr und ihren Gefährtinnen etwas verspricht, von dem im Krieg viele träumen: Frieden. Sonja Stöhr
Ann Leckie: Die Maschinen • Aus dem Amerikanischen von Bernhard Kempen • Wilhelm Heyne Verlag, München 2015 • 544 Seiten • € 14,99 (im Shop)
Ann Leckie: Die Mission • Aus dem Amerikanischen von Bernhard Kempen • Wilhelm Heyne Verlag, München 2016 • 480 Seiten • € 14,99 (im Shop)
Ann Leckie: Das Imperium • Aus dem Amerikanischen von Bernhard Kempen • Wilhelm Heyne Verlag, München 2017 • 448 Seiten • € 14,99 (im Shop)
Arthur C. Clarke: Die letzte Generation
Unter den vielen, vielen Romanen, die das Thema Krieg in der Zukunft behandeln und speziell das einer Invasion durch Außerirdische, ist „Die letzte Generation“ bis heute eine Ausnahmeerscheinung. Denn Clarke hatte zu Beginn der 1950er offenbar genug von den „bug eyed monsters“, die die Erde für ihre finsteren Gelüste missbrauchten. Auch hier kommen die Außerirdischen und sie nennen sich ganz unbescheiden „Overlords“. Sie bringen Frieden, Wohlstand und Fortschritt. Es ist die friedlichste Invasion der SF-Geschichte. Und doch hat man die ganze Zeit ein mulmiges Gefühl. Aber nicht, weil die Overlords heimlich Menschenfleisch essen oder sonst eine üble Schandtat im Hintergrund vorbereiten. Sondern weil sie die Menschen schlicht entmündigen und ihre eigenen Vorstellungen oktroyieren. Die Erde wird zu einer Kolonie und die Kinder der Kolonisierten entfremden sich von ihren Eltern. Auf den ersten Blick wirkt das alles sehr naiv, zumal den Kindern ein tolles Leben zwischen den Sternen winkt, aber das mulmige Gefühl bleibt. Denn nicht wenige Leserinnen und Leser fanden die Evolution Richtung Sternenkinder total toll, erst recht, weil die Menschen ja nur ganz lieb zu ihrem Glück gezwungen werden. Dabei ist das, was die Overlords da treiben, schlicht ein Ausrottungskrieg, den man schön verpackt hat. Bernd Kronsbein
Arthur C. Clarke: Die letzte Generation • Aus dem Englischen von Else von Hollander-Lossow • Wilhelm Heyne Verlag, München 2003 • 288 Seiten • € 9,99 (im Shop)
Iain M. Banks: Bedenke Phlebas
Der Zyklus von Romanen rund um die Kultur zählt mit zum Besten, was die moderne SF zu bieten hat, und „Bedenke Phlebas“ war 1987 ein bestechender Auftakt. Schon der Titel ließ aufhorchen, denn er bezieht sich auf T. S. Eliots Gedicht „The Waste Land“, das sollte die Sinne gleich schärfen. Der Zyklus erzählt vom Krieg der Kultur gegen die Idirianer, deren Lebensauffassungen und Auffassung von Leben so verschieden sind, dass sie offenbar gar nicht anders können, als sich gegenseitig umzubringen. Auftritt Bora Horza Gobuchul. Der wird in diesen Konflikt hineingezogen, und es beginnt eine gigantische Space Opera mit allem, was dazugehört. Und die so ziemlich alle Space Operas in den Schatten stellt an Abenteuerlust, Schauwerten, Action und schillernden Ideen. Aber – und das ist der große Witz dieses großen Buchs – wenn das riesige, Welten erschütternde Abenteuer vorbei ist, kommen noch die Anhänge. Und wer jetzt aufhört zu lesen, weil ihn der „Herr der Ringe“ das gelehrt hat, begeht einen Fehler. Denn erst die Anhänge machen „Bedenke Phlebas“ zum Meisterwerk, denn hier beginnt die Einordnung des zuvor Gelesenen in den Krieg zwischen Kultur und Idirianern. Und das ist ein Augenöffner, der enorme Wirkung hat und unvergesslich ist. Bernd Kronsbein
Iain Banks: Bedenke Phlebas • Aus dem Englischen von Rosemarie Hundertmarck • Wilhelm Heyne Verlag, München 2019 • 768 Seiten • € 10,90 (im Shop)
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