27. März 2022

„Halo“ - Der Masterchief ist im Anmarsch

Nach vielen Jahren wurde der legendäre Ego-Shooter verfilmt

Lesezeit: 3 min.

Früher mühten sich ambitionierte Filmemacher an Verfilmungen so genannter unverfilmbarer Romane wie James Joyces „Ulysses“ oder Thomas Pynchons „Gravity’s Rainbow“ ab, heute scheint es der Heilige Gral der filmischen Adaption zu sein, endlich eine gelungene Videospielverfilmung vorzulegen. Warum Hollywood dieses Ziel seit gut 30 Jahren verfolgt ist klar: Wenn auch nur die Hälfte der Gamer in eine Verfilmung ihres liebsten Spiels gehen hat man einen Hit, ganz einfach.

So einfach ist das aber nicht, wie mehr oder weniger misslungene Spieleverfilmungen von „Super Mario Bros.“ (der vermutlich inzwischen hübschen Trash-Appeal besitzt, ich bin mir aber nicht sicher ob ich das überprüfen möchte…) über „Doom“ bis zu weiten Teilen des Ouevres Uwe Bolls gezeigt haben. An kaum einem Spiel dürften sich jedoch so viele bemerkenswerte Autoren und Regisseure abgearbeitet haben wie an „Halo“: Peter Jackson und Steven Spielberg, Neill Blomkamp und Alex Garland entwickelten Drehbücher, ließen das Projekt dann jedoch fallen. In den Archiven von Agenten und Produzenten dürften also Dutzende, wenn nicht hunderte Versionen eines „Halo“-Drehbuchs lagern, doch nun ist es vollbracht: Paramount+ steckte sehr viel Geld – man munkelt von mindestens 10 Millionen Dollar pro Folge! – in eine Serie, die von den eher unbekannten Machern Steven Kane und Kyle Killan erdacht wurde.

Die Faszination, die „Halo“ auf Filmemacher ausgeübt hat, liegt weniger im simplen Gameplay, das zwar für das Genre des Ego-Shooters wegweisend war, narrativ aber so dünn blieb, wie Ego-Shooter nun einmal sind. Viel spannender war die Backstory, die weniger in den Spielen selbst, als in einem zunehmend ausufernden Wust an Romanen, Kurzgeschichten und Graphic Novels ausgebreitet wurde. In gewisser Weise ist die „Halo“-Serie nun also weniger eine Verfilmung der Spiele selbst, als dieser ursprünglichen Nebenprodukte.

Auf dem Planeten Madrigal beginnt die Handlung, wo Krieger des Covenant fast eine ganz Siedlung ausrotten. Nur Kwan Ha (Yerin Ha) wird im letzten Moment von den Spartanern des Silver Teams gerettet und vom Master Chief (Pablo Schreiber) unter die Fittiche genommen. Dieser findet in einer Höhle ein seltsames Artefakt, dass die Aufmerksamkeit von Dr. Halsey (Natascha McElhone) erweckt. Als Mensch ohne Vergangenheit sollte der Master Chief zwar eine perfekte Kampfmaschine sein, doch immer wieder wird er von Erinnerungen geplagt, die ihn verstören und im Lauf der ersten Staffel (eine zweite ist schon bestellt) vermutlich menschlicher machen als die gefühllose Kampfmaschine der ersten Folge.

Wer von „Halo“ und seiner Backstory noch nie etwas gehört hat, dürfte allein in diesen kurzen Zeilen Bezüge zu unzähligen Science Fiction Filmen und Romanen feststellen, was genau zur Krux einer Adaption wie „Halo“ führt: Geht man nicht den Weg von „Doom“ und versucht tatsächlich einen Ego-Shooter als fast reines Actionspektakel zu inszenieren (mit zugegebenermaßen durchwachsenem Erfolg) muss man eine Geschichte erzählen und Charaktere entwickeln, entfernt sich also zunehmend von dem, was das Spiel eigentlich ausmachte. Gerade die scheinbare Oberflächlichkeit der Handlung und Figuren eines Spiels reizen den Gamer oft zur Identifikation und verführen zu nächtelangem Spielen, wie Will Bedingfield in einem lesenswerten Artikel auf Wired ausführt.

Solch rudimentäre Figuren erlaubt das Kino höchstens im B-Picture, aber gewiss nicht in einer neunteiligen Serie, die auch noch möglichst viele Staffeln haben soll. Die Lösung sind also ausufernde Handlungsbögen und Charakterentwicklungen, die fast notgedrungen Ähnlichkeiten mit zahlreichen vergleichbaren Welten haben. Allein dass der Master Chief lange Zeit Helm trägt, unnahbar wirkt und in einer Wüste kämpft, weckt Vergleiche zum „Mandalorian“, aber eben auch zu zahllosen anderen, ähnlich teuren, ähnlich bildgewaltigen Serien und Filmen jüngerer Vergangenheit.

Ob es den Machern von „Halo“ gelingt, etwas Eigenes zu entwickeln, wird sich zeigen. Vermutlich sollte man den Erfolg der Serie schließlich auch nicht danach bemessen, ob sie eine gelungene Verfilmung der Spiele ist, sondern ob sie als eigenständiges Werk funktioniert. Angesichts der fundamentalen Unterschiede der Kunstformen Film und Game würde es vielleicht auch helfen, endlich zu akzeptieren, dass eine gelungene Verfilmung eines Videospiels nicht nur ein Ding der Unmöglichkeit ist, sondern schlichtweg ein absurdes Unterfangen.

Halo • USA 20222 • Creator: Steven Kane & Kyle Killan • Darsteller: Pablo Schreiber, Natascha McElhone, Yerin Haneun Episoden, jede Woche eine neue Folge bei Sky

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