30. April 2022

„Was soll schon schiefgehen?“ von Michael Büker

Bestes Infotainment vom bekannten Physiker des P.M.-Magazins

Lesezeit: 3 min.

Man muss Menschen wie Michael Büker gleich in mehrfacher Hinsicht dankbar sein. Zunächst räumt der diplomierte Naturwissenschaftler auf allen seinen Kanälen zwischen Netz und Print mit uralten Vorurteilen im Bereich der Forschungsgeschichte auf und gibt dabei unterhaltsame Einblicke in ein leider oft schulisch zu trocken vorgestelltes Fachgebiet. Man könnte auch sagen: Wären mehr Lehrkräfte so wie Büker, gäbe es wohl zahlreicheren akademischen Nachwuchs in diesem Gebiet oder zumindest mehr Menschen, die beim Schlagwort Physik nicht nur überkomplexe Gleichungen oder vielleicht noch an Einsteins Zunge, Newtons Apfel oder den Bau der Atombombe denken.

Gerade in seinen Kolumnen im P.M.-Magazin, das nach wie vor zurecht als das hierzulande bekannteste populärwissenschaftliche Blatt gelten darf, verknüpft Büker Verständnis für die Materie mit überraschenden Neubewertungen und stellt Physik so dar, dass selbst Laien auf bekömmliche Weise Zugang zu historischer wie zeitgenössischer Wissenschaft finden. Besonders wichtig dabei: Büker demaskiert sehr gerne vielzitierte Erzählungen über geniale (weiße) Männer sowie sich scheinbar bruchlos „ergebende“ Entdeckungen und zeigt auf, wie häufig Zufälle oder auch mal schlicht akademischer Egoismus zu Innovation und darauf folgende Anerkennung anhand von Preisen und Einträgen in die Geschichtsbücher geführt haben. Gleichzeitig doziert der gebürtige Wittenberger nicht, sondern weiß genau, wie er seine Beiträge kompakt und gerne auch mit Augenzwinkern an sein wachsendes Publikum adressiert. Wer etwa in Bükers Podcast „Sag mal, du als Physiker“ reinhört oder sein Buch „Ich war noch niemals auf dem Saturn“ liest, versteht schnell seine auch erzählerischen Qualitäten zu schätzen.

Insofern könnte der Titel seines neuesten Buches programmatischer kaum sein. In „Was soll schon schiefgehen?“ (im Shop) sind – wie der Untertitel schon verrät – 30 Experimente aus der Geschichte der Physik versammelt, die die Welt nachhaltig verändert oder zumindest in Wallung gebracht haben. Die jeweils angenehm knapp und übersichtlich gehaltenen Kapitel, die eine Auswahl aus Bükers P.M.-Kolumne „Bükers Testgelände“ darstellt, beschäftigen sich dabei mit berühmten Köpfen wie Archimedes, Marie Curie oder Christian Doppler ebenso wie mit kuriosen Versuchsanordnungen oder auch gerne mal Unfällen, die zu unerwarteten Erkenntnissen geführt haben. Wenn beispielsweise mithilfe eines Blasorchesters astronomische Theorien bestätigt werden sollen, darüber nachgedacht wird, mit der Concorde den Schatten der Sonne zu verfolgen, ein Freundschaftsbeweis erst dazu führte, Einsteins Relativitätstheorie zu stützen oder in einer Versuchsanordnung einfach mal ein simpler Fehler wie eine klemmende Klappe auftritt, eröffnet sich ein faszinierendes Panorama menschlicher Hybris, hinter der Büker auch stets das manchmal haarsträubend Menschliche in positiver wie negativer Hinsicht aufspürt.

Wer seinen Streifzug durch die vergnüglichen rund 280 Seiten dieses Buches abgeschlossen hat, sieht Wissenschaft sicher mit anderen Augen und versteht, dass es etwa mit der unbestechlichen Objektivität der Naturwissenschaft nicht immer ganz korrekt zugeht (man lese dazu etwa das Kapitel zu Lise Meitner und ihre Pionierleistung im Bereich der Kernspaltung). Doch zuallererst ist „Was soll schon schiefgehen?“ ein Kompendium, das Lust auf mehr Wissenschaft macht und dank der vielen sehr lebensnahen Beobachtungen dazu einlädt, auch den eigenen Alltag öfter aus der Sicht eines Physikers zu betrachten.

Michael Büker: Was soll schon schiefgehen? • Sachbuch • Wilhelm Heyne Verlag, München 2022 • 288 Seiten • Erhältlich als Taschenbuch und eBook • Preis des Taschenbuchs: € 12,00 • im Shop

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