10. Mai 2022 1 Likes

„Shining Girls“ - Ein zeitreisender Serienkiller

Elisabeth Moss in einer Serie, die Geduld belohnt

Lesezeit: 3 min.

Gleich in der ersten Szene von „Shining Girls“, einer neuen Serien-Killer-Serie mit übernatürlichem Touch, die gerade bei Apple+ streamt, erfährt man, wer der Mörder ist. Nicht das der von Jamie Bell gespielte Harper hier jemanden ermordet. Aber wenn ein Mann, der vielleicht Mitte 30 ist, mit einem kleinen Mädchen, das auf einer Treppe spielt, eine Unterhaltung beginnt, einer Biene die Flügel ausreißt und am Ende ein kleines Holzpferdchen zurücklässt ist die Sache klar. Im Jahre 1964 spielt diese Szene, danach ein Schnitt ins Jahr 1992, das Mädchen ist inzwischen erwachsen, sieht aus wie Elisabeth Moss und arbeitet in der Rechercheabteilung der Chicago Sun Times. Eigentlich hatte Kirby höhere Ziele, doch vor sechs Jahren wäre sie beinahe einem Serienkiller zum Opfer gefallen, eine Tat, die sie mit tiefen inneren und äußeren Narben zurückgelassen hat. Nun hat der Täter erneut zugeschlagen, die Polizei befragt auch Kirby, doch sie kann sich nur an die Stimme des Mannes erinnern.

Dass es sich überhaupt um einen Serienkiller handelt ist zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht klar, das entdeckt Kirby erst, als sie dem abgehalfterten Journalisten Dan (Wagner Moura) bei der Recherche hilft. Das Duo entdeckt, dass im Laufe der Jahre immer wieder Frauen ermordet wurden, Frauen, in deren Magen man seltsame, scheinbar unzusammenhängende Dinge gefunden hat, einen Schlüssel oder ein Streichholzbriefchen.

Wenn sich „Shining Girls“ bis hierhin wie eine konventionelle Geschichte über einen Serienkiller anhört liegt man zwar richtig, aber auch falsch. Die von Silka Luisa nach dem Roman von Lauren Beukes erdachte Serie wählt eine betont bedächtige Erzählweise, die lange völlig auf Spannungsmomente verzichtet und auch die detektivische Arbeit der Journalisten beiläufig inszeniert. Doch von Anfang an deuten kleine Momente an, das da noch was kommt, denn immer wieder scheint sich auf kaum merkliche Weise die Realität zu verschieben. Manchmal kommt Kirby nach Hause und wird von einem Hund begrüßt, mal von einer Katze, mal hat sich ihr Schreibtisch über Nacht verändert, mal wurde aus einem Waschsalon eine Bar.

Und nicht nur Kirbys Realität scheint aus den Fugen zu sein, auch Harper scheint sich freihändig durch Raum und Zeit zu bewegen, allerdings ohne das er es kontrollieren kann. So kommt es, dass Jamie Bells Harper in jeder Zeit, egal ob in den 60ern, den 70ern oder 1992 gleich aussieht und vor allem weiß, wie die Zukunft ablaufen wird. Schon in der besagten ersten Szene sagte er zu der kleinen Kirby, die behauptete, das Holzpferd nicht nehmen zu wollen: „Du nimmst es jedes Mal.“ Und so geschiet es auch.

Es ist die große Qualität des Achtteilers, das die übernatürlichen Elemente zwar von Anfang an angedeutet sind, ganz langsam an Raum gewinnen, aber zumindest in den ersten vier Folgen nicht dominieren. (Wer hier und nicht zuletzt auch des Titels wegen an Stephen King denkt, liegt sicher nicht falsch.) Statt dessen fokussiert sich der Blick der Erzählung ganz auf die Atmosphäre, vor allem jedoch auf die wie immer eindringliche Elisabeth Moss. Wie ihre Figur sich in einer von Männern dominierten Welt verhält, in der ihren Berichten wenig Glauben geschenkt wird, macht „Shining Girl“ zu einer sehr aktuellen Serie, die nur manchmal ein wenig zu sehr bemüht ist, dem Zeitgeist zu genügen. Meist jedoch konzentrieren sich die ausschließlich weiblichen Regisseure darauf, eine dichte Charakterstudie zu inszenieren, die ein wenig Geduld verlangt, aber im Gegensatz zu all zu vielen formelhaften Serien dieser Tage Lust macht, sie bis zum Ende zu sehen.

Abb.: Apple TV+

Shining Girls • USA 2022 • Showrunner: Silka Luisa • Darsteller: Elisabeth Moss, Jamie Bell, Wagner Moura • 8 Folgen, Apple TV+, jeden Freitag eine neue Folge

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